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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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VIERTES BUCH. KAPITEL I.
zu heimlichen Machinationen gegen den König Viriathus zu be-
vollmächtigen und bald den offenen unbeschönigten Bruch des
gegebenen Treuworts wenigstens zu gestatten. So drang Caepio
in Lusitanien ein und durchzog das Land bis zu dem Gebiet der
Vettonen und Gallaeker; Viriathus vermied den Kampf mit der
Uebermacht und entzog sich durch geschickte Bewegungen dem
Gegner (614). Als aber im folgenden Jahr (615) nicht bloss
Caepio den Angriff erneuerte, sondern auch das in der nördli-
chen Provinz inzwischen disponibel gewordene Heer unter Mar-
cus Popillius in Lusitanien eindrang, bat Viriathus um Frieden
unter jeder Bedingung. Wie ihm geheissen ward, lieferte er alle
aus dem römischen Gebiet zu ihm übergetretenen Leute, darun-
ter seinen eigenen Schwiegervater aus an die Römer, die diesel-
ben hinrichten oder ihnen die Hände abhauen liessen. Allein es
war damit nicht genug; nicht auf einmal enthüllten die Römer
ihre Forderungen, sondern ein Befehl nach dem andern und im-
mer der folgende unerträglicher als die vorhergehenden erging
an die Besiegten. Als aber endlich die Auslieferung der Waffen
begehrt ward, brach Viriathus die Verhandlungen ab; abermals
gedachte er des Schicksals seiner Landsleute, die Galba hatte
entwaffnen lassen, und griff aufs Neue zum Schwert. Allein es
war bereits zu spät. Sein Schwanken hatte in seiner nächsten
Umgebung die Keime des Verraths gesäet; drei seiner Vertrauten,
Audas, Ditalko und Minucius aus Urso, verzweifelnd an der Mög-
lichkeit jetzt noch zu siegen, erwirkten von dem König die Er-
laubniss noch einmal mit Caepio Friedensunterhandlungen an-
zuknüpfen und benutzten sie gegen Zusicherung persönlicher
Amnestie und weiterer Belohnungen das Leben des lusitanischen
Helden den Fremden zu verkaufen. Zurückgekehrt in das Lager
versicherten sie den König des günstigsten Erfolgs ihrer Ver-
handlungen und erdolchten die Nacht darauf den Schlafenden in
seinem Zelte. Die Lusitaner ehrten den herrlichen Mann durch
eine Todtenfeier, deren gleichen noch im Lande nicht war gesehen
worden und bei der zweihundert Fechterpaare die Leichenspiele
fochten; höher noch dadurch, dass sie den Kampf nicht aufga-
ben, sondern an die Stelle des gefallenen Helden den Tautamus
zu ihrem Oberfeldherrn ernannten. Der Plan, den dieser ent-
warf, den Römern Sagunt zu entreissen, war kühn genug; allein
die Nation hatte es schwer zu büssen, dass der neue Feldherr
weder seines Vorgängers weise Mässigung noch sein Kriegs-
geschick besass. Die Expedition scheiterte völlig und auf der
Rückkehr ward das Heer bei dem Uebergang über den Baetis

VIERTES BUCH. KAPITEL I.
zu heimlichen Machinationen gegen den König Viriathus zu be-
vollmächtigen und bald den offenen unbeschönigten Bruch des
gegebenen Treuworts wenigstens zu gestatten. So drang Caepio
in Lusitanien ein und durchzog das Land bis zu dem Gebiet der
Vettonen und Gallaeker; Viriathus vermied den Kampf mit der
Uebermacht und entzog sich durch geschickte Bewegungen dem
Gegner (614). Als aber im folgenden Jahr (615) nicht bloſs
Caepio den Angriff erneuerte, sondern auch das in der nördli-
chen Provinz inzwischen disponibel gewordene Heer unter Mar-
cus Popillius in Lusitanien eindrang, bat Viriathus um Frieden
unter jeder Bedingung. Wie ihm geheiſsen ward, lieferte er alle
aus dem römischen Gebiet zu ihm übergetretenen Leute, darun-
ter seinen eigenen Schwiegervater aus an die Römer, die diesel-
ben hinrichten oder ihnen die Hände abhauen lieſsen. Allein es
war damit nicht genug; nicht auf einmal enthüllten die Römer
ihre Forderungen, sondern ein Befehl nach dem andern und im-
mer der folgende unerträglicher als die vorhergehenden erging
an die Besiegten. Als aber endlich die Auslieferung der Waffen
begehrt ward, brach Viriathus die Verhandlungen ab; abermals
gedachte er des Schicksals seiner Landsleute, die Galba hatte
entwaffnen lassen, und griff aufs Neue zum Schwert. Allein es
war bereits zu spät. Sein Schwanken hatte in seiner nächsten
Umgebung die Keime des Verraths gesäet; drei seiner Vertrauten,
Audas, Ditalko und Minucius aus Urso, verzweifelnd an der Mög-
lichkeit jetzt noch zu siegen, erwirkten von dem König die Er-
laubniſs noch einmal mit Caepio Friedensunterhandlungen an-
zuknüpfen und benutzten sie gegen Zusicherung persönlicher
Amnestie und weiterer Belohnungen das Leben des lusitanischen
Helden den Fremden zu verkaufen. Zurückgekehrt in das Lager
versicherten sie den König des günstigsten Erfolgs ihrer Ver-
handlungen und erdolchten die Nacht darauf den Schlafenden in
seinem Zelte. Die Lusitaner ehrten den herrlichen Mann durch
eine Todtenfeier, deren gleichen noch im Lande nicht war gesehen
worden und bei der zweihundert Fechterpaare die Leichenspiele
fochten; höher noch dadurch, daſs sie den Kampf nicht aufga-
ben, sondern an die Stelle des gefallenen Helden den Tautamus
zu ihrem Oberfeldherrn ernannten. Der Plan, den dieser ent-
warf, den Römern Sagunt zu entreiſsen, war kühn genug; allein
die Nation hatte es schwer zu büſsen, daſs der neue Feldherr
weder seines Vorgängers weise Mäſsigung noch sein Kriegs-
geschick besaſs. Die Expedition scheiterte völlig und auf der
Rückkehr ward das Heer bei dem Uebergang über den Baetis

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[12/0022] VIERTES BUCH. KAPITEL I. zu heimlichen Machinationen gegen den König Viriathus zu be- vollmächtigen und bald den offenen unbeschönigten Bruch des gegebenen Treuworts wenigstens zu gestatten. So drang Caepio in Lusitanien ein und durchzog das Land bis zu dem Gebiet der Vettonen und Gallaeker; Viriathus vermied den Kampf mit der Uebermacht und entzog sich durch geschickte Bewegungen dem Gegner (614). Als aber im folgenden Jahr (615) nicht bloſs Caepio den Angriff erneuerte, sondern auch das in der nördli- chen Provinz inzwischen disponibel gewordene Heer unter Mar- cus Popillius in Lusitanien eindrang, bat Viriathus um Frieden unter jeder Bedingung. Wie ihm geheiſsen ward, lieferte er alle aus dem römischen Gebiet zu ihm übergetretenen Leute, darun- ter seinen eigenen Schwiegervater aus an die Römer, die diesel- ben hinrichten oder ihnen die Hände abhauen lieſsen. Allein es war damit nicht genug; nicht auf einmal enthüllten die Römer ihre Forderungen, sondern ein Befehl nach dem andern und im- mer der folgende unerträglicher als die vorhergehenden erging an die Besiegten. Als aber endlich die Auslieferung der Waffen begehrt ward, brach Viriathus die Verhandlungen ab; abermals gedachte er des Schicksals seiner Landsleute, die Galba hatte entwaffnen lassen, und griff aufs Neue zum Schwert. Allein es war bereits zu spät. Sein Schwanken hatte in seiner nächsten Umgebung die Keime des Verraths gesäet; drei seiner Vertrauten, Audas, Ditalko und Minucius aus Urso, verzweifelnd an der Mög- lichkeit jetzt noch zu siegen, erwirkten von dem König die Er- laubniſs noch einmal mit Caepio Friedensunterhandlungen an- zuknüpfen und benutzten sie gegen Zusicherung persönlicher Amnestie und weiterer Belohnungen das Leben des lusitanischen Helden den Fremden zu verkaufen. Zurückgekehrt in das Lager versicherten sie den König des günstigsten Erfolgs ihrer Ver- handlungen und erdolchten die Nacht darauf den Schlafenden in seinem Zelte. Die Lusitaner ehrten den herrlichen Mann durch eine Todtenfeier, deren gleichen noch im Lande nicht war gesehen worden und bei der zweihundert Fechterpaare die Leichenspiele fochten; höher noch dadurch, daſs sie den Kampf nicht aufga- ben, sondern an die Stelle des gefallenen Helden den Tautamus zu ihrem Oberfeldherrn ernannten. Der Plan, den dieser ent- warf, den Römern Sagunt zu entreiſsen, war kühn genug; allein die Nation hatte es schwer zu büſsen, daſs der neue Feldherr weder seines Vorgängers weise Mäſsigung noch sein Kriegs- geschick besaſs. Die Expedition scheiterte völlig und auf der Rückkehr ward das Heer bei dem Uebergang über den Baetis

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/22>, abgerufen am 03.12.2024.