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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
sucht. Metellus zeigte sich geneigt einen erträglichen Frieden zu
bewilligen; schon hatte der König sich anheischig gemacht
200000 Pfund Silber zu entrichten und seine Elephanten und
300 Geisseln abgeliefert, ebenso 3000 römische Ueberläufer, die
sofort niedergemacht wurden. Allein zu gleicher Zeit liess Me-
tellus sich ein mit dem vertrautesten Rathgeber des Königs, Bo-
milkar, der nicht mit Unrecht besorgte, dass, wenn es zum Frie-
den käme, Jugurtha ihn wegen der Ermordung des Massiva den
römischen Gerichten überliefern werde und von Metellus durch
Zusicherung der Straflosigkeit gewonnen ward. Indess weder
die offizielle noch die geheime Verhandlung führte zu dem ge-
wünschten Resultat. Als Metellus mit dem Ansinnen heraus-
rückte, dass der König persönlich sich als Gefangener zu stellen
habe, brach derselbe die Verhandlungen ab; Bomilkars Verkehr
mit dem Feinde ward entdeckt und derselbe festgenommen und
hingerichtet. Es soll keine Schutzrede sein für diese diplomati-
schen Kabalen niedrigster Art; aber die Römer hatten allen Grund
danach zu trachten sich der Person ihres Gegners zu bemächti-
gen. Der Krieg war auf dem Punct angelangt, wo man ihn weder
weiterführen noch aufgeben konnte. Wie die Stimmung in Nu-
midien war, beweist zum Beispiel der Aufstand der bedeutend-
sten unter den von den Römern besetzten Städten, Vaga * im Win-
ter , wobei die gesammte römische Besatzung, Offiziere und
Gemeine, niedergemacht wurde mit Ausnahme des Commandan-
ten Titus Turpilius Silanus, welcher später wegen Einverständniss
mit dem Feinde, ob mit Recht oder Unrecht lässt sich nicht sa-
gen, von dem römischen Kriegsgericht zum Tode verurtheilt und
hingerichtet ward. Die Stadt wurde von Metellus am zweiten
Tage nach dem Abfall überrumpelt und der ganzen Strenge des
Kriegsrechts preisgegeben; allein wenn die Gemüther der verhält-
nissmässig leicht in Gehorsam zu erhaltenden Anwohner des Ba-
gradas also gestimmt waren, wie mochte es da aussehen weiter
landeinwärts und bei den schweifenden Stämmen der Wüste?
Jugurtha war der Abgott der Africaner, die in ihm den doppelten
Brudermörder gern über dem Retter und Rächer der Nation
übersahen. Zwanzig Jahre nachher musste ein numidisches
Corps, das für die Römer in Italien focht, schleunigst nach Africa
zurückgesandt werden, als in den feindlichen Reihen Jugurthas
Sohn sich zeigte; man mag daraus schliessen, was er selber
über die Seinen vermochte. Wie war ein Ende des Krieges abzu-

* Oder Vacca, jetzt Bedscha an der Medscherda.

DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
sucht. Metellus zeigte sich geneigt einen erträglichen Frieden zu
bewilligen; schon hatte der König sich anheischig gemacht
200000 Pfund Silber zu entrichten und seine Elephanten und
300 Geiſseln abgeliefert, ebenso 3000 römische Ueberläufer, die
sofort niedergemacht wurden. Allein zu gleicher Zeit lieſs Me-
tellus sich ein mit dem vertrautesten Rathgeber des Königs, Bo-
milkar, der nicht mit Unrecht besorgte, daſs, wenn es zum Frie-
den käme, Jugurtha ihn wegen der Ermordung des Massiva den
römischen Gerichten überliefern werde und von Metellus durch
Zusicherung der Straflosigkeit gewonnen ward. Indeſs weder
die offizielle noch die geheime Verhandlung führte zu dem ge-
wünschten Resultat. Als Metellus mit dem Ansinnen heraus-
rückte, daſs der König persönlich sich als Gefangener zu stellen
habe, brach derselbe die Verhandlungen ab; Bomilkars Verkehr
mit dem Feinde ward entdeckt und derselbe festgenommen und
hingerichtet. Es soll keine Schutzrede sein für diese diplomati-
schen Kabalen niedrigster Art; aber die Römer hatten allen Grund
danach zu trachten sich der Person ihres Gegners zu bemächti-
gen. Der Krieg war auf dem Punct angelangt, wo man ihn weder
weiterführen noch aufgeben konnte. Wie die Stimmung in Nu-
midien war, beweist zum Beispiel der Aufstand der bedeutend-
sten unter den von den Römern besetzten Städten, Vaga * im Win-
ter , wobei die gesammte römische Besatzung, Offiziere und
Gemeine, niedergemacht wurde mit Ausnahme des Commandan-
ten Titus Turpilius Silanus, welcher später wegen Einverständniſs
mit dem Feinde, ob mit Recht oder Unrecht läſst sich nicht sa-
gen, von dem römischen Kriegsgericht zum Tode verurtheilt und
hingerichtet ward. Die Stadt wurde von Metellus am zweiten
Tage nach dem Abfall überrumpelt und der ganzen Strenge des
Kriegsrechts preisgegeben; allein wenn die Gemüther der verhält-
niſsmäſsig leicht in Gehorsam zu erhaltenden Anwohner des Ba-
gradas also gestimmt waren, wie mochte es da aussehen weiter
landeinwärts und bei den schweifenden Stämmen der Wüste?
Jugurtha war der Abgott der Africaner, die in ihm den doppelten
Brudermörder gern über dem Retter und Rächer der Nation
übersahen. Zwanzig Jahre nachher muſste ein numidisches
Corps, das für die Römer in Italien focht, schleunigst nach Africa
zurückgesandt werden, als in den feindlichen Reihen Jugurthas
Sohn sich zeigte; man mag daraus schlieſsen, was er selber
über die Seinen vermochte. Wie war ein Ende des Krieges abzu-

* Oder Vacca, jetzt Bedscha an der Medscherda.
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[143/0153] DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. sucht. Metellus zeigte sich geneigt einen erträglichen Frieden zu bewilligen; schon hatte der König sich anheischig gemacht 200000 Pfund Silber zu entrichten und seine Elephanten und 300 Geiſseln abgeliefert, ebenso 3000 römische Ueberläufer, die sofort niedergemacht wurden. Allein zu gleicher Zeit lieſs Me- tellus sich ein mit dem vertrautesten Rathgeber des Königs, Bo- milkar, der nicht mit Unrecht besorgte, daſs, wenn es zum Frie- den käme, Jugurtha ihn wegen der Ermordung des Massiva den römischen Gerichten überliefern werde und von Metellus durch Zusicherung der Straflosigkeit gewonnen ward. Indeſs weder die offizielle noch die geheime Verhandlung führte zu dem ge- wünschten Resultat. Als Metellus mit dem Ansinnen heraus- rückte, daſs der König persönlich sich als Gefangener zu stellen habe, brach derselbe die Verhandlungen ab; Bomilkars Verkehr mit dem Feinde ward entdeckt und derselbe festgenommen und hingerichtet. Es soll keine Schutzrede sein für diese diplomati- schen Kabalen niedrigster Art; aber die Römer hatten allen Grund danach zu trachten sich der Person ihres Gegners zu bemächti- gen. Der Krieg war auf dem Punct angelangt, wo man ihn weder weiterführen noch aufgeben konnte. Wie die Stimmung in Nu- midien war, beweist zum Beispiel der Aufstand der bedeutend- sten unter den von den Römern besetzten Städten, Vaga * im Win- ter [FORMEL], wobei die gesammte römische Besatzung, Offiziere und Gemeine, niedergemacht wurde mit Ausnahme des Commandan- ten Titus Turpilius Silanus, welcher später wegen Einverständniſs mit dem Feinde, ob mit Recht oder Unrecht läſst sich nicht sa- gen, von dem römischen Kriegsgericht zum Tode verurtheilt und hingerichtet ward. Die Stadt wurde von Metellus am zweiten Tage nach dem Abfall überrumpelt und der ganzen Strenge des Kriegsrechts preisgegeben; allein wenn die Gemüther der verhält- niſsmäſsig leicht in Gehorsam zu erhaltenden Anwohner des Ba- gradas also gestimmt waren, wie mochte es da aussehen weiter landeinwärts und bei den schweifenden Stämmen der Wüste? Jugurtha war der Abgott der Africaner, die in ihm den doppelten Brudermörder gern über dem Retter und Rächer der Nation übersahen. Zwanzig Jahre nachher muſste ein numidisches Corps, das für die Römer in Italien focht, schleunigst nach Africa zurückgesandt werden, als in den feindlichen Reihen Jugurthas Sohn sich zeigte; man mag daraus schlieſsen, was er selber über die Seinen vermochte. Wie war ein Ende des Krieges abzu- * Oder Vacca, jetzt Bedscha an der Medscherda.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/153>, abgerufen am 18.05.2024.