Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.VERFASSUNG UND INNERE VERHAELTNISSE. die Colonien daselbst gediehen nicht. Bevölkerter blieb dieschöne campanische Ebene; ein grosser Theil der Bauern indess waren kleine Zeitpächter der Staatsdomänen, gegen deren Occupirung hier die Regierung mit Nachdruck einschritt. Endlich das lucanische und brettische Gebiet, dessen Bevöl- kerung schon vor dem Kriege dünn war und nicht die Hälfte der samnitischen betrug, wurde im Kriege entsetzlich verödet und auch von den römischen Colonien daselbst gedieh nur Valentia (Monteleone). In diesen drei südlichsten italischen Landschaften, Apulien, Lucanien und dem Brettiergebiet, hat der Ackerbau sich nie wieder erholt, und die Viehwirthschaft hatte hier ihren rechten Sitz. Die halbwilden Hirten, fast sämmtlich Sclaven und grossentheils gefangene Feinde, mach- ten Apulien schon 569 so unsicher, dass starke Besatzung dorthin gelegt werden musste; es ward eine Sclavenverschwö- rung entdeckt, in die gegen 7000 Menschen verwickelt waren und die wie es scheint auch mit dem Bacchanalienwesen sich verzweigte. Ueberhaupt wuchs die Sclavenbevölkerung in demselben Verhältniss wie die freie sank; es kam schon vor, dass Sclavenrotten Miene machten Städte wie Setia und Prae- neste zu überfallen (556) und dass man sich in Etrurien mit einer solchen Bande förmlich herumschlug (558). Man versuchte dem Uebel gesetzlich zu steuern und schrieb den Gutsherren vor unter ihren Arbeitern eine bestimmte Anzahl freier Leute zu verwenden; die Absicht war gut, aber es ist sehr zweifelhaft, ob für die Durchsetzung der Vorschrift durch ernstliche Beaufsichtigung gesorgt ward. Dem Sinken der italischen Bodenwirthschaft zur Seite VERFASSUNG UND INNERE VERHAELTNISSE. die Colonien daselbst gediehen nicht. Bevölkerter blieb dieschöne campanische Ebene; ein groſser Theil der Bauern indeſs waren kleine Zeitpächter der Staatsdomänen, gegen deren Occupirung hier die Regierung mit Nachdruck einschritt. Endlich das lucanische und brettische Gebiet, dessen Bevöl- kerung schon vor dem Kriege dünn war und nicht die Hälfte der samnitischen betrug, wurde im Kriege entsetzlich verödet und auch von den römischen Colonien daselbst gedieh nur Valentia (Monteleone). In diesen drei südlichsten italischen Landschaften, Apulien, Lucanien und dem Brettiergebiet, hat der Ackerbau sich nie wieder erholt, und die Viehwirthschaft hatte hier ihren rechten Sitz. Die halbwilden Hirten, fast sämmtlich Sclaven und groſsentheils gefangene Feinde, mach- ten Apulien schon 569 so unsicher, daſs starke Besatzung dorthin gelegt werden muſste; es ward eine Sclavenverschwö- rung entdeckt, in die gegen 7000 Menschen verwickelt waren und die wie es scheint auch mit dem Bacchanalienwesen sich verzweigte. Ueberhaupt wuchs die Sclavenbevölkerung in demselben Verhältniſs wie die freie sank; es kam schon vor, daſs Sclavenrotten Miene machten Städte wie Setia und Prae- neste zu überfallen (556) und daſs man sich in Etrurien mit einer solchen Bande förmlich herumschlug (558). Man versuchte dem Uebel gesetzlich zu steuern und schrieb den Gutsherren vor unter ihren Arbeitern eine bestimmte Anzahl freier Leute zu verwenden; die Absicht war gut, aber es ist sehr zweifelhaft, ob für die Durchsetzung der Vorschrift durch ernstliche Beaufsichtigung gesorgt ward. Dem Sinken der italischen Bodenwirthschaft zur Seite <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0637" n="623"/><fw place="top" type="header">VERFASSUNG UND INNERE VERHAELTNISSE.</fw><lb/> die Colonien daselbst gediehen nicht. Bevölkerter blieb die<lb/> schöne campanische Ebene; ein groſser Theil der Bauern<lb/> indeſs waren kleine Zeitpächter der Staatsdomänen, gegen<lb/> deren Occupirung hier die Regierung mit Nachdruck einschritt.<lb/> Endlich das lucanische und brettische Gebiet, dessen Bevöl-<lb/> kerung schon vor dem Kriege dünn war und nicht die Hälfte<lb/> der samnitischen betrug, wurde im Kriege entsetzlich verödet<lb/> und auch von den römischen Colonien daselbst gedieh nur<lb/> Valentia (Monteleone). In diesen drei südlichsten italischen<lb/> Landschaften, Apulien, Lucanien und dem Brettiergebiet, hat<lb/> der Ackerbau sich nie wieder erholt, und die Viehwirthschaft<lb/> hatte hier ihren rechten Sitz. Die halbwilden Hirten, fast<lb/> sämmtlich Sclaven und groſsentheils gefangene Feinde, mach-<lb/> ten Apulien schon 569 so unsicher, daſs starke Besatzung<lb/> dorthin gelegt werden muſste; es ward eine Sclavenverschwö-<lb/> rung entdeckt, in die gegen 7000 Menschen verwickelt waren<lb/> und die wie es scheint auch mit dem Bacchanalienwesen sich<lb/> verzweigte. Ueberhaupt wuchs die Sclavenbevölkerung in<lb/> demselben Verhältniſs wie die freie sank; es kam schon vor,<lb/> daſs Sclavenrotten Miene machten Städte wie Setia und Prae-<lb/> neste zu überfallen (556) und daſs man sich in Etrurien<lb/> mit einer solchen Bande förmlich herumschlug (558). Man<lb/> versuchte dem Uebel gesetzlich zu steuern und schrieb den<lb/> Gutsherren vor unter ihren Arbeitern eine bestimmte Anzahl<lb/> freier Leute zu verwenden; die Absicht war gut, aber es ist<lb/> sehr zweifelhaft, ob für die Durchsetzung der Vorschrift durch<lb/> ernstliche Beaufsichtigung gesorgt ward.</p><lb/> <p>Dem Sinken der italischen Bodenwirthschaft zur Seite<lb/> geht das rasche und künstliche Aufblühen des italischen Han-<lb/> dels und des Geldverkehrs. Die nächste Ursache war das<lb/> politische Uebergewicht Roms, das theils den Römern und<lb/> Latinern eine bevorrechtete Handelsstellung sicherte — in<lb/> den Provinzen waren sie die Herren im Hause und selbst in<lb/> vielen Clientelstaaten stand den Römern und Latinern ver-<lb/> tragsmäſsig Zollfreiheit zu — theils durch den Handel und<lb/> durch andere Kanäle von Westen und Osten eine Capital-<lb/> masse nach Rom führte, von der eine bestimmte Vorstellung<lb/> kaum zu gewinnen ist, die aber deutlich erscheint in der<lb/> nicht minder als die politische und militärische entschiedenen<lb/> Geldübermacht Roms gegen die übrige civilisirte Welt. Cha-<lb/> rakteristisch ist der Ausdruck, den ein Grieche von dem jün-<lb/> geren Scipio Africanus braucht, ‚für einen Römer sei er nicht<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [623/0637]
VERFASSUNG UND INNERE VERHAELTNISSE.
die Colonien daselbst gediehen nicht. Bevölkerter blieb die
schöne campanische Ebene; ein groſser Theil der Bauern
indeſs waren kleine Zeitpächter der Staatsdomänen, gegen
deren Occupirung hier die Regierung mit Nachdruck einschritt.
Endlich das lucanische und brettische Gebiet, dessen Bevöl-
kerung schon vor dem Kriege dünn war und nicht die Hälfte
der samnitischen betrug, wurde im Kriege entsetzlich verödet
und auch von den römischen Colonien daselbst gedieh nur
Valentia (Monteleone). In diesen drei südlichsten italischen
Landschaften, Apulien, Lucanien und dem Brettiergebiet, hat
der Ackerbau sich nie wieder erholt, und die Viehwirthschaft
hatte hier ihren rechten Sitz. Die halbwilden Hirten, fast
sämmtlich Sclaven und groſsentheils gefangene Feinde, mach-
ten Apulien schon 569 so unsicher, daſs starke Besatzung
dorthin gelegt werden muſste; es ward eine Sclavenverschwö-
rung entdeckt, in die gegen 7000 Menschen verwickelt waren
und die wie es scheint auch mit dem Bacchanalienwesen sich
verzweigte. Ueberhaupt wuchs die Sclavenbevölkerung in
demselben Verhältniſs wie die freie sank; es kam schon vor,
daſs Sclavenrotten Miene machten Städte wie Setia und Prae-
neste zu überfallen (556) und daſs man sich in Etrurien
mit einer solchen Bande förmlich herumschlug (558). Man
versuchte dem Uebel gesetzlich zu steuern und schrieb den
Gutsherren vor unter ihren Arbeitern eine bestimmte Anzahl
freier Leute zu verwenden; die Absicht war gut, aber es ist
sehr zweifelhaft, ob für die Durchsetzung der Vorschrift durch
ernstliche Beaufsichtigung gesorgt ward.
Dem Sinken der italischen Bodenwirthschaft zur Seite
geht das rasche und künstliche Aufblühen des italischen Han-
dels und des Geldverkehrs. Die nächste Ursache war das
politische Uebergewicht Roms, das theils den Römern und
Latinern eine bevorrechtete Handelsstellung sicherte — in
den Provinzen waren sie die Herren im Hause und selbst in
vielen Clientelstaaten stand den Römern und Latinern ver-
tragsmäſsig Zollfreiheit zu — theils durch den Handel und
durch andere Kanäle von Westen und Osten eine Capital-
masse nach Rom führte, von der eine bestimmte Vorstellung
kaum zu gewinnen ist, die aber deutlich erscheint in der
nicht minder als die politische und militärische entschiedenen
Geldübermacht Roms gegen die übrige civilisirte Welt. Cha-
rakteristisch ist der Ausdruck, den ein Grieche von dem jün-
geren Scipio Africanus braucht, ‚für einen Römer sei er nicht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |