Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. befolgten Politik ward Numidien nicht in eine römische Provinzumgewandelt; offenbar desshalb, weil das Land nicht ohne eine die Grenzen gegen die Wilden der Wüste deckende Armee zu behaupten und man in Africa ein stehendes Heer zu unterhalten keineswegs gemeint war. Man begnügte sich desshalb die west- lichste Landschaft Numidiens, wahrscheinlich den Strich vom Fluss Molochath bis zum Hafen von Saldae (Bougie) -- das spä- tere Mauretanien von Caesarea (Provinz Algier) -- zu dem Reich des Bocchus zu schlagen und das also verkleinerte Königreich Numidien an den letzten noch lebenden legitimen Enkel Massi- nissas, Jugurthas an Körper und Geist schwachen Halbbruder Gauda zu übertragen, welcher bereits im J. 646 auf Veranlassung des Marius seine Ansprüche bei dem Senat geltend gemacht hatte *. Zugleich wurden die gaetulischen Stämme im inneren Africa als freie Bundesgenossen unter die mit den Römern in Ver- trag stehenden unabhängigen Nationen aufgenommen. -- Wich- tiger als diese Regulirung der africanischen Clientel waren die politischen Folgen des jugurthinischen Krieges oder vielmehr der jugurthinischen Insurrection, obgleich auch diese häufig zu hoch angeschlagen worden sind. Allerdings waren darin alle Schäden des Regiments in unverhüllter Nacktheit zu Tage gekommen; es war nicht bloss notorisch, sondern grossentheils gerichtlich con- statirt, dass den regierenden Herren Roms alles feil war, der Friedensvertrag wie das Intercessionsrecht, der Lagerwall und das Leben der Soldaten; der Africaner hatte nicht mehr gesagt als die einfache Wahrheit, als er bei seiner Abreise von Rom äus- serte, wenn er nur Geld genug hätte, mache er sich anheischig * An einem zusammenhängenden Bericht über die Behandlung des nu-
midischen Reiches nach Jugurthas Katastrophe fehlt es. Dass Gauda sein Nachfolger ward, deuten Sallust c. 65 und Dio fr. 79, 4 Bekk. an und be- stätigt eine Inschrift von Cartagena, die ihn König und Vater Hiempsals II nennt. Dass im Westen die zwischen Numidien einer- und dem römischen Africa und Kyrene andrerseits bestehenden Grenzverhältnisse unverändert blieben, zeigt Caesar b. c. 2, 38, b. Afr. 43. 77 und die spätere Provinzial- verfassung. Dagegen liegt es in der Natur der Sache und wird auch von Sallust c. 97. 102. 111 angedeutet, dass Bocchus Reich bedeutend vergrös- sert ward; womit es unzweifelhaft zusammenhängt, dass Mauretanien, ur- sprünglich beschränkt auf die Landschaft von Tingis (Marocco), in späterer Zeit sich erstreckt auf die Landschaft von Caesarea (Provinz Algier) und von Sitifis (westliche Hälfte der Provinz Constantine). Da Mauretanien zweimal von den Römern vergrössert ward, zuerst 649 nach Jugurthas Auslieferung, sodann 708 nach Auflösung des numidischen Reiches, so ist wahrscheinlich die Landschaft von Caesarea bei der ersten, die von Sitifis bei der zweiten Vergrösserung hinzugekommen. DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. befolgten Politik ward Numidien nicht in eine römische Provinzumgewandelt; offenbar deſshalb, weil das Land nicht ohne eine die Grenzen gegen die Wilden der Wüste deckende Armee zu behaupten und man in Africa ein stehendes Heer zu unterhalten keineswegs gemeint war. Man begnügte sich deſshalb die west- lichste Landschaft Numidiens, wahrscheinlich den Strich vom Fluſs Molochath bis zum Hafen von Saldae (Bougie) — das spä- tere Mauretanien von Caesarea (Provinz Algier) — zu dem Reich des Bocchus zu schlagen und das also verkleinerte Königreich Numidien an den letzten noch lebenden legitimen Enkel Massi- nissas, Jugurthas an Körper und Geist schwachen Halbbruder Gauda zu übertragen, welcher bereits im J. 646 auf Veranlassung des Marius seine Ansprüche bei dem Senat geltend gemacht hatte *. Zugleich wurden die gaetulischen Stämme im inneren Africa als freie Bundesgenossen unter die mit den Römern in Ver- trag stehenden unabhängigen Nationen aufgenommen. — Wich- tiger als diese Regulirung der africanischen Clientel waren die politischen Folgen des jugurthinischen Krieges oder vielmehr der jugurthinischen Insurrection, obgleich auch diese häufig zu hoch angeschlagen worden sind. Allerdings waren darin alle Schäden des Regiments in unverhüllter Nacktheit zu Tage gekommen; es war nicht bloſs notorisch, sondern groſsentheils gerichtlich con- statirt, daſs den regierenden Herren Roms alles feil war, der Friedensvertrag wie das Intercessionsrecht, der Lagerwall und das Leben der Soldaten; der Africaner hatte nicht mehr gesagt als die einfache Wahrheit, als er bei seiner Abreise von Rom äus- serte, wenn er nur Geld genug hätte, mache er sich anheischig * An einem zusammenhängenden Bericht über die Behandlung des nu-
midischen Reiches nach Jugurthas Katastrophe fehlt es. Daſs Gauda sein Nachfolger ward, deuten Sallust c. 65 und Dio fr. 79, 4 Bekk. an und be- stätigt eine Inschrift von Cartagena, die ihn König und Vater Hiempsals II nennt. Daſs im Westen die zwischen Numidien einer- und dem römischen Africa und Kyrene andrerseits bestehenden Grenzverhältnisse unverändert blieben, zeigt Caesar b. c. 2, 38, b. Afr. 43. 77 und die spätere Provinzial- verfassung. Dagegen liegt es in der Natur der Sache und wird auch von Sallust c. 97. 102. 111 angedeutet, daſs Bocchus Reich bedeutend vergrös- sert ward; womit es unzweifelhaft zusammenhängt, daſs Mauretanien, ur- sprünglich beschränkt auf die Landschaft von Tingis (Marocco), in späterer Zeit sich erstreckt auf die Landschaft von Caesarea (Provinz Algier) und von Sitifis (westliche Hälfte der Provinz Constantine). Da Mauretanien zweimal von den Römern vergröſsert ward, zuerst 649 nach Jugurthas Auslieferung, sodann 708 nach Auflösung des numidischen Reiches, so ist wahrscheinlich die Landschaft von Caesarea bei der ersten, die von Sitifis bei der zweiten Vergröſserung hinzugekommen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0159" n="149"/><fw place="top" type="header">DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.</fw><lb/> befolgten Politik ward Numidien nicht in eine römische Provinz<lb/> umgewandelt; offenbar deſshalb, weil das Land nicht ohne eine<lb/> die Grenzen gegen die Wilden der Wüste deckende Armee zu<lb/> behaupten und man in Africa ein stehendes Heer zu unterhalten<lb/> keineswegs gemeint war. Man begnügte sich deſshalb die west-<lb/> lichste Landschaft Numidiens, wahrscheinlich den Strich vom<lb/> Fluſs Molochath bis zum Hafen von Saldae (Bougie) — das spä-<lb/> tere Mauretanien von Caesarea (Provinz Algier) — zu dem Reich<lb/> des Bocchus zu schlagen und das also verkleinerte Königreich<lb/> Numidien an den letzten noch lebenden legitimen Enkel Massi-<lb/> nissas, Jugurthas an Körper und Geist schwachen Halbbruder<lb/> Gauda zu übertragen, welcher bereits im J. 646 auf Veranlassung<lb/> des Marius seine Ansprüche bei dem Senat geltend gemacht<lb/> hatte <note place="foot" n="*">An einem zusammenhängenden Bericht über die Behandlung des nu-<lb/> midischen Reiches nach Jugurthas Katastrophe fehlt es. Daſs Gauda sein<lb/> Nachfolger ward, deuten Sallust c. 65 und Dio <hi rendition="#i">fr.</hi> 79, 4 Bekk. an und be-<lb/> stätigt eine Inschrift von Cartagena, die ihn König und Vater Hiempsals II<lb/> nennt. Daſs im Westen die zwischen Numidien einer- und dem römischen<lb/> Africa und Kyrene andrerseits bestehenden Grenzverhältnisse unverändert<lb/> blieben, zeigt Caesar <hi rendition="#i">b. c.</hi> 2, 38, <hi rendition="#i">b. Afr.</hi> 43. 77 und die spätere Provinzial-<lb/> verfassung. Dagegen liegt es in der Natur der Sache und wird auch von<lb/> Sallust c. 97. 102. 111 angedeutet, daſs Bocchus Reich bedeutend vergrös-<lb/> sert ward; womit es unzweifelhaft zusammenhängt, daſs Mauretanien, ur-<lb/> sprünglich beschränkt auf die Landschaft von Tingis (Marocco), in späterer<lb/> Zeit sich erstreckt auf die Landschaft von Caesarea (Provinz Algier) und<lb/> von Sitifis (westliche Hälfte der Provinz Constantine). Da Mauretanien<lb/> zweimal von den Römern vergröſsert ward, zuerst 649 nach Jugurthas<lb/> Auslieferung, sodann 708 nach Auflösung des numidischen Reiches, so ist<lb/> wahrscheinlich die Landschaft von Caesarea bei der ersten, die von Sitifis<lb/> bei der zweiten Vergröſserung hinzugekommen.</note>. Zugleich wurden die gaetulischen Stämme im inneren<lb/> Africa als freie Bundesgenossen unter die mit den Römern in Ver-<lb/> trag stehenden unabhängigen Nationen aufgenommen. — Wich-<lb/> tiger als diese Regulirung der africanischen Clientel waren die<lb/> politischen Folgen des jugurthinischen Krieges oder vielmehr der<lb/> jugurthinischen Insurrection, obgleich auch diese häufig zu hoch<lb/> angeschlagen worden sind. Allerdings waren darin alle Schäden<lb/> des Regiments in unverhüllter Nacktheit zu Tage gekommen; es<lb/> war nicht bloſs notorisch, sondern groſsentheils gerichtlich con-<lb/> statirt, daſs den regierenden Herren Roms alles feil war, der<lb/> Friedensvertrag wie das Intercessionsrecht, der Lagerwall und<lb/> das Leben der Soldaten; der Africaner hatte nicht mehr gesagt<lb/> als die einfache Wahrheit, als er bei seiner Abreise von Rom äus-<lb/> serte, wenn er nur Geld genug hätte, mache er sich anheischig<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [149/0159]
DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
befolgten Politik ward Numidien nicht in eine römische Provinz
umgewandelt; offenbar deſshalb, weil das Land nicht ohne eine
die Grenzen gegen die Wilden der Wüste deckende Armee zu
behaupten und man in Africa ein stehendes Heer zu unterhalten
keineswegs gemeint war. Man begnügte sich deſshalb die west-
lichste Landschaft Numidiens, wahrscheinlich den Strich vom
Fluſs Molochath bis zum Hafen von Saldae (Bougie) — das spä-
tere Mauretanien von Caesarea (Provinz Algier) — zu dem Reich
des Bocchus zu schlagen und das also verkleinerte Königreich
Numidien an den letzten noch lebenden legitimen Enkel Massi-
nissas, Jugurthas an Körper und Geist schwachen Halbbruder
Gauda zu übertragen, welcher bereits im J. 646 auf Veranlassung
des Marius seine Ansprüche bei dem Senat geltend gemacht
hatte *. Zugleich wurden die gaetulischen Stämme im inneren
Africa als freie Bundesgenossen unter die mit den Römern in Ver-
trag stehenden unabhängigen Nationen aufgenommen. — Wich-
tiger als diese Regulirung der africanischen Clientel waren die
politischen Folgen des jugurthinischen Krieges oder vielmehr der
jugurthinischen Insurrection, obgleich auch diese häufig zu hoch
angeschlagen worden sind. Allerdings waren darin alle Schäden
des Regiments in unverhüllter Nacktheit zu Tage gekommen; es
war nicht bloſs notorisch, sondern groſsentheils gerichtlich con-
statirt, daſs den regierenden Herren Roms alles feil war, der
Friedensvertrag wie das Intercessionsrecht, der Lagerwall und
das Leben der Soldaten; der Africaner hatte nicht mehr gesagt
als die einfache Wahrheit, als er bei seiner Abreise von Rom äus-
serte, wenn er nur Geld genug hätte, mache er sich anheischig
* An einem zusammenhängenden Bericht über die Behandlung des nu-
midischen Reiches nach Jugurthas Katastrophe fehlt es. Daſs Gauda sein
Nachfolger ward, deuten Sallust c. 65 und Dio fr. 79, 4 Bekk. an und be-
stätigt eine Inschrift von Cartagena, die ihn König und Vater Hiempsals II
nennt. Daſs im Westen die zwischen Numidien einer- und dem römischen
Africa und Kyrene andrerseits bestehenden Grenzverhältnisse unverändert
blieben, zeigt Caesar b. c. 2, 38, b. Afr. 43. 77 und die spätere Provinzial-
verfassung. Dagegen liegt es in der Natur der Sache und wird auch von
Sallust c. 97. 102. 111 angedeutet, daſs Bocchus Reich bedeutend vergrös-
sert ward; womit es unzweifelhaft zusammenhängt, daſs Mauretanien, ur-
sprünglich beschränkt auf die Landschaft von Tingis (Marocco), in späterer
Zeit sich erstreckt auf die Landschaft von Caesarea (Provinz Algier) und
von Sitifis (westliche Hälfte der Provinz Constantine). Da Mauretanien
zweimal von den Römern vergröſsert ward, zuerst 649 nach Jugurthas
Auslieferung, sodann 708 nach Auflösung des numidischen Reiches, so ist
wahrscheinlich die Landschaft von Caesarea bei der ersten, die von Sitifis
bei der zweiten Vergröſserung hinzugekommen.
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