Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.MARIUS UND DRUSUS. lang es ihm unter grossen Anstrengungen und nach vielfachenZurückweisungen im J. 639 bis zur Praetur zu gelangen, in wel- cher er als Statthalter des jenseitigen Spaniens seine militärische Tüchtigkeit aufs Neue zu bewähren Gelegenheit fand. Wie er sodann der Aristokratie zum Trotz im J. 647 das Consulat und als Proconsul die Führung des africanischen Krieges übernahm, wie er nach dem Unglückstag von Arausio unter steter Erneuerung des Consulats vom J. 650 an mit der Oberleitung des kimbri- schen Krieges bis zu dessen Beendigung betraut ward, ist bereits erzählt worden. In seinem Kriegsamt hatte er sich gezeigt als einen braven und rechtschaffenen Mann, der unparteiisch Recht sprach, über die Beute mit seltener Ehrlichkeit und Uneigennützigkeit verfügte und durchaus unbestechlich war; als einen geschickten Organisator, der die einigermassen eingerostete Maschine des römischen Heerwesens wieder in brauchbaren Stand gesetzt hatte; als einen fähigen Feldherrn, der den Soldaten in Zucht und doch bei guter Laune erhielt und zugleich im kamerad- schaftlichen Verkehr seine Liebe gewann und der dem Feinde kühn ins Auge sah und zur rechten Zeit sich mit ihm schlug. Eine militärische Capacität im eminenten Sinn war er, so weit wir urtheilen können, nicht; allein die sehr achtungswerthen Eigenschaften, die er besass, genügten unter den damals beste- henden Verhältnissen vollkommen um ihm den Ruf einer solchen zu verschaffen und auf diesen gestützt war er in einer beispiellos ehrenvollen Weise eingetreten unter die Consulare und die Triumphatoren. Allein er passte darum nicht besser in den glänzenden Kreis. Seine Stimme blieb rauh und laut, sein Blick wild, als sähe er noch Libyer oder Kimbrer vor sich und nicht wohlerzogene und parfümirte Collegen. Dass er abergläubisch war wie ein echter Lanzknecht, dass er zur Bewerbung um sein erstes Consulat sich nicht durch den Drang seiner Talente, son- dern zunächst durch die Aussagen eines etruskischen Einge- weidebeschauers bestimmen liess und bei dem Feldzug gegen die Teutonen eine syrische Prophetin Martha mit ihren Orakeln dem Kriegsrath aushalf, war nicht eigentlich unaristokratisch; in solchen Dingen begegneten sich damals wie zu allen Zeiten die höchsten und die niedrigsten Schichten der Gesellschaft. Allein unverzeih- lich war der Mangel an politischer Bildung; es war zwar löblich, dass er die Barbaren zu schlagen verstand, aber was sollte man denken von einem Triumphator, der von der vorschriftsmässigen Etikette so wenig wusste um im Triumphalcostüm im Senat zu erscheinen! Auch sonst hing die Roture ihm an. Er war nicht MARIUS UND DRUSUS. lang es ihm unter groſsen Anstrengungen und nach vielfachenZurückweisungen im J. 639 bis zur Praetur zu gelangen, in wel- cher er als Statthalter des jenseitigen Spaniens seine militärische Tüchtigkeit aufs Neue zu bewähren Gelegenheit fand. Wie er sodann der Aristokratie zum Trotz im J. 647 das Consulat und als Proconsul die Führung des africanischen Krieges übernahm, wie er nach dem Unglückstag von Arausio unter steter Erneuerung des Consulats vom J. 650 an mit der Oberleitung des kimbri- schen Krieges bis zu dessen Beendigung betraut ward, ist bereits erzählt worden. In seinem Kriegsamt hatte er sich gezeigt als einen braven und rechtschaffenen Mann, der unparteiisch Recht sprach, über die Beute mit seltener Ehrlichkeit und Uneigennützigkeit verfügte und durchaus unbestechlich war; als einen geschickten Organisator, der die einigermaſsen eingerostete Maschine des römischen Heerwesens wieder in brauchbaren Stand gesetzt hatte; als einen fähigen Feldherrn, der den Soldaten in Zucht und doch bei guter Laune erhielt und zugleich im kamerad- schaftlichen Verkehr seine Liebe gewann und der dem Feinde kühn ins Auge sah und zur rechten Zeit sich mit ihm schlug. Eine militärische Capacität im eminenten Sinn war er, so weit wir urtheilen können, nicht; allein die sehr achtungswerthen Eigenschaften, die er besaſs, genügten unter den damals beste- henden Verhältnissen vollkommen um ihm den Ruf einer solchen zu verschaffen und auf diesen gestützt war er in einer beispiellos ehrenvollen Weise eingetreten unter die Consulare und die Triumphatoren. Allein er paſste darum nicht besser in den glänzenden Kreis. Seine Stimme blieb rauh und laut, sein Blick wild, als sähe er noch Libyer oder Kimbrer vor sich und nicht wohlerzogene und parfümirte Collegen. Daſs er abergläubisch war wie ein echter Lanzknecht, daſs er zur Bewerbung um sein erstes Consulat sich nicht durch den Drang seiner Talente, son- dern zunächst durch die Aussagen eines etruskischen Einge- weidebeschauers bestimmen lieſs und bei dem Feldzug gegen die Teutonen eine syrische Prophetin Martha mit ihren Orakeln dem Kriegsrath aushalf, war nicht eigentlich unaristokratisch; in solchen Dingen begegneten sich damals wie zu allen Zeiten die höchsten und die niedrigsten Schichten der Gesellschaft. Allein unverzeih- lich war der Mangel an politischer Bildung; es war zwar löblich, daſs er die Barbaren zu schlagen verstand, aber was sollte man denken von einem Triumphator, der von der vorschriftsmäſsigen Etikette so wenig wuſste um im Triumphalcostüm im Senat zu erscheinen! 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MARIUS UND DRUSUS.
lang es ihm unter groſsen Anstrengungen und nach vielfachen
Zurückweisungen im J. 639 bis zur Praetur zu gelangen, in wel-
cher er als Statthalter des jenseitigen Spaniens seine militärische
Tüchtigkeit aufs Neue zu bewähren Gelegenheit fand. Wie er
sodann der Aristokratie zum Trotz im J. 647 das Consulat und
als Proconsul die Führung des africanischen Krieges übernahm,
wie er nach dem Unglückstag von Arausio unter steter Erneuerung
des Consulats vom J. 650 an mit der Oberleitung des kimbri-
schen Krieges bis zu dessen Beendigung betraut ward, ist bereits
erzählt worden. In seinem Kriegsamt hatte er sich gezeigt als einen
braven und rechtschaffenen Mann, der unparteiisch Recht sprach,
über die Beute mit seltener Ehrlichkeit und Uneigennützigkeit
verfügte und durchaus unbestechlich war; als einen geschickten
Organisator, der die einigermaſsen eingerostete Maschine des
römischen Heerwesens wieder in brauchbaren Stand gesetzt
hatte; als einen fähigen Feldherrn, der den Soldaten in Zucht
und doch bei guter Laune erhielt und zugleich im kamerad-
schaftlichen Verkehr seine Liebe gewann und der dem Feinde
kühn ins Auge sah und zur rechten Zeit sich mit ihm schlug.
Eine militärische Capacität im eminenten Sinn war er, so weit
wir urtheilen können, nicht; allein die sehr achtungswerthen
Eigenschaften, die er besaſs, genügten unter den damals beste-
henden Verhältnissen vollkommen um ihm den Ruf einer solchen
zu verschaffen und auf diesen gestützt war er in einer beispiellos
ehrenvollen Weise eingetreten unter die Consulare und die
Triumphatoren. Allein er paſste darum nicht besser in den
glänzenden Kreis. Seine Stimme blieb rauh und laut, sein Blick
wild, als sähe er noch Libyer oder Kimbrer vor sich und nicht
wohlerzogene und parfümirte Collegen. Daſs er abergläubisch
war wie ein echter Lanzknecht, daſs er zur Bewerbung um sein
erstes Consulat sich nicht durch den Drang seiner Talente, son-
dern zunächst durch die Aussagen eines etruskischen Einge-
weidebeschauers bestimmen lieſs und bei dem Feldzug gegen die
Teutonen eine syrische Prophetin Martha mit ihren Orakeln dem
Kriegsrath aushalf, war nicht eigentlich unaristokratisch; in solchen
Dingen begegneten sich damals wie zu allen Zeiten die höchsten
und die niedrigsten Schichten der Gesellschaft. Allein unverzeih-
lich war der Mangel an politischer Bildung; es war zwar löblich,
daſs er die Barbaren zu schlagen verstand, aber was sollte man
denken von einem Triumphator, der von der vorschriftsmäſsigen
Etikette so wenig wuſste um im Triumphalcostüm im Senat zu
erscheinen! Auch sonst hing die Roture ihm an. Er war nicht
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