Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.VIERTES BUCH. KAPITEL IV. dammten einmüthig diese Regierung, für die die Ehre und dasInteresse des Landes nichts zu sein schienen als verkäufliche Ar- tikel; am lautesten die Kaufmannschaft, die durch die Hinopfe- rung der römischen und italischen Kaufleute in Cirta am näch- sten getroffen worden war. Die Majorität des Senats sträubte sich zwar auch jetzt noch und setzte alle Hebel der collegialischen Geschäftsverschleppung und der Appellation an die Standesinter- essen der Aristokratie in Bewegung um den lieben Frieden auch ferner zu bewahren. Indess als der für das nächste Jahr bezeich- nete Volkstribun Gaius Memmius, ein thätiger und beredter Mann, den Handel öffentlich zur Sprache brachte und die schlimmsten Sünder als Tribun zu gerichtlicher Verantwortung ziehen zu wol- len drohte, liess der Senat es geschehen, dass der Krieg an Ju- gurtha erklärt ward (64 2/3 ). Es schien Ernst zu werden. Ju- gurthas Gesandte wurden ohne vorgelassen zu sein aus Italien ausgewiesen; der neue Consul Lucius Calpurnius Bestia, der un- ter seinen Standesgenossen wenigstens durch Einsicht und Thä- tigkeit sich auszeichnete, betrieb die Rüstungen mit Energie; Marcus Scaurus selbst übernahm eine Befehlshaberstelle in der africanischen Armee; in kurzer Zeit stand ein römisches Heer auf africanischem Boden und rückte am Bagradas (Medscherda) hinaufmarschirend ein in das numidische Königreich, dessen von dem Sitz der königlichen Macht entlegenste Städte, wie Gross- leptis, bereits freiwillig ihre Unterwerfung einsandten, während König Bocchus von Mauretanien, obwohl seine Tochter mit Ju- gurtha vermählt war, doch den Römern Freundschaft und Bünd- niss antrug. Jugurtha selbst verlor den Muth und sandte Boten in das römische Hauptquartier um Waffenstillstand zu erbitten. Das Ende des Kampfes schien nahe und kam noch schneller als man dachte. Der Vertrag mit König Bocchus scheiterte daran, dass der König, unbekannt mit den römischen Sitten, diesen den Römern vortheilhaften Vertrag umsonst abschliessen zu können gemeint und desshalb versäumt hatte seinen Boten den markt- gängigen Preis römischer Bündnisse mitzugeben. Jugurtha kannte allerdings die römischen Institutionen besser und hatte nicht versäumt seine Waffenstillstandsanträge durch die gehöri- gen Begleitgelder zu unterstützen; indess auch er hatte sich ge- täuscht. Nach den ersten Verhandlungen ergab es sich, dass im römischen Hauptquartier nicht bloss der Waffenstillstand feil sei, sondern auch der Friede. Die königliche Schatzkammer war noch von Massinissas Zeiten her wohlgefüllt; rasch war man Handels einig. Der Vertrag ward abgeschlossen, nachdem der VIERTES BUCH. KAPITEL IV. dammten einmüthig diese Regierung, für die die Ehre und dasInteresse des Landes nichts zu sein schienen als verkäufliche Ar- tikel; am lautesten die Kaufmannschaft, die durch die Hinopfe- rung der römischen und italischen Kaufleute in Cirta am näch- sten getroffen worden war. Die Majorität des Senats sträubte sich zwar auch jetzt noch und setzte alle Hebel der collegialischen Geschäftsverschleppung und der Appellation an die Standesinter- essen der Aristokratie in Bewegung um den lieben Frieden auch ferner zu bewahren. Indeſs als der für das nächste Jahr bezeich- nete Volkstribun Gaius Memmius, ein thätiger und beredter Mann, den Handel öffentlich zur Sprache brachte und die schlimmsten Sünder als Tribun zu gerichtlicher Verantwortung ziehen zu wol- len drohte, lieſs der Senat es geschehen, daſs der Krieg an Ju- gurtha erklärt ward (64⅔). Es schien Ernst zu werden. Ju- gurthas Gesandte wurden ohne vorgelassen zu sein aus Italien ausgewiesen; der neue Consul Lucius Calpurnius Bestia, der un- ter seinen Standesgenossen wenigstens durch Einsicht und Thä- tigkeit sich auszeichnete, betrieb die Rüstungen mit Energie; Marcus Scaurus selbst übernahm eine Befehlshaberstelle in der africanischen Armee; in kurzer Zeit stand ein römisches Heer auf africanischem Boden und rückte am Bagradas (Medscherda) hinaufmarschirend ein in das numidische Königreich, dessen von dem Sitz der königlichen Macht entlegenste Städte, wie Groſs- leptis, bereits freiwillig ihre Unterwerfung einsandten, während König Bocchus von Mauretanien, obwohl seine Tochter mit Ju- gurtha vermählt war, doch den Römern Freundschaft und Bünd- niſs antrug. Jugurtha selbst verlor den Muth und sandte Boten in das römische Hauptquartier um Waffenstillstand zu erbitten. Das Ende des Kampfes schien nahe und kam noch schneller als man dachte. Der Vertrag mit König Bocchus scheiterte daran, daſs der König, unbekannt mit den römischen Sitten, diesen den Römern vortheilhaften Vertrag umsonst abschlieſsen zu können gemeint und deſshalb versäumt hatte seinen Boten den markt- gängigen Preis römischer Bündnisse mitzugeben. Jugurtha kannte allerdings die römischen Institutionen besser und hatte nicht versäumt seine Waffenstillstandsanträge durch die gehöri- gen Begleitgelder zu unterstützen; indeſs auch er hatte sich ge- täuscht. Nach den ersten Verhandlungen ergab es sich, daſs im römischen Hauptquartier nicht bloſs der Waffenstillstand feil sei, sondern auch der Friede. Die königliche Schatzkammer war noch von Massinissas Zeiten her wohlgefüllt; rasch war man Handels einig. Der Vertrag ward abgeschlossen, nachdem der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0146" n="136"/><fw place="top" type="header">VIERTES BUCH. 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Ju-<lb/> gurthas Gesandte wurden ohne vorgelassen zu sein aus Italien<lb/> ausgewiesen; der neue Consul Lucius Calpurnius Bestia, der un-<lb/> ter seinen Standesgenossen wenigstens durch Einsicht und Thä-<lb/> tigkeit sich auszeichnete, betrieb die Rüstungen mit Energie;<lb/> Marcus Scaurus selbst übernahm eine Befehlshaberstelle in der<lb/> africanischen Armee; in kurzer Zeit stand ein römisches Heer auf<lb/> africanischem Boden und rückte am Bagradas (Medscherda)<lb/> hinaufmarschirend ein in das numidische Königreich, dessen von<lb/> dem Sitz der königlichen Macht entlegenste Städte, wie Groſs-<lb/> leptis, bereits freiwillig ihre Unterwerfung einsandten, während<lb/> König Bocchus von Mauretanien, obwohl seine Tochter mit Ju-<lb/> gurtha vermählt war, doch den Römern Freundschaft und Bünd-<lb/> niſs antrug. Jugurtha selbst verlor den Muth und sandte Boten<lb/> in das römische Hauptquartier um Waffenstillstand zu erbitten.<lb/> Das Ende des Kampfes schien nahe und kam noch schneller als<lb/> man dachte. Der Vertrag mit König Bocchus scheiterte daran,<lb/> daſs der König, unbekannt mit den römischen Sitten, diesen den<lb/> Römern vortheilhaften Vertrag umsonst abschlieſsen zu können<lb/> gemeint und deſshalb versäumt hatte seinen Boten den markt-<lb/> gängigen Preis römischer Bündnisse mitzugeben. Jugurtha<lb/> kannte allerdings die römischen Institutionen besser und hatte<lb/> nicht versäumt seine Waffenstillstandsanträge durch die gehöri-<lb/> gen Begleitgelder zu unterstützen; indeſs auch er hatte sich ge-<lb/> täuscht. Nach den ersten Verhandlungen ergab es sich, daſs im<lb/> römischen Hauptquartier nicht bloſs der Waffenstillstand feil sei,<lb/> sondern auch der Friede. Die königliche Schatzkammer war<lb/> noch von Massinissas Zeiten her wohlgefüllt; rasch war man<lb/> Handels einig. 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VIERTES BUCH. KAPITEL IV.
dammten einmüthig diese Regierung, für die die Ehre und das
Interesse des Landes nichts zu sein schienen als verkäufliche Ar-
tikel; am lautesten die Kaufmannschaft, die durch die Hinopfe-
rung der römischen und italischen Kaufleute in Cirta am näch-
sten getroffen worden war. Die Majorität des Senats sträubte
sich zwar auch jetzt noch und setzte alle Hebel der collegialischen
Geschäftsverschleppung und der Appellation an die Standesinter-
essen der Aristokratie in Bewegung um den lieben Frieden auch
ferner zu bewahren. Indeſs als der für das nächste Jahr bezeich-
nete Volkstribun Gaius Memmius, ein thätiger und beredter Mann,
den Handel öffentlich zur Sprache brachte und die schlimmsten
Sünder als Tribun zu gerichtlicher Verantwortung ziehen zu wol-
len drohte, lieſs der Senat es geschehen, daſs der Krieg an Ju-
gurtha erklärt ward (64⅔). Es schien Ernst zu werden. Ju-
gurthas Gesandte wurden ohne vorgelassen zu sein aus Italien
ausgewiesen; der neue Consul Lucius Calpurnius Bestia, der un-
ter seinen Standesgenossen wenigstens durch Einsicht und Thä-
tigkeit sich auszeichnete, betrieb die Rüstungen mit Energie;
Marcus Scaurus selbst übernahm eine Befehlshaberstelle in der
africanischen Armee; in kurzer Zeit stand ein römisches Heer auf
africanischem Boden und rückte am Bagradas (Medscherda)
hinaufmarschirend ein in das numidische Königreich, dessen von
dem Sitz der königlichen Macht entlegenste Städte, wie Groſs-
leptis, bereits freiwillig ihre Unterwerfung einsandten, während
König Bocchus von Mauretanien, obwohl seine Tochter mit Ju-
gurtha vermählt war, doch den Römern Freundschaft und Bünd-
niſs antrug. Jugurtha selbst verlor den Muth und sandte Boten
in das römische Hauptquartier um Waffenstillstand zu erbitten.
Das Ende des Kampfes schien nahe und kam noch schneller als
man dachte. Der Vertrag mit König Bocchus scheiterte daran,
daſs der König, unbekannt mit den römischen Sitten, diesen den
Römern vortheilhaften Vertrag umsonst abschlieſsen zu können
gemeint und deſshalb versäumt hatte seinen Boten den markt-
gängigen Preis römischer Bündnisse mitzugeben. Jugurtha
kannte allerdings die römischen Institutionen besser und hatte
nicht versäumt seine Waffenstillstandsanträge durch die gehöri-
gen Begleitgelder zu unterstützen; indeſs auch er hatte sich ge-
täuscht. Nach den ersten Verhandlungen ergab es sich, daſs im
römischen Hauptquartier nicht bloſs der Waffenstillstand feil sei,
sondern auch der Friede. Die königliche Schatzkammer war
noch von Massinissas Zeiten her wohlgefüllt; rasch war man
Handels einig. Der Vertrag ward abgeschlossen, nachdem der
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