KAPITEL I. Die unterthänigen Landschaften bis zu der Gracchenzeit.
Mit der Vernichtung des makedonischen Reichs war die Oberherrlichkeit Roms eine Thatsache, die von den Säulen des Hercules bis zu den Mündungen des Nil und des Orontes nicht bloss anerkannt ward, sondern gleichsam als das letzte Wort des Verhängnisses auf den Völkern lastete mit dem ganzen Druck der Unabwendbarkeit und ihnen nur die Wahl zu lassen schien sich in hoffnungslosem Widerstreben oder in hoffnungslosem Dulden zu verzehren. Wenn nicht die Geschichte von dem ernsten Leser es als ihr Recht fordern dürfte sie durch gute und böse Tage, durch Frühlings- und Winterlandschaft zu begleiten, so möchte der Geschichtschreiber versucht sein sich der trostlosen Aufgabe zu entziehen diesem Kampf der dreisten Uebermacht mit der kläglichen Ohnmacht sowohl in den schon zum römischen Reich gezogenen spanischen Landschaften als in den noch nach Clien- telrecht beherrschten africanischen, hellenischen, asiatischen Ge- bieten in seinen mannigfaltigen und doch eintönigen Wendungen zu folgen. So unbedeutend und untergeordnet aber auch die einzelnen Kämpfe erscheinen mögen, eine tiefe geschichtliche Bedeutung kommt ihnen in ihrer Gesammtheit dennoch zu; und vor allem die italischen Verhältnisse dieser Zeit werden erst ver- ständlich durch die Einsicht in den Rückschlag, der von den Provinzen aus auf die Heimath traf.
Ausser in den naturgemäss als Nebenländer Italiens anzu- sehenden Gebieten, wo übrigens auch die Eingebornen noch kei- neswegs vollständig unterworfen waren und nicht eben zur Ehre Roms Ligurer, Sarden und Corser fortwährend Gelegenheit zu ,Dorftriumphen' lieferten, bestand eine förmliche Herrschaft Roms zu Anfang dieser Periode nur in den beiden spanischen
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KAPITEL I. Die unterthänigen Landschaften bis zu der Gracchenzeit.
Mit der Vernichtung des makedonischen Reichs war die Oberherrlichkeit Roms eine Thatsache, die von den Säulen des Hercules bis zu den Mündungen des Nil und des Orontes nicht bloss anerkannt ward, sondern gleichsam als das letzte Wort des Verhängnisses auf den Völkern lastete mit dem ganzen Druck der Unabwendbarkeit und ihnen nur die Wahl zu lassen schien sich in hoffnungslosem Widerstreben oder in hoffnungslosem Dulden zu verzehren. Wenn nicht die Geschichte von dem ernsten Leser es als ihr Recht fordern dürfte sie durch gute und böse Tage, durch Frühlings- und Winterlandschaft zu begleiten, so möchte der Geschichtschreiber versucht sein sich der trostlosen Aufgabe zu entziehen diesem Kampf der dreisten Uebermacht mit der kläglichen Ohnmacht sowohl in den schon zum römischen Reich gezogenen spanischen Landschaften als in den noch nach Clien- telrecht beherrschten africanischen, hellenischen, asiatischen Ge- bieten in seinen mannigfaltigen und doch eintönigen Wendungen zu folgen. So unbedeutend und untergeordnet aber auch die einzelnen Kämpfe erscheinen mögen, eine tiefe geschichtliche Bedeutung kommt ihnen in ihrer Gesammtheit dennoch zu; und vor allem die italischen Verhältnisse dieser Zeit werden erst ver- ständlich durch die Einsicht in den Rückschlag, der von den Provinzen aus auf die Heimath traf.
Ausser in den naturgemäss als Nebenländer Italiens anzu- sehenden Gebieten, wo übrigens auch die Eingebornen noch kei- neswegs vollständig unterworfen waren und nicht eben zur Ehre Roms Ligurer, Sarden und Corser fortwährend Gelegenheit zu ‚Dorftriumphen‘ lieferten, bestand eine förmliche Herrschaft Roms zu Anfang dieser Periode nur in den beiden spanischen
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KAPITEL I.
Die unterthänigen Landschaften bis zu der Gracchenzeit.
Mit der Vernichtung des makedonischen Reichs war die
Oberherrlichkeit Roms eine Thatsache, die von den Säulen des
Hercules bis zu den Mündungen des Nil und des Orontes nicht
bloss anerkannt ward, sondern gleichsam als das letzte Wort des
Verhängnisses auf den Völkern lastete mit dem ganzen Druck der
Unabwendbarkeit und ihnen nur die Wahl zu lassen schien sich
in hoffnungslosem Widerstreben oder in hoffnungslosem Dulden
zu verzehren. Wenn nicht die Geschichte von dem ernsten Leser
es als ihr Recht fordern dürfte sie durch gute und böse Tage,
durch Frühlings- und Winterlandschaft zu begleiten, so möchte
der Geschichtschreiber versucht sein sich der trostlosen Aufgabe
zu entziehen diesem Kampf der dreisten Uebermacht mit der
kläglichen Ohnmacht sowohl in den schon zum römischen Reich
gezogenen spanischen Landschaften als in den noch nach Clien-
telrecht beherrschten africanischen, hellenischen, asiatischen Ge-
bieten in seinen mannigfaltigen und doch eintönigen Wendungen
zu folgen. So unbedeutend und untergeordnet aber auch die
einzelnen Kämpfe erscheinen mögen, eine tiefe geschichtliche
Bedeutung kommt ihnen in ihrer Gesammtheit dennoch zu; und
vor allem die italischen Verhältnisse dieser Zeit werden erst ver-
ständlich durch die Einsicht in den Rückschlag, der von den
Provinzen aus auf die Heimath traf.
Ausser in den naturgemäss als Nebenländer Italiens anzu-
sehenden Gebieten, wo übrigens auch die Eingebornen noch kei-
neswegs vollständig unterworfen waren und nicht eben zur Ehre
Roms Ligurer, Sarden und Corser fortwährend Gelegenheit zu
‚Dorftriumphen‘ lieferten, bestand eine förmliche Herrschaft
Roms zu Anfang dieser Periode nur in den beiden spanischen
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/13>, abgerufen am 21.11.2024.
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