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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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VERFASSUNG UND INNERE VERHAELTNISSE.
für die geringeren Geschäfte natürlich vorzugsweise Sclaven
verwandten. Der Geldhandel selbst und das gewerbmässige
Leihgeschäft sind wenig besser und doch ist kein Zweig der
commerciellen Industrie so eifrig von den Römern gepflegt
worden; nicht bloss dass die Banquiers die grossen Unterneh-
mungen unterstützten, sondern sie verbreiteten sich auch
überall in den kleinen Verkehr und in den sämmtlichen Pro-
vinzen und Clientelstaaten ward es so zu sagen Monopol der
Römer den Geldsuchenden vorzuschiessen. Italische Banquiers
und Kaufleute fingen an sich in Menge in den Provinzen und
den Clientelstaaten niederzulassen, um dort ihre bevorzugte
Stellung auszubeuten und in der Regel mit ihrem im Ausland
gewonnenen Vermögen seiner Zeit nach Italien zurückzukehren.
Der Handel Italiens ward mehr und mehr passiv. Selbst
gegen Norden, wo am ersten eine für Italien günstige Han-
delsbilanz erwartet werden könnte, scheint dies nicht der Fall
gewesen zu sein. Die Einfuhr der Sclaven, die aus den kel-
tischen und wohl auch schon aus den germanischen Ländern
nach Ariminum und den übrigen norditalischen Märkten ström-
ten, konnte man mit andern Waaren nicht decken, so dass es
nothwendig schien im Jahre 523 die Ausfuhr des Silbergeldes
in das Keltenland zu verbieten. Rom war eben die Hauptstadt
der Mittelmeerstaaten und Italien Roms Weichbild; der Handel
aber einer jeden Hauptstadt, wenn sie nichts weiter als dieses
ist, muss passiv werden und Rom suchte nicht etwas weiter
zu sein. Man besass ja Geld genug um die Waaren zu be-
zahlen; kaum dass man sich die Mühe gab sie zu holen. Wie
es mit der italischen Schiffahrt stand, ist schwer zu sagen;
es scheint indess, dass die rührige hellenische Nation im See-
verkehr den Vorrang behauptete vor den Italikern. Sicherer
ist es, dass die Industrie in Italien verhältnissmässig zurück-
blieb; nur das Bauwesen kam in Aufschwung durch die gross-
artigen Anlagen von Strassen und Gebäuden, die auf Kosten
des Staats und der Gemeinden, bald auch der einzelnen
Reichen ausgeführt wurden. Die Ausführung geschah regel-
mässig durch Accord mit den Unternehmern, die das Capital
hergaben und im Einzelnen die Arbeit meist durch Sclaven
ausführen liessen; selbst die Architekten waren grossentheils
unfrei. Es zeigen sich keine Versuche die gewerbmässige
Industrie, wie sie in Aegypten, in Syrien und Phoenikien und
sonst bestand, nach Italien zu verpflanzen oder auch nur sie
in die Hände zu bekommen; man kaufte wohl aegyptisches

Röm. Gesch. I. 40

VERFASSUNG UND INNERE VERHAELTNISSE.
für die geringeren Geschäfte natürlich vorzugsweise Sclaven
verwandten. Der Geldhandel selbst und das gewerbmäſsige
Leihgeschäft sind wenig besser und doch ist kein Zweig der
commerciellen Industrie so eifrig von den Römern gepflegt
worden; nicht bloſs daſs die Banquiers die groſsen Unterneh-
mungen unterstützten, sondern sie verbreiteten sich auch
überall in den kleinen Verkehr und in den sämmtlichen Pro-
vinzen und Clientelstaaten ward es so zu sagen Monopol der
Römer den Geldsuchenden vorzuschieſsen. Italische Banquiers
und Kaufleute fingen an sich in Menge in den Provinzen und
den Clientelstaaten niederzulassen, um dort ihre bevorzugte
Stellung auszubeuten und in der Regel mit ihrem im Ausland
gewonnenen Vermögen seiner Zeit nach Italien zurückzukehren.
Der Handel Italiens ward mehr und mehr passiv. Selbst
gegen Norden, wo am ersten eine für Italien günstige Han-
delsbilanz erwartet werden könnte, scheint dies nicht der Fall
gewesen zu sein. Die Einfuhr der Sclaven, die aus den kel-
tischen und wohl auch schon aus den germanischen Ländern
nach Ariminum und den übrigen norditalischen Märkten ström-
ten, konnte man mit andern Waaren nicht decken, so daſs es
nothwendig schien im Jahre 523 die Ausfuhr des Silbergeldes
in das Keltenland zu verbieten. Rom war eben die Hauptstadt
der Mittelmeerstaaten und Italien Roms Weichbild; der Handel
aber einer jeden Hauptstadt, wenn sie nichts weiter als dieses
ist, muſs passiv werden und Rom suchte nicht etwas weiter
zu sein. Man besaſs ja Geld genug um die Waaren zu be-
zahlen; kaum daſs man sich die Mühe gab sie zu holen. Wie
es mit der italischen Schiffahrt stand, ist schwer zu sagen;
es scheint indeſs, daſs die rührige hellenische Nation im See-
verkehr den Vorrang behauptete vor den Italikern. Sicherer
ist es, daſs die Industrie in Italien verhältniſsmäſsig zurück-
blieb; nur das Bauwesen kam in Aufschwung durch die groſs-
artigen Anlagen von Straſsen und Gebäuden, die auf Kosten
des Staats und der Gemeinden, bald auch der einzelnen
Reichen ausgeführt wurden. Die Ausführung geschah regel-
mäſsig durch Accord mit den Unternehmern, die das Capital
hergaben und im Einzelnen die Arbeit meist durch Sclaven
ausführen lieſsen; selbst die Architekten waren groſsentheils
unfrei. Es zeigen sich keine Versuche die gewerbmäſsige
Industrie, wie sie in Aegypten, in Syrien und Phoenikien und
sonst bestand, nach Italien zu verpflanzen oder auch nur sie
in die Hände zu bekommen; man kaufte wohl aegyptisches

Röm. Gesch. I. 40
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[625/0639] VERFASSUNG UND INNERE VERHAELTNISSE. für die geringeren Geschäfte natürlich vorzugsweise Sclaven verwandten. Der Geldhandel selbst und das gewerbmäſsige Leihgeschäft sind wenig besser und doch ist kein Zweig der commerciellen Industrie so eifrig von den Römern gepflegt worden; nicht bloſs daſs die Banquiers die groſsen Unterneh- mungen unterstützten, sondern sie verbreiteten sich auch überall in den kleinen Verkehr und in den sämmtlichen Pro- vinzen und Clientelstaaten ward es so zu sagen Monopol der Römer den Geldsuchenden vorzuschieſsen. Italische Banquiers und Kaufleute fingen an sich in Menge in den Provinzen und den Clientelstaaten niederzulassen, um dort ihre bevorzugte Stellung auszubeuten und in der Regel mit ihrem im Ausland gewonnenen Vermögen seiner Zeit nach Italien zurückzukehren. Der Handel Italiens ward mehr und mehr passiv. Selbst gegen Norden, wo am ersten eine für Italien günstige Han- delsbilanz erwartet werden könnte, scheint dies nicht der Fall gewesen zu sein. Die Einfuhr der Sclaven, die aus den kel- tischen und wohl auch schon aus den germanischen Ländern nach Ariminum und den übrigen norditalischen Märkten ström- ten, konnte man mit andern Waaren nicht decken, so daſs es nothwendig schien im Jahre 523 die Ausfuhr des Silbergeldes in das Keltenland zu verbieten. Rom war eben die Hauptstadt der Mittelmeerstaaten und Italien Roms Weichbild; der Handel aber einer jeden Hauptstadt, wenn sie nichts weiter als dieses ist, muſs passiv werden und Rom suchte nicht etwas weiter zu sein. Man besaſs ja Geld genug um die Waaren zu be- zahlen; kaum daſs man sich die Mühe gab sie zu holen. Wie es mit der italischen Schiffahrt stand, ist schwer zu sagen; es scheint indeſs, daſs die rührige hellenische Nation im See- verkehr den Vorrang behauptete vor den Italikern. Sicherer ist es, daſs die Industrie in Italien verhältniſsmäſsig zurück- blieb; nur das Bauwesen kam in Aufschwung durch die groſs- artigen Anlagen von Straſsen und Gebäuden, die auf Kosten des Staats und der Gemeinden, bald auch der einzelnen Reichen ausgeführt wurden. Die Ausführung geschah regel- mäſsig durch Accord mit den Unternehmern, die das Capital hergaben und im Einzelnen die Arbeit meist durch Sclaven ausführen lieſsen; selbst die Architekten waren groſsentheils unfrei. Es zeigen sich keine Versuche die gewerbmäſsige Industrie, wie sie in Aegypten, in Syrien und Phoenikien und sonst bestand, nach Italien zu verpflanzen oder auch nur sie in die Hände zu bekommen; man kaufte wohl aegyptisches Röm. Gesch. I. 40

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 625. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/639>, abgerufen am 22.11.2024.