Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. Form halber derselbe dem Kriegsrath vorgelegt und nach einerunordentlichen und möglichst summarischen Verhandlung des- sen Zustimmung erwirkt worden war. Jugurtha unterwarf sich auf Gnade und Ungnade; der Sieger aber übte Gnade und gab dem König sein Reich ungeschmälert zurück gegen eine mässige Busse und die Auslieferung der römischen Ueberläufer und der Kriegselephanten (643), welche letztere der König grossentheils später wieder einhandelte durch Verträge mit den einzelnen rö- mischen Platzcommandanten und Offizieren. -- Auf die Kunde davon brach in Rom abermals der Sturm los. Alle Welt wusste, wie der Friede zu Stande gekommen war; selbst Scaurus also war zu haben, nur um einen höheren als den gemeinen senatori- schen Durchschnittspreis. Die Rechtsbeständigkeit des Friedens ward im Senat ernstlich angefochten; Gaius Memmius erklärte, dass der König, wenn er wirklich unbedingt sich unterworfen habe, sich nicht weigern könne in Rom zu erscheinen und man ihn demnach vorladen möge, um über die durchaus irregulären Friedensverhandlungen durch Vernehmung der beiden pacisci- renden Theile den Thatbestand festzustellen. Man fügte sich der unbequemen Forderung; rechtswidrig aber, da der König nicht als Feind kam, sondern als unterworfener Mann, ward demsel- ben zugleich sicheres Geleit zugestanden. Darauf hin erschien der König in der That in Rom und stellte sich zum Verhör vor dem versammelten Volke, das mühsam bewogen ward das sichere Geleit zu respectiren und den Mörder der cirtensischen Italiker nicht auf der Stelle zu zerreissen. Allein kaum hatte Gaius Memmius die erste Frage an den König gerichtet, als einer seiner Collegen kraft seines Intercessionsrechts einschritt und dem Kö- nig befahl zu schweigen. Auch hier also war das africanische Gold mächtiger als der Wille des souveränen Volkes und seiner höchsten Beamten. Inzwischen nahmen im Senat die Verhand- lungen über die Gültigkeit des so eben abgeschlossenen Friedens ihren Fortgang und der neue Consul Spurius Postumius Albinus nahm eifrig Partei für den Antrag denselben zu cassiren, in der Aussicht dass dann der Oberbefehl in Africa an ihn kommen werde. Dies veranlasste einen in Rom lebenden Enkel Massinissas, den Massiva seine Ansprüche auf das erledigte numidische Reich bei dem Senat geltend zu machen; worauf Bomilkar, einer der Ver- trauten des Königs Jugurtha, den Concurrenten seines Herrn, ohne Zweifel in dessen Auftrag, meuchlerisch aus dem Wege schaffte und da ihm dafür der Prozess gemacht ward, mit Hülfe Jugurthas aus Rom entfloh. Dies neue unter den Augen der römischen Regierung DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. Form halber derselbe dem Kriegsrath vorgelegt und nach einerunordentlichen und möglichst summarischen Verhandlung des- sen Zustimmung erwirkt worden war. Jugurtha unterwarf sich auf Gnade und Ungnade; der Sieger aber übte Gnade und gab dem König sein Reich ungeschmälert zurück gegen eine mäſsige Buſse und die Auslieferung der römischen Ueberläufer und der Kriegselephanten (643), welche letztere der König groſsentheils später wieder einhandelte durch Verträge mit den einzelnen rö- mischen Platzcommandanten und Offizieren. — Auf die Kunde davon brach in Rom abermals der Sturm los. Alle Welt wuſste, wie der Friede zu Stande gekommen war; selbst Scaurus also war zu haben, nur um einen höheren als den gemeinen senatori- schen Durchschnittspreis. Die Rechtsbeständigkeit des Friedens ward im Senat ernstlich angefochten; Gaius Memmius erklärte, daſs der König, wenn er wirklich unbedingt sich unterworfen habe, sich nicht weigern könne in Rom zu erscheinen und man ihn demnach vorladen möge, um über die durchaus irregulären Friedensverhandlungen durch Vernehmung der beiden pacisci- renden Theile den Thatbestand festzustellen. Man fügte sich der unbequemen Forderung; rechtswidrig aber, da der König nicht als Feind kam, sondern als unterworfener Mann, ward demsel- ben zugleich sicheres Geleit zugestanden. Darauf hin erschien der König in der That in Rom und stellte sich zum Verhör vor dem versammelten Volke, das mühsam bewogen ward das sichere Geleit zu respectiren und den Mörder der cirtensischen Italiker nicht auf der Stelle zu zerreiſsen. Allein kaum hatte Gaius Memmius die erste Frage an den König gerichtet, als einer seiner Collegen kraft seines Intercessionsrechts einschritt und dem Kö- nig befahl zu schweigen. Auch hier also war das africanische Gold mächtiger als der Wille des souveränen Volkes und seiner höchsten Beamten. Inzwischen nahmen im Senat die Verhand- lungen über die Gültigkeit des so eben abgeschlossenen Friedens ihren Fortgang und der neue Consul Spurius Postumius Albinus nahm eifrig Partei für den Antrag denselben zu cassiren, in der Aussicht daſs dann der Oberbefehl in Africa an ihn kommen werde. Dies veranlaſste einen in Rom lebenden Enkel Massinissas, den Massiva seine Ansprüche auf das erledigte numidische Reich bei dem Senat geltend zu machen; worauf Bomilkar, einer der Ver- trauten des Königs Jugurtha, den Concurrenten seines Herrn, ohne Zweifel in dessen Auftrag, meuchlerisch aus dem Wege schaffte und da ihm dafür der Prozeſs gemacht ward, mit Hülfe Jugurthas aus Rom entfloh. 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DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
Form halber derselbe dem Kriegsrath vorgelegt und nach einer
unordentlichen und möglichst summarischen Verhandlung des-
sen Zustimmung erwirkt worden war. Jugurtha unterwarf sich
auf Gnade und Ungnade; der Sieger aber übte Gnade und gab
dem König sein Reich ungeschmälert zurück gegen eine mäſsige
Buſse und die Auslieferung der römischen Ueberläufer und der
Kriegselephanten (643), welche letztere der König groſsentheils
später wieder einhandelte durch Verträge mit den einzelnen rö-
mischen Platzcommandanten und Offizieren. — Auf die Kunde
davon brach in Rom abermals der Sturm los. Alle Welt wuſste,
wie der Friede zu Stande gekommen war; selbst Scaurus also
war zu haben, nur um einen höheren als den gemeinen senatori-
schen Durchschnittspreis. Die Rechtsbeständigkeit des Friedens
ward im Senat ernstlich angefochten; Gaius Memmius erklärte,
daſs der König, wenn er wirklich unbedingt sich unterworfen
habe, sich nicht weigern könne in Rom zu erscheinen und man
ihn demnach vorladen möge, um über die durchaus irregulären
Friedensverhandlungen durch Vernehmung der beiden pacisci-
renden Theile den Thatbestand festzustellen. Man fügte sich der
unbequemen Forderung; rechtswidrig aber, da der König nicht
als Feind kam, sondern als unterworfener Mann, ward demsel-
ben zugleich sicheres Geleit zugestanden. Darauf hin erschien
der König in der That in Rom und stellte sich zum Verhör vor
dem versammelten Volke, das mühsam bewogen ward das sichere
Geleit zu respectiren und den Mörder der cirtensischen Italiker
nicht auf der Stelle zu zerreiſsen. Allein kaum hatte Gaius
Memmius die erste Frage an den König gerichtet, als einer seiner
Collegen kraft seines Intercessionsrechts einschritt und dem Kö-
nig befahl zu schweigen. Auch hier also war das africanische
Gold mächtiger als der Wille des souveränen Volkes und seiner
höchsten Beamten. Inzwischen nahmen im Senat die Verhand-
lungen über die Gültigkeit des so eben abgeschlossenen Friedens
ihren Fortgang und der neue Consul Spurius Postumius Albinus
nahm eifrig Partei für den Antrag denselben zu cassiren, in der
Aussicht daſs dann der Oberbefehl in Africa an ihn kommen werde.
Dies veranlaſste einen in Rom lebenden Enkel Massinissas, den
Massiva seine Ansprüche auf das erledigte numidische Reich bei
dem Senat geltend zu machen; worauf Bomilkar, einer der Ver-
trauten des Königs Jugurtha, den Concurrenten seines Herrn, ohne
Zweifel in dessen Auftrag, meuchlerisch aus dem Wege schaffte und
da ihm dafür der Prozeſs gemacht ward, mit Hülfe Jugurthas aus
Rom entfloh. Dies neue unter den Augen der römischen Regierung
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