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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL X.
einzig zu dem Zweck eine Anzahl von Emigrirten ins Garn
zu locken und zu ermorden. Die Römer versuchten zu ver-
mitteln; aber ihre Gesandten kehrten unverrichteter Sache
zurück und meldeten, dass beide Parteien gleich schlecht und
die Erbitterung nicht zu bezähmen sei. Hier half in der That
nichts andres mehr als der Offizier und der Scharfrichter;
der sentimentale Hellenismus fing an ebenso verderblich zu wer-
den wie er von Anfang an lächerlich war. König Perseus aber
bemächtigte sich dieser Partei, wenn sie den Namen verdient,
der Leute die nichts, am wenigsten einen ehrlichen Namen
zu verlieren hatten, und erliess nicht bloss Verfügungen zu
Gunsten der makedonischen Bankerottirer, sondern liess auch
in Larissa, Delphoi und Delos Aufforderungen anschlagen an
sämmtliche wegen politischer oder anderer Verbrechen oder
ihrer Schulden wegen landflüchtig gewordene Griechen, nach
Makedonien zu kommen und volle Einsetzung in ihre ehe-
maligen Ehren und Güter zu gewärtigen. Dass sie kamen,
kann man sich denken; ebenso dass in ganz Nordgriechen-
land die glimmende sociale Revolution nun in offene Flammen
ausschlug und die national-sociale Partei daselbst um Hülfe sandte
zu Perseus. Wenn aber mit solchen Mitteln die hellenische
Nationalität gerettet werden sollte, so durfte bei aller Achtung
vor Sophokles und Pheidias man sich die Frage erlauben, ob
das Ziel des Preises werth sei.

Der Senat begriff, dass er schon zu lange gezögert habe
und dass es Zeit sei dem Treiben ein Ende zu machen. Die
Vertreibung des thrakischen Häuptlings Abrupolis, der mit den
Römern in Bündniss stand, die Bündnisse Makedoniens mit den
Byzantiern, Aetolern und einem Theil der boeotischen Städte
waren ebenso viel Verletzungen des Friedens von 557 und
genügten für das officielle Kriegsmanifest; der wahre Grund des
Krieges war, dass die formelle Souveränetät Makedoniens im Be-
griff stand sich in eine reelle zu verwandeln und Rom aus dem
Patronat über die Hellenen zu verdrängen. Schon 581 spra-
chen die römischen Gesandten auf der achaeischen Tagsatzung
es ziemlich unumwunden aus, dass ein Bündniss mit Perseus
gleichbedeutend sei mit dem Abfall von dem römischen. 582
kam König Eumenes persönlich nach Rom mit einem langen
Beschwerdenregister und deckte die ganze Lage der Dinge
im Senat auf, worauf dieser wider Erwarten in geheimer
Sitzung sofort die Kriegserklärung beschloss und die Lan-
dungsplätze in Epeiros mit Besatzungen versah. Der Form

DRITTES BUCH. KAPITEL X.
einzig zu dem Zweck eine Anzahl von Emigrirten ins Garn
zu locken und zu ermorden. Die Römer versuchten zu ver-
mitteln; aber ihre Gesandten kehrten unverrichteter Sache
zurück und meldeten, daſs beide Parteien gleich schlecht und
die Erbitterung nicht zu bezähmen sei. Hier half in der That
nichts andres mehr als der Offizier und der Scharfrichter;
der sentimentale Hellenismus fing an ebenso verderblich zu wer-
den wie er von Anfang an lächerlich war. König Perseus aber
bemächtigte sich dieser Partei, wenn sie den Namen verdient,
der Leute die nichts, am wenigsten einen ehrlichen Namen
zu verlieren hatten, und erlieſs nicht bloſs Verfügungen zu
Gunsten der makedonischen Bankerottirer, sondern lieſs auch
in Larissa, Delphoi und Delos Aufforderungen anschlagen an
sämmtliche wegen politischer oder anderer Verbrechen oder
ihrer Schulden wegen landflüchtig gewordene Griechen, nach
Makedonien zu kommen und volle Einsetzung in ihre ehe-
maligen Ehren und Güter zu gewärtigen. Daſs sie kamen,
kann man sich denken; ebenso daſs in ganz Nordgriechen-
land die glimmende sociale Revolution nun in offene Flammen
ausschlug und die national-sociale Partei daselbst um Hülfe sandte
zu Perseus. Wenn aber mit solchen Mitteln die hellenische
Nationalität gerettet werden sollte, so durfte bei aller Achtung
vor Sophokles und Pheidias man sich die Frage erlauben, ob
das Ziel des Preises werth sei.

Der Senat begriff, daſs er schon zu lange gezögert habe
und daſs es Zeit sei dem Treiben ein Ende zu machen. Die
Vertreibung des thrakischen Häuptlings Abrupolis, der mit den
Römern in Bündniſs stand, die Bündnisse Makedoniens mit den
Byzantiern, Aetolern und einem Theil der boeotischen Städte
waren ebenso viel Verletzungen des Friedens von 557 und
genügten für das officielle Kriegsmanifest; der wahre Grund des
Krieges war, daſs die formelle Souveränetät Makedoniens im Be-
griff stand sich in eine reelle zu verwandeln und Rom aus dem
Patronat über die Hellenen zu verdrängen. Schon 581 spra-
chen die römischen Gesandten auf der achaeischen Tagsatzung
es ziemlich unumwunden aus, daſs ein Bündniſs mit Perseus
gleichbedeutend sei mit dem Abfall von dem römischen. 582
kam König Eumenes persönlich nach Rom mit einem langen
Beschwerdenregister und deckte die ganze Lage der Dinge
im Senat auf, worauf dieser wider Erwarten in geheimer
Sitzung sofort die Kriegserklärung beschloſs und die Lan-
dungsplätze in Epeiros mit Besatzungen versah. Der Form

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[580/0594] DRITTES BUCH. KAPITEL X. einzig zu dem Zweck eine Anzahl von Emigrirten ins Garn zu locken und zu ermorden. Die Römer versuchten zu ver- mitteln; aber ihre Gesandten kehrten unverrichteter Sache zurück und meldeten, daſs beide Parteien gleich schlecht und die Erbitterung nicht zu bezähmen sei. Hier half in der That nichts andres mehr als der Offizier und der Scharfrichter; der sentimentale Hellenismus fing an ebenso verderblich zu wer- den wie er von Anfang an lächerlich war. König Perseus aber bemächtigte sich dieser Partei, wenn sie den Namen verdient, der Leute die nichts, am wenigsten einen ehrlichen Namen zu verlieren hatten, und erlieſs nicht bloſs Verfügungen zu Gunsten der makedonischen Bankerottirer, sondern lieſs auch in Larissa, Delphoi und Delos Aufforderungen anschlagen an sämmtliche wegen politischer oder anderer Verbrechen oder ihrer Schulden wegen landflüchtig gewordene Griechen, nach Makedonien zu kommen und volle Einsetzung in ihre ehe- maligen Ehren und Güter zu gewärtigen. Daſs sie kamen, kann man sich denken; ebenso daſs in ganz Nordgriechen- land die glimmende sociale Revolution nun in offene Flammen ausschlug und die national-sociale Partei daselbst um Hülfe sandte zu Perseus. Wenn aber mit solchen Mitteln die hellenische Nationalität gerettet werden sollte, so durfte bei aller Achtung vor Sophokles und Pheidias man sich die Frage erlauben, ob das Ziel des Preises werth sei. Der Senat begriff, daſs er schon zu lange gezögert habe und daſs es Zeit sei dem Treiben ein Ende zu machen. Die Vertreibung des thrakischen Häuptlings Abrupolis, der mit den Römern in Bündniſs stand, die Bündnisse Makedoniens mit den Byzantiern, Aetolern und einem Theil der boeotischen Städte waren ebenso viel Verletzungen des Friedens von 557 und genügten für das officielle Kriegsmanifest; der wahre Grund des Krieges war, daſs die formelle Souveränetät Makedoniens im Be- griff stand sich in eine reelle zu verwandeln und Rom aus dem Patronat über die Hellenen zu verdrängen. Schon 581 spra- chen die römischen Gesandten auf der achaeischen Tagsatzung es ziemlich unumwunden aus, daſs ein Bündniſs mit Perseus gleichbedeutend sei mit dem Abfall von dem römischen. 582 kam König Eumenes persönlich nach Rom mit einem langen Beschwerdenregister und deckte die ganze Lage der Dinge im Senat auf, worauf dieser wider Erwarten in geheimer Sitzung sofort die Kriegserklärung beschloſs und die Lan- dungsplätze in Epeiros mit Besatzungen versah. Der Form

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 580. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/594>, abgerufen am 22.11.2024.