KAPITEL VI. Revolutionsversuch des Marius und Reformversuch des Drusus.
Gaius Marius ward, eines armen Tagelöhners Sohn, gebo- ren im J. 599 in dem damals arpinatischen Dorfe Cereatae, das später als Cereatae Marianae Stadtrecht erhielt und noch heute den Namen ,Mariusheimath' (Casamare) trägt. Beim Pfluge war er aufgekommen, in so dürftigen Verhältnissen, dass sie ihm selbst zu den Gemeindeämtern von Arpinum den Zugang zu ver- schliessen schienen; er lernte früh, was er später noch als Feld- herr übte, Hunger und Durst, Sonnenbrand und Winterkälte er- tragen und auf der harten Erde schlafen. So wie das Alter es ihm erlaubte, war er in das Heer eingetreten und hatte in der schweren Schule der spanischen Kriege sich rasch zum Offizier emporgedient; in Scipios numantinischem Kriege zog er, damals dreiundzwanzigjährig, des strengen Feldherrn Augen auf sich durch die saubere Haltung seines Pferdes und seiner Waffen wie durch seine Tapferkeit im Gefecht und sein ehrbares Betragen im Lager. Er war heimgekehrt mit ehrenvollen Narben und rei- chen Decorationen und mit dem lebhaften Wunsch in der rühm- lich betretenen Laufbahn sich einen Namen zu gewinnen; allein unter den damaligen Verhältnissen konnte zu den politischen Aemtern, die allein zu höheren Militärstellen führten, auch der verdienteste Mann nicht gelangen ohne Vermögen und ohne Verbindungen. Beides ward dem jungen Offizier zu Theil durch glückliche Handelsspeculationen und durch die Verbindung mit einem Mädchen aus dem altadlichen Geschlecht der Julier; so ge-
KAPITEL VI. Revolutionsversuch des Marius und Reformversuch des Drusus.
Gaius Marius ward, eines armen Tagelöhners Sohn, gebo- ren im J. 599 in dem damals arpinatischen Dorfe Cereatae, das später als Cereatae Marianae Stadtrecht erhielt und noch heute den Namen ‚Mariusheimath‘ (Casamare) trägt. Beim Pfluge war er aufgekommen, in so dürftigen Verhältnissen, daſs sie ihm selbst zu den Gemeindeämtern von Arpinum den Zugang zu ver- schlieſsen schienen; er lernte früh, was er später noch als Feld- herr übte, Hunger und Durst, Sonnenbrand und Winterkälte er- tragen und auf der harten Erde schlafen. So wie das Alter es ihm erlaubte, war er in das Heer eingetreten und hatte in der schweren Schule der spanischen Kriege sich rasch zum Offizier emporgedient; in Scipios numantinischem Kriege zog er, damals dreiundzwanzigjährig, des strengen Feldherrn Augen auf sich durch die saubere Haltung seines Pferdes und seiner Waffen wie durch seine Tapferkeit im Gefecht und sein ehrbares Betragen im Lager. Er war heimgekehrt mit ehrenvollen Narben und rei- chen Decorationen und mit dem lebhaften Wunsch in der rühm- lich betretenen Laufbahn sich einen Namen zu gewinnen; allein unter den damaligen Verhältnissen konnte zu den politischen Aemtern, die allein zu höheren Militärstellen führten, auch der verdienteste Mann nicht gelangen ohne Vermögen und ohne Verbindungen. Beides ward dem jungen Offizier zu Theil durch glückliche Handelsspeculationen und durch die Verbindung mit einem Mädchen aus dem altadlichen Geschlecht der Julier; so ge-
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KAPITEL VI.
Revolutionsversuch des Marius und Reformversuch des
Drusus.
Gaius Marius ward, eines armen Tagelöhners Sohn, gebo-
ren im J. 599 in dem damals arpinatischen Dorfe Cereatae, das
später als Cereatae Marianae Stadtrecht erhielt und noch heute
den Namen ‚Mariusheimath‘ (Casamare) trägt. Beim Pfluge war
er aufgekommen, in so dürftigen Verhältnissen, daſs sie ihm
selbst zu den Gemeindeämtern von Arpinum den Zugang zu ver-
schlieſsen schienen; er lernte früh, was er später noch als Feld-
herr übte, Hunger und Durst, Sonnenbrand und Winterkälte er-
tragen und auf der harten Erde schlafen. So wie das Alter es
ihm erlaubte, war er in das Heer eingetreten und hatte in der
schweren Schule der spanischen Kriege sich rasch zum Offizier
emporgedient; in Scipios numantinischem Kriege zog er, damals
dreiundzwanzigjährig, des strengen Feldherrn Augen auf sich
durch die saubere Haltung seines Pferdes und seiner Waffen wie
durch seine Tapferkeit im Gefecht und sein ehrbares Betragen
im Lager. Er war heimgekehrt mit ehrenvollen Narben und rei-
chen Decorationen und mit dem lebhaften Wunsch in der rühm-
lich betretenen Laufbahn sich einen Namen zu gewinnen; allein
unter den damaligen Verhältnissen konnte zu den politischen
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. [180]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/190>, abgerufen am 28.11.2024.
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