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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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vortreffliche Stellen vorkommen *; mit Wahrscheinlichkeit darf
angenommen werden, dass er mehr durch Gewandtheit und
Eleganz sich auszeichnete als durch geniale Productivität.
Wie Klopstock für den deutschen gab er sich für den römi-
schen Homer und ward dafür genommen; von ihm datirt
man später die römische Poesie oder wie ein Dichter der
ciceronischen Zeit sagt:

Als es Hannibal bezwungen, nahte mit beschwingtem Schritt
Sich im Kriegsgewand die Muse der Quiriten hartem Volk.

In beidem ist die Wahrheit enthalten, dass während Nae-
vius und die seiner Richtung folgten sich so viel wie möglich
auf das Grenzgebiet der Poesie gegen die Prosa beschränkten,
Ennius zuerst wenigstens danach strebte ein Poet im vollen
Sinn des Wortes zu sein; und dass wie Homer für die Grie-
chen so Ennius für die Römer den Ton angab, in den die
Späteren einstimmten, zunächst in der Tragödie Pacuvius,
Ennius Landsmann, in der Komödie Statius Caecilius, später
Terenz. Im Uebrigen freilich zeigt die officielle Parallelisirung
der homerischen Ilias und der ennianischen Jahrbücher durch
den fast komischen Contrast nur um so schneidender die
Schwäche der italischen Poesie, gleich wie die Bettelarmuth
unserer vorlitterarischen Zeit sich am deutlichsten in der
deutschen Sappho-Karschin und dem deutschen Pindar-Willa-
mov abspiegelt. Wie unsere Orangerien gegen die sicilischen
Orangenwälder steht die römische Litteratur gegen die griechi-
sche; man kann auch an jener sich erfreuen, nur darf man
sie nicht vergleichen. -- Aehnlich stand es in den bildenden
Künsten, nur dass die Römer sich hier bei weitem mehr
passiv verhielten. Von namhafter Kunstübung ist weniger
die Rede als in der vorigen Periode. Dass das schon früher

* So die schöne Stelle aus dem Trauerspiel Phönix, die recht römi-
schen Bürgersinn athmet:
Doch dem Mann mit Muthe mächtig ziemt's zu wirken in der Welt.
Vor den Richterstuhl zu laden tapfern Sinns das schuldige Haupt --
Das ist Freiheit, wo im Busen rein und fest wem schlägt das Herz;
Sonst in tiefer Nacht begraben ruhen bleibt die Frevelthat.

und die malerischen Zeilen aus dem epischen Gedicht Scipio:
Et Neptunus saevus undeis aspereis pausam dedit,
Sol equeis iter repressit unguleis volantibus,
Constitere amneis peremneis, arbores vento vacant.

Und es hiess die Wogen stocken streng die grollenden Neptun,
Seiner Rosse fliegende Hufe hielt zurück der Sonnengott,
Ewige Ström im Laufe rasten, an den Bäumen steht das Laub.

DRITTES BUCH. KAPITEL XI.
vortreffliche Stellen vorkommen *; mit Wahrscheinlichkeit darf
angenommen werden, daſs er mehr durch Gewandtheit und
Eleganz sich auszeichnete als durch geniale Productivität.
Wie Klopstock für den deutschen gab er sich für den römi-
schen Homer und ward dafür genommen; von ihm datirt
man später die römische Poesie oder wie ein Dichter der
ciceronischen Zeit sagt:

Als es Hannibal bezwungen, nahte mit beschwingtem Schritt
Sich im Kriegsgewand die Muse der Quiriten hartem Volk.

In beidem ist die Wahrheit enthalten, daſs während Nae-
vius und die seiner Richtung folgten sich so viel wie möglich
auf das Grenzgebiet der Poesie gegen die Prosa beschränkten,
Ennius zuerst wenigstens danach strebte ein Poet im vollen
Sinn des Wortes zu sein; und daſs wie Homer für die Grie-
chen so Ennius für die Römer den Ton angab, in den die
Späteren einstimmten, zunächst in der Tragödie Pacuvius,
Ennius Landsmann, in der Komödie Statius Caecilius, später
Terenz. Im Uebrigen freilich zeigt die officielle Parallelisirung
der homerischen Ilias und der ennianischen Jahrbücher durch
den fast komischen Contrast nur um so schneidender die
Schwäche der italischen Poesie, gleich wie die Bettelarmuth
unserer vorlitterarischen Zeit sich am deutlichsten in der
deutschen Sappho-Karschin und dem deutschen Pindar-Willa-
mov abspiegelt. Wie unsere Orangerien gegen die sicilischen
Orangenwälder steht die römische Litteratur gegen die griechi-
sche; man kann auch an jener sich erfreuen, nur darf man
sie nicht vergleichen. — Aehnlich stand es in den bildenden
Künsten, nur daſs die Römer sich hier bei weitem mehr
passiv verhielten. Von namhafter Kunstübung ist weniger
die Rede als in der vorigen Periode. Daſs das schon früher

* So die schöne Stelle aus dem Trauerspiel Phönix, die recht römi-
schen Bürgersinn athmet:
Doch dem Mann mit Muthe mächtig ziemt's zu wirken in der Welt.
Vor den Richterstuhl zu laden tapfern Sinns das schuldige Haupt —
Das ist Freiheit, wo im Busen rein und fest wem schlägt das Herz;
Sonst in tiefer Nacht begraben ruhen bleibt die Frevelthat.

und die malerischen Zeilen aus dem epischen Gedicht Scipio:
Et Neptunus saevus undeis aspereis pausam dedit,
Sol equeis iter repressit unguleis volantibus,
Constitere amneis peremneis, arbores vento vacant.

Und es hieſs die Wogen stocken streng die grollenden Neptun,
Seiner Rosse fliegende Hufe hielt zurück der Sonnengott,
Ewige Ström im Laufe rasten, an den Bäumen steht das Laub.
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[632/0646] DRITTES BUCH. KAPITEL XI. vortreffliche Stellen vorkommen *; mit Wahrscheinlichkeit darf angenommen werden, daſs er mehr durch Gewandtheit und Eleganz sich auszeichnete als durch geniale Productivität. Wie Klopstock für den deutschen gab er sich für den römi- schen Homer und ward dafür genommen; von ihm datirt man später die römische Poesie oder wie ein Dichter der ciceronischen Zeit sagt: Als es Hannibal bezwungen, nahte mit beschwingtem Schritt Sich im Kriegsgewand die Muse der Quiriten hartem Volk. In beidem ist die Wahrheit enthalten, daſs während Nae- vius und die seiner Richtung folgten sich so viel wie möglich auf das Grenzgebiet der Poesie gegen die Prosa beschränkten, Ennius zuerst wenigstens danach strebte ein Poet im vollen Sinn des Wortes zu sein; und daſs wie Homer für die Grie- chen so Ennius für die Römer den Ton angab, in den die Späteren einstimmten, zunächst in der Tragödie Pacuvius, Ennius Landsmann, in der Komödie Statius Caecilius, später Terenz. Im Uebrigen freilich zeigt die officielle Parallelisirung der homerischen Ilias und der ennianischen Jahrbücher durch den fast komischen Contrast nur um so schneidender die Schwäche der italischen Poesie, gleich wie die Bettelarmuth unserer vorlitterarischen Zeit sich am deutlichsten in der deutschen Sappho-Karschin und dem deutschen Pindar-Willa- mov abspiegelt. Wie unsere Orangerien gegen die sicilischen Orangenwälder steht die römische Litteratur gegen die griechi- sche; man kann auch an jener sich erfreuen, nur darf man sie nicht vergleichen. — Aehnlich stand es in den bildenden Künsten, nur daſs die Römer sich hier bei weitem mehr passiv verhielten. Von namhafter Kunstübung ist weniger die Rede als in der vorigen Periode. Daſs das schon früher * So die schöne Stelle aus dem Trauerspiel Phönix, die recht römi- schen Bürgersinn athmet: Doch dem Mann mit Muthe mächtig ziemt's zu wirken in der Welt. Vor den Richterstuhl zu laden tapfern Sinns das schuldige Haupt — Das ist Freiheit, wo im Busen rein und fest wem schlägt das Herz; Sonst in tiefer Nacht begraben ruhen bleibt die Frevelthat. und die malerischen Zeilen aus dem epischen Gedicht Scipio: Et Neptunus saevus undeis aspereis pausam dedit, Sol equeis iter repressit unguleis volantibus, Constitere amneis peremneis, arbores vento vacant. Und es hieſs die Wogen stocken streng die grollenden Neptun, Seiner Rosse fliegende Hufe hielt zurück der Sonnengott, Ewige Ström im Laufe rasten, an den Bäumen steht das Laub.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 632. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/646>, abgerufen am 22.11.2024.