gründlich abgestellt zu haben. -- Kotys in Thrakien, der schwer zu erreichen und gelegentlich gegen Eumenes zu brauchen war, erhielt Verzeihung und seinen gefangenen Sohn zurück. -- So waren die nördlichen Verhältnisse geordnet und nun auch Makedonien endlich von dem Joch der Mo- narchie erlöst -- in der That, Griechenland war freier als je, ein König nirgends mehr vorhanden.
Aber man beschränkte sich nicht darauf Makedonien zu demüthigen. Es war im Senat beschlossen die sämmtlichen hellenischen Staaten, Freund und Feind, ein für allemal un- schädlich zu machen und sie mit einander in dieselbe de- müthige Clientel herabzudrücken. Dass es beschlossen ward, mag entschuldbar sein; allein die Art, wie man namentlich gegen die mächtigeren unter den griechischen Clientenstaaten verfuhr, ist einer Grossmacht nicht würdig und zeigt, dass die Epoche der Fabier und Scipionen zu Ende ist. Am schwer- sten traf dieser Rollenwechsel denjenigen Staat, der von Rom geschaffen und grossgezogen war, um Makedonien im Zaum zu halten und dessen man jetzt, nach Makedoniens Vernich- tung, freilich nicht mehr bedurfte, das Reich der Attaliden. Es schien nicht leicht gegen den klugen und besonnenen Eumenes einen erträglichen Vorwand zu finden um ihn aus seiner bevorzugten Stellung zu verdrängen und ihn vorläufig wenigstens in Ungnade fallen lassen zu können. Auf einmal kamen um die Zeit, da die Römer im Lager bei Herakleion standen, seltsame Gerüchte über ihn in Umlauf: er stehe mit Perseus in heimlichem Verkehr; plötzlich sei seine Flotte wie weggeweht gewesen; für seine Nichttheilnahme am Feldzug seien ihm 500, für die Vermittlung des Friedens 1500 Ta- lente geboten worden, und der Vertrag habe sich nur an Perseus Geiz zerschlagen. Was die pergamenische Flotte anlangt, so ging der König mit ihr, als die römische sich ins Winter- quartier begab, gleichfalls heim, nachdem er dem Consul seine Aufwartung gemacht hatte. Die Bestechungsgeschichte ist so sicher ein Mährchen wie nur irgend eine heutige Zeitungsente; denn dass der reiche, schlaue und consequente Attalide, der den Krieg durch seine Reise 582 zunächst veranlasst hatte und fast desswegen von Perseus Banditen ermordet worden wäre, in dem Augenblick, wo die wesentlichen Schwierigkeiten eines Krieges überwunden waren, über dessen endlichen Ausgang überdies nie ernstlich gezweifelt werden konnte, dass er damals seinem Mörder seinen Antheil an der Beute um einige Ta-
DER DRITTE MAKEDONISCHE KRIEG.
gründlich abgestellt zu haben. — Kotys in Thrakien, der schwer zu erreichen und gelegentlich gegen Eumenes zu brauchen war, erhielt Verzeihung und seinen gefangenen Sohn zurück. — So waren die nördlichen Verhältnisse geordnet und nun auch Makedonien endlich von dem Joch der Mo- narchie erlöst — in der That, Griechenland war freier als je, ein König nirgends mehr vorhanden.
Aber man beschränkte sich nicht darauf Makedonien zu demüthigen. Es war im Senat beschlossen die sämmtlichen hellenischen Staaten, Freund und Feind, ein für allemal un- schädlich zu machen und sie mit einander in dieselbe de- müthige Clientel herabzudrücken. Daſs es beschlossen ward, mag entschuldbar sein; allein die Art, wie man namentlich gegen die mächtigeren unter den griechischen Clientenstaaten verfuhr, ist einer Groſsmacht nicht würdig und zeigt, daſs die Epoche der Fabier und Scipionen zu Ende ist. Am schwer- sten traf dieser Rollenwechsel denjenigen Staat, der von Rom geschaffen und groſsgezogen war, um Makedonien im Zaum zu halten und dessen man jetzt, nach Makedoniens Vernich- tung, freilich nicht mehr bedurfte, das Reich der Attaliden. Es schien nicht leicht gegen den klugen und besonnenen Eumenes einen erträglichen Vorwand zu finden um ihn aus seiner bevorzugten Stellung zu verdrängen und ihn vorläufig wenigstens in Ungnade fallen lassen zu können. Auf einmal kamen um die Zeit, da die Römer im Lager bei Herakleion standen, seltsame Gerüchte über ihn in Umlauf: er stehe mit Perseus in heimlichem Verkehr; plötzlich sei seine Flotte wie weggeweht gewesen; für seine Nichttheilnahme am Feldzug seien ihm 500, für die Vermittlung des Friedens 1500 Ta- lente geboten worden, und der Vertrag habe sich nur an Perseus Geiz zerschlagen. Was die pergamenische Flotte anlangt, so ging der König mit ihr, als die römische sich ins Winter- quartier begab, gleichfalls heim, nachdem er dem Consul seine Aufwartung gemacht hatte. Die Bestechungsgeschichte ist so sicher ein Mährchen wie nur irgend eine heutige Zeitungsente; denn daſs der reiche, schlaue und consequente Attalide, der den Krieg durch seine Reise 582 zunächst veranlaſst hatte und fast deſswegen von Perseus Banditen ermordet worden wäre, in dem Augenblick, wo die wesentlichen Schwierigkeiten eines Krieges überwunden waren, über dessen endlichen Ausgang überdies nie ernstlich gezweifelt werden konnte, daſs er damals seinem Mörder seinen Antheil an der Beute um einige Ta-
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[591/0605]
DER DRITTE MAKEDONISCHE KRIEG.
gründlich abgestellt zu haben. — Kotys in Thrakien, der
schwer zu erreichen und gelegentlich gegen Eumenes zu
brauchen war, erhielt Verzeihung und seinen gefangenen Sohn
zurück. — So waren die nördlichen Verhältnisse geordnet
und nun auch Makedonien endlich von dem Joch der Mo-
narchie erlöst — in der That, Griechenland war freier als
je, ein König nirgends mehr vorhanden.
Aber man beschränkte sich nicht darauf Makedonien zu
demüthigen. Es war im Senat beschlossen die sämmtlichen
hellenischen Staaten, Freund und Feind, ein für allemal un-
schädlich zu machen und sie mit einander in dieselbe de-
müthige Clientel herabzudrücken. Daſs es beschlossen ward,
mag entschuldbar sein; allein die Art, wie man namentlich
gegen die mächtigeren unter den griechischen Clientenstaaten
verfuhr, ist einer Groſsmacht nicht würdig und zeigt, daſs die
Epoche der Fabier und Scipionen zu Ende ist. Am schwer-
sten traf dieser Rollenwechsel denjenigen Staat, der von Rom
geschaffen und groſsgezogen war, um Makedonien im Zaum
zu halten und dessen man jetzt, nach Makedoniens Vernich-
tung, freilich nicht mehr bedurfte, das Reich der Attaliden.
Es schien nicht leicht gegen den klugen und besonnenen
Eumenes einen erträglichen Vorwand zu finden um ihn aus
seiner bevorzugten Stellung zu verdrängen und ihn vorläufig
wenigstens in Ungnade fallen lassen zu können. Auf einmal
kamen um die Zeit, da die Römer im Lager bei Herakleion
standen, seltsame Gerüchte über ihn in Umlauf: er stehe mit
Perseus in heimlichem Verkehr; plötzlich sei seine Flotte wie
weggeweht gewesen; für seine Nichttheilnahme am Feldzug
seien ihm 500, für die Vermittlung des Friedens 1500 Ta-
lente geboten worden, und der Vertrag habe sich nur an
Perseus Geiz zerschlagen. Was die pergamenische Flotte anlangt,
so ging der König mit ihr, als die römische sich ins Winter-
quartier begab, gleichfalls heim, nachdem er dem Consul seine
Aufwartung gemacht hatte. Die Bestechungsgeschichte ist so
sicher ein Mährchen wie nur irgend eine heutige Zeitungsente;
denn daſs der reiche, schlaue und consequente Attalide, der
den Krieg durch seine Reise 582 zunächst veranlaſst hatte
und fast deſswegen von Perseus Banditen ermordet worden
wäre, in dem Augenblick, wo die wesentlichen Schwierigkeiten
eines Krieges überwunden waren, über dessen endlichen Ausgang
überdies nie ernstlich gezweifelt werden konnte, daſs er damals
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 591. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/605>, abgerufen am 22.11.2024.
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