Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DER DRITTE MAKEDONISCHE KRIEG. gehen. Zwischen beiden war Krieg ausgebrochen, wiedereinmal über Koelesyrien und Palaestina. Nach der Behaup- tung der Aegypter waren diese Provinzen bei der Vermählung der syrischen Kleopatra an Aegypten abgetreten worden; was der Hof von Babylon indess, der sich im factischen Besitz befand, in Abrede stellte. Wie es scheint, gab die Anwei- sung der Mitgift auf die Steuern der koelesyrischen Städte die Veranlassung zu dem Hader und war das Recht auf syrischer Seite; den Ausbruch des Krieges veranlasste der Tod der Kleopatra im Jahre 581, mit dem spätestens die Rentenzah- lungen aufhörten. Der Krieg scheint von Aegypten begonnen zu sein; allein auch König Antiochos Epiphanes ergriff die Gelegenheit gern, um während der Beschäftigung der Römer in Makedonien das traditionelle Ziel der Seleukidenpolitik, die Erwerbung Aegyptens noch einmal anzustreben; es sollte das letzte Mal sein. Das Glück schien ihm günstig. Der damalige König von Aegypten, Ptolemaeos der Sechste Philo- metor, der Sohn jener Kleopatra, hatte kaum das Knabenalter überschritten und war schlecht berathen; nach einem grossen Sieg an der syrisch-aegyptischen Grenze konnte Antiochos in demselben Jahr, in welchem die Legionen in Griechenland landeten (583), in das Gebiet seines Neffen einrücken und bald war dieser selbst in seiner Gewalt. Es gewann den Anschein, als gedenke Antiochos unter Philometors Namen sich in den Besitz von ganz Aegypten zu setzen; Alexandreia schloss ihm desshalb die Thore, setzte den Philometor ab und ernannte an seiner Stelle den jüngern Bruder, Euergetes II. oder der Dicke genannt, zum König. Als hierauf Antiochos durch Unruhen in seinem Reiche abgerufen ward und in seiner Abwesenheit die Brüder sich mit einander vertrugen, setzte er nach seiner Rückkehr gegen beide den Krieg fort. Wie er eben vor Alexandreia stand, nicht lange nach der Schlacht von Pydna (586), traf ihn der römische Gesandte Gaius Popillius, ein har- ter barscher Mann, und insinuirte ihm den Befehl des Senats alles Eroberte zurückzugeben und Aegypten in einer bestimm- ten Frist zu räumen. Als der König sich Bedenkzeit erbat, zog der Consular mit dem Stabe einen Kreis um ihn und hiess ihn sich erklären, bevor er den Kreis überschreite. Der König er- wiederte, dass er gehorche und zog ab nach seiner Residenz, um dort als der Gott, der glänzende Siegbringer, der er war, die Bezwingung Aegyptens nach römischer Sitte zu feiern und den Triumph des Paullus zu parodiren. -- Aegypten 38*
DER DRITTE MAKEDONISCHE KRIEG. gehen. Zwischen beiden war Krieg ausgebrochen, wiedereinmal über Koelesyrien und Palaestina. Nach der Behaup- tung der Aegypter waren diese Provinzen bei der Vermählung der syrischen Kleopatra an Aegypten abgetreten worden; was der Hof von Babylon indeſs, der sich im factischen Besitz befand, in Abrede stellte. Wie es scheint, gab die Anwei- sung der Mitgift auf die Steuern der koelesyrischen Städte die Veranlassung zu dem Hader und war das Recht auf syrischer Seite; den Ausbruch des Krieges veranlaſste der Tod der Kleopatra im Jahre 581, mit dem spätestens die Rentenzah- lungen aufhörten. Der Krieg scheint von Aegypten begonnen zu sein; allein auch König Antiochos Epiphanes ergriff die Gelegenheit gern, um während der Beschäftigung der Römer in Makedonien das traditionelle Ziel der Seleukidenpolitik, die Erwerbung Aegyptens noch einmal anzustreben; es sollte das letzte Mal sein. Das Glück schien ihm günstig. Der damalige König von Aegypten, Ptolemaeos der Sechste Philo- metor, der Sohn jener Kleopatra, hatte kaum das Knabenalter überschritten und war schlecht berathen; nach einem groſsen Sieg an der syrisch-aegyptischen Grenze konnte Antiochos in demselben Jahr, in welchem die Legionen in Griechenland landeten (583), in das Gebiet seines Neffen einrücken und bald war dieser selbst in seiner Gewalt. Es gewann den Anschein, als gedenke Antiochos unter Philometors Namen sich in den Besitz von ganz Aegypten zu setzen; Alexandreia schloſs ihm deſshalb die Thore, setzte den Philometor ab und ernannte an seiner Stelle den jüngern Bruder, Euergetes II. oder der Dicke genannt, zum König. Als hierauf Antiochos durch Unruhen in seinem Reiche abgerufen ward und in seiner Abwesenheit die Brüder sich mit einander vertrugen, setzte er nach seiner Rückkehr gegen beide den Krieg fort. Wie er eben vor Alexandreia stand, nicht lange nach der Schlacht von Pydna (586), traf ihn der römische Gesandte Gaius Popillius, ein har- ter barscher Mann, und insinuirte ihm den Befehl des Senats alles Eroberte zurückzugeben und Aegypten in einer bestimm- ten Frist zu räumen. Als der König sich Bedenkzeit erbat, zog der Consular mit dem Stabe einen Kreis um ihn und hieſs ihn sich erklären, bevor er den Kreis überschreite. Der König er- wiederte, daſs er gehorche und zog ab nach seiner Residenz, um dort als der Gott, der glänzende Siegbringer, der er war, die Bezwingung Aegyptens nach römischer Sitte zu feiern und den Triumph des Paullus zu parodiren. — Aegypten 38*
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DER DRITTE MAKEDONISCHE KRIEG.
gehen. Zwischen beiden war Krieg ausgebrochen, wieder
einmal über Koelesyrien und Palaestina. Nach der Behaup-
tung der Aegypter waren diese Provinzen bei der Vermählung
der syrischen Kleopatra an Aegypten abgetreten worden; was
der Hof von Babylon indeſs, der sich im factischen Besitz
befand, in Abrede stellte. Wie es scheint, gab die Anwei-
sung der Mitgift auf die Steuern der koelesyrischen Städte die
Veranlassung zu dem Hader und war das Recht auf syrischer
Seite; den Ausbruch des Krieges veranlaſste der Tod der
Kleopatra im Jahre 581, mit dem spätestens die Rentenzah-
lungen aufhörten. Der Krieg scheint von Aegypten begonnen
zu sein; allein auch König Antiochos Epiphanes ergriff die
Gelegenheit gern, um während der Beschäftigung der Römer
in Makedonien das traditionelle Ziel der Seleukidenpolitik, die
Erwerbung Aegyptens noch einmal anzustreben; es sollte
das letzte Mal sein. Das Glück schien ihm günstig. Der
damalige König von Aegypten, Ptolemaeos der Sechste Philo-
metor, der Sohn jener Kleopatra, hatte kaum das Knabenalter
überschritten und war schlecht berathen; nach einem groſsen
Sieg an der syrisch-aegyptischen Grenze konnte Antiochos in
demselben Jahr, in welchem die Legionen in Griechenland
landeten (583), in das Gebiet seines Neffen einrücken und
bald war dieser selbst in seiner Gewalt. Es gewann den
Anschein, als gedenke Antiochos unter Philometors Namen
sich in den Besitz von ganz Aegypten zu setzen; Alexandreia
schloſs ihm deſshalb die Thore, setzte den Philometor ab und
ernannte an seiner Stelle den jüngern Bruder, Euergetes II.
oder der Dicke genannt, zum König. Als hierauf Antiochos
durch Unruhen in seinem Reiche abgerufen ward und in seiner
Abwesenheit die Brüder sich mit einander vertrugen, setzte er
nach seiner Rückkehr gegen beide den Krieg fort. Wie er eben
vor Alexandreia stand, nicht lange nach der Schlacht von Pydna
(586), traf ihn der römische Gesandte Gaius Popillius, ein har-
ter barscher Mann, und insinuirte ihm den Befehl des Senats
alles Eroberte zurückzugeben und Aegypten in einer bestimm-
ten Frist zu räumen. Als der König sich Bedenkzeit erbat, zog
der Consular mit dem Stabe einen Kreis um ihn und hieſs ihn
sich erklären, bevor er den Kreis überschreite. Der König er-
wiederte, daſs er gehorche und zog ab nach seiner Residenz,
um dort als der Gott, der glänzende Siegbringer, der er war,
die Bezwingung Aegyptens nach römischer Sitte zu feiern
und den Triumph des Paullus zu parodiren. — Aegypten
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