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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES.
und Körpergestalt den heutigen Bewohnern Sibiriens verwandt
gewesen zu sein scheinen, hatten sich, von Osten nach Westen
vorrückend, sarmatische Stämme nachgeschoben, Sauromaten,
Roxolaner, Jazygen, die gemeiniglich für slavischer Abkunft ge-
halten werden, obwohl diejenigen Eigennamen, welche man ihnen
zuzuschreiben befugt ist, mehr mit medischen und persischen sich
verwandt zeigen und vielleicht den Schluss auf eine Verwandt-
schaft mit dem grossen Zendstamme gestatten. In entgegenge-
setzter Richtung flutheten thrakische Schwärme, namentlich die
Geten, die bis zum Dniester gelangten; dazwischen drängten sich,
wahrscheinlich als Ausläufer der grossen germanischen Wande-
rung, deren Hauptmasse das schwarze Meer nicht berührt zu
haben scheint, sogenannte Kelten, die auch wohl germani-
schen Bastarner am Dnieper, Peukinen an der Donaumündung.
Ein eigentlicher Staat bildete sich nirgends; es lebte jeder Stamm
unter seinen Fürsten und Aeltesten für sich. Zu all diesen Bar-
baren in scharfem Gegensatz standen die hellenischen Ansied-
lungen, welche zur Zeit des gewaltigen Aufschwunges des grie-
chischen Handels namentlich von Miletos aus an diesen Gestaden
gegründet worden waren, theils als Emporien, theils als Stationen
für den wichtigen Fischfang und selbst für den Ackerbau, für wel-
chen die heutige Krim und überhaupt das nordwestliche Gestade
des schwarzen Meeres im Alterthum minder ungünstige Verhält-
nisse darboten als dies heutzutage der Fall ist; für die Benutzung
des Bodens zahlten hier die Hellenen wie die Phönikier in Libyen
den einheimischen Herren Schoss und Grundzins. Die wichtigsten
dieser Ansiedlungen waren die Freistadt Chersonesos (unweit Se-
hastopol), auf dem Gebiet der Skythen in der taurischen Halbinsel
(Krim) angelegt und unter nicht vortheilhaften Verhältnissen
durch ihre gute Verfassung und den Gemeingeist ihrer Bürger in
mässigem Wohlstand sich behauptend; ferner auf der gegenüber-
stehenden Seite der Halbinsel an der Strasse von dem schwarzen
in das asowsche Meer Pantikapaeon (Kertsch), seit dem J. 457
Roms regiert von erblichen Bürgermeistern, später bosporanische
Könige genannt, den Archaeanaktiden, Spartokiden und Paeri-
saden. Der Getreidebau und der Fischfang im asowschen Meer
hatten die Stadt schnell zur Blüthe gebracht. Ihr Gebiet umfasste
jetzt noch die kleinere Osthälfte der Krim mit Einschluss der
Stadt Theodosia und auf dem gegenüberliegenden asiatischen
Continent die Stadt Phanagoria und die sindische Landschaft. In
besseren Zeiten hatten die Herren von Pantikapaeon zu Lande
die Völker an der Ostküste des asowschen Meeres und das Ku-

DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES.
und Körpergestalt den heutigen Bewohnern Sibiriens verwandt
gewesen zu sein scheinen, hatten sich, von Osten nach Westen
vorrückend, sarmatische Stämme nachgeschoben, Sauromaten,
Roxolaner, Jazygen, die gemeiniglich für slavischer Abkunft ge-
halten werden, obwohl diejenigen Eigennamen, welche man ihnen
zuzuschreiben befugt ist, mehr mit medischen und persischen sich
verwandt zeigen und vielleicht den Schluſs auf eine Verwandt-
schaft mit dem groſsen Zendstamme gestatten. In entgegenge-
setzter Richtung flutheten thrakische Schwärme, namentlich die
Geten, die bis zum Dniester gelangten; dazwischen drängten sich,
wahrscheinlich als Ausläufer der groſsen germanischen Wande-
rung, deren Hauptmasse das schwarze Meer nicht berührt zu
haben scheint, sogenannte Kelten, die auch wohl germani-
schen Bastarner am Dnieper, Peukinen an der Donaumündung.
Ein eigentlicher Staat bildete sich nirgends; es lebte jeder Stamm
unter seinen Fürsten und Aeltesten für sich. Zu all diesen Bar-
baren in scharfem Gegensatz standen die hellenischen Ansied-
lungen, welche zur Zeit des gewaltigen Aufschwunges des grie-
chischen Handels namentlich von Miletos aus an diesen Gestaden
gegründet worden waren, theils als Emporien, theils als Stationen
für den wichtigen Fischfang und selbst für den Ackerbau, für wel-
chen die heutige Krim und überhaupt das nordwestliche Gestade
des schwarzen Meeres im Alterthum minder ungünstige Verhält-
nisse darboten als dies heutzutage der Fall ist; für die Benutzung
des Bodens zahlten hier die Hellenen wie die Phönikier in Libyen
den einheimischen Herren Schoſs und Grundzins. Die wichtigsten
dieser Ansiedlungen waren die Freistadt Chersonesos (unweit Se-
hastopol), auf dem Gebiet der Skythen in der taurischen Halbinsel
(Krim) angelegt und unter nicht vortheilhaften Verhältnissen
durch ihre gute Verfassung und den Gemeingeist ihrer Bürger in
mäſsigem Wohlstand sich behauptend; ferner auf der gegenüber-
stehenden Seite der Halbinsel an der Straſse von dem schwarzen
in das asowsche Meer Pantikapaeon (Kertsch), seit dem J. 457
Roms regiert von erblichen Bürgermeistern, später bosporanische
Könige genannt, den Archaeanaktiden, Spartokiden und Paeri-
saden. Der Getreidebau und der Fischfang im asowschen Meer
hatten die Stadt schnell zur Blüthe gebracht. Ihr Gebiet umfaſste
jetzt noch die kleinere Osthälfte der Krim mit Einschluſs der
Stadt Theodosia und auf dem gegenüberliegenden asiatischen
Continent die Stadt Phanagoria und die sindische Landschaft. In
besseren Zeiten hatten die Herren von Pantikapaeon zu Lande
die Völker an der Ostküste des asowschen Meeres und das Ku-

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[261/0271] DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES. und Körpergestalt den heutigen Bewohnern Sibiriens verwandt gewesen zu sein scheinen, hatten sich, von Osten nach Westen vorrückend, sarmatische Stämme nachgeschoben, Sauromaten, Roxolaner, Jazygen, die gemeiniglich für slavischer Abkunft ge- halten werden, obwohl diejenigen Eigennamen, welche man ihnen zuzuschreiben befugt ist, mehr mit medischen und persischen sich verwandt zeigen und vielleicht den Schluſs auf eine Verwandt- schaft mit dem groſsen Zendstamme gestatten. In entgegenge- setzter Richtung flutheten thrakische Schwärme, namentlich die Geten, die bis zum Dniester gelangten; dazwischen drängten sich, wahrscheinlich als Ausläufer der groſsen germanischen Wande- rung, deren Hauptmasse das schwarze Meer nicht berührt zu haben scheint, sogenannte Kelten, die auch wohl germani- schen Bastarner am Dnieper, Peukinen an der Donaumündung. Ein eigentlicher Staat bildete sich nirgends; es lebte jeder Stamm unter seinen Fürsten und Aeltesten für sich. Zu all diesen Bar- baren in scharfem Gegensatz standen die hellenischen Ansied- lungen, welche zur Zeit des gewaltigen Aufschwunges des grie- chischen Handels namentlich von Miletos aus an diesen Gestaden gegründet worden waren, theils als Emporien, theils als Stationen für den wichtigen Fischfang und selbst für den Ackerbau, für wel- chen die heutige Krim und überhaupt das nordwestliche Gestade des schwarzen Meeres im Alterthum minder ungünstige Verhält- nisse darboten als dies heutzutage der Fall ist; für die Benutzung des Bodens zahlten hier die Hellenen wie die Phönikier in Libyen den einheimischen Herren Schoſs und Grundzins. Die wichtigsten dieser Ansiedlungen waren die Freistadt Chersonesos (unweit Se- hastopol), auf dem Gebiet der Skythen in der taurischen Halbinsel (Krim) angelegt und unter nicht vortheilhaften Verhältnissen durch ihre gute Verfassung und den Gemeingeist ihrer Bürger in mäſsigem Wohlstand sich behauptend; ferner auf der gegenüber- stehenden Seite der Halbinsel an der Straſse von dem schwarzen in das asowsche Meer Pantikapaeon (Kertsch), seit dem J. 457 Roms regiert von erblichen Bürgermeistern, später bosporanische Könige genannt, den Archaeanaktiden, Spartokiden und Paeri- saden. Der Getreidebau und der Fischfang im asowschen Meer hatten die Stadt schnell zur Blüthe gebracht. Ihr Gebiet umfaſste jetzt noch die kleinere Osthälfte der Krim mit Einschluſs der Stadt Theodosia und auf dem gegenüberliegenden asiatischen Continent die Stadt Phanagoria und die sindische Landschaft. In besseren Zeiten hatten die Herren von Pantikapaeon zu Lande die Völker an der Ostküste des asowschen Meeres und das Ku-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/271>, abgerufen am 21.11.2024.