Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES. zeigte sich, was Rom hier versäumt hatte. Den Herren von Pan-tikapaeon waren eben damals die Tributforderungen zu uner- schwinglicher Höhe gesteigert worden; die Stadt Chersonesos sah sich von dem König der taurischen Skythen Skiluros und des- sen funfzig Söhnen hart bedrängt; gern gaben jene ihre Erbherr- schaft, diese die lange bewahrte Freiheit hin um ihr letztes Gut, ihr Hellenenthum, zu retten. Es war nicht umsonst. Mithradates tapfere Feldherrn Diophantos und Neoptolemos und seine disci- plinirten Truppen wurden leicht mit den Steppenvölkern fertig. Neoptolemos schlug sie in der Strasse von Pantikapaeon theils zu Wasser, theils im Winter auf dem Eise; Chersonesos wurde befreit, die Burgen der Taurier gebrochen und durch zweck- mässig angelegte Festungen der Besitz der Halbinsel gesichert. Gegen die Roxolaner (zwischen Dnieper und Don), die den Tau- riern zu Hülfe herbeikamen, zog Diophantos; ihrer 80000 flohen vor seinen 6000 Phalangiten und bis zum Dnieper drangen die pontischen Waffen. So erwarb Mithradates hier sich ein zweites mit dem pontischen verbundenes und gleich diesem wesentlich auf eine Anzahl griechischer Handelsstädte gegründetes König- reich, das bosporanische genannt, das die heutige Krim mit der gegenüberliegenden asiatischen Landspitze umfasste und jährlich 200 Talente (343000 Thlr.) und 180000 Scheffel Getreide in die königlichen Kassen und Magazine lieferte. Die Steppenvölker selbst vom Nordabhang des Kaukasus bis zur Donaumündung traten wenigstens zum grossen Theil ein in Clientel oder doch in Vertrag mit dem pontischen König und boten ihm, wenn nicht andere Hülfe, doch wenigstens einen unerschöpflichen Werbe- platz für seine Armeen. -- Während also gegen Norden die be- deutendsten Erfolge gelangen, griff der König zugleich um sich gegen Osten und Westen. Wichtiger als die Einziehung Klein- armeniens, das durch ihn aus einer abhängigen Herrschaft zum integrirenden Theil des pontischen Reiches ward, war die enge Verbindung, in die er mit dem König von Grossarmenien trat. Er gab dem Tigranes nicht bloss seine Tochter Kleopatra zur Ge- mahlin, sondern er war es auch wesentlich, durch dessen Unter- stützung Tigranes sich der Herrschaft der Arsakiden entwand und ihre Stelle in Asien einnahm; es scheint zwischen beiden ein Einverständniss in der Art getroffen zu sein, dass Tigranes Sy- rien und das innere Asien, Mithradates Kleinasien und das schwarze Meer zu besetzen übernahmen unter Zusage gegen- seitiger Unterstützung, und ohne Zweifel war es der thätigere und fähigere Mithradates, der dies Abkommen hervorrief, um sich DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES. zeigte sich, was Rom hier versäumt hatte. Den Herren von Pan-tikapaeon waren eben damals die Tributforderungen zu uner- schwinglicher Höhe gesteigert worden; die Stadt Chersonesos sah sich von dem König der taurischen Skythen Skiluros und des- sen funfzig Söhnen hart bedrängt; gern gaben jene ihre Erbherr- schaft, diese die lange bewahrte Freiheit hin um ihr letztes Gut, ihr Hellenenthum, zu retten. Es war nicht umsonst. Mithradates tapfere Feldherrn Diophantos und Neoptolemos und seine disci- plinirten Truppen wurden leicht mit den Steppenvölkern fertig. Neoptolemos schlug sie in der Straſse von Pantikapaeon theils zu Wasser, theils im Winter auf dem Eise; Chersonesos wurde befreit, die Burgen der Taurier gebrochen und durch zweck- mäſsig angelegte Festungen der Besitz der Halbinsel gesichert. Gegen die Roxolaner (zwischen Dnieper und Don), die den Tau- riern zu Hülfe herbeikamen, zog Diophantos; ihrer 80000 flohen vor seinen 6000 Phalangiten und bis zum Dnieper drangen die pontischen Waffen. So erwarb Mithradates hier sich ein zweites mit dem pontischen verbundenes und gleich diesem wesentlich auf eine Anzahl griechischer Handelsstädte gegründetes König- reich, das bosporanische genannt, das die heutige Krim mit der gegenüberliegenden asiatischen Landspitze umfaſste und jährlich 200 Talente (343000 Thlr.) und 180000 Scheffel Getreide in die königlichen Kassen und Magazine lieferte. Die Steppenvölker selbst vom Nordabhang des Kaukasus bis zur Donaumündung traten wenigstens zum groſsen Theil ein in Clientel oder doch in Vertrag mit dem pontischen König und boten ihm, wenn nicht andere Hülfe, doch wenigstens einen unerschöpflichen Werbe- platz für seine Armeen. — Während also gegen Norden die be- deutendsten Erfolge gelangen, griff der König zugleich um sich gegen Osten und Westen. Wichtiger als die Einziehung Klein- armeniens, das durch ihn aus einer abhängigen Herrschaft zum integrirenden Theil des pontischen Reiches ward, war die enge Verbindung, in die er mit dem König von Groſsarmenien trat. Er gab dem Tigranes nicht bloſs seine Tochter Kleopatra zur Ge- mahlin, sondern er war es auch wesentlich, durch dessen Unter- stützung Tigranes sich der Herrschaft der Arsakiden entwand und ihre Stelle in Asien einnahm; es scheint zwischen beiden ein Einverständniſs in der Art getroffen zu sein, daſs Tigranes Sy- rien und das innere Asien, Mithradates Kleinasien und das schwarze Meer zu besetzen übernahmen unter Zusage gegen- seitiger Unterstützung, und ohne Zweifel war es der thätigere und fähigere Mithradates, der dies Abkommen hervorrief, um sich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0273" n="263"/><fw place="top" type="header">DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES.</fw><lb/> zeigte sich, was Rom hier versäumt hatte. 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DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES.
zeigte sich, was Rom hier versäumt hatte. Den Herren von Pan-
tikapaeon waren eben damals die Tributforderungen zu uner-
schwinglicher Höhe gesteigert worden; die Stadt Chersonesos
sah sich von dem König der taurischen Skythen Skiluros und des-
sen funfzig Söhnen hart bedrängt; gern gaben jene ihre Erbherr-
schaft, diese die lange bewahrte Freiheit hin um ihr letztes Gut,
ihr Hellenenthum, zu retten. Es war nicht umsonst. Mithradates
tapfere Feldherrn Diophantos und Neoptolemos und seine disci-
plinirten Truppen wurden leicht mit den Steppenvölkern fertig.
Neoptolemos schlug sie in der Straſse von Pantikapaeon theils
zu Wasser, theils im Winter auf dem Eise; Chersonesos wurde
befreit, die Burgen der Taurier gebrochen und durch zweck-
mäſsig angelegte Festungen der Besitz der Halbinsel gesichert.
Gegen die Roxolaner (zwischen Dnieper und Don), die den Tau-
riern zu Hülfe herbeikamen, zog Diophantos; ihrer 80000 flohen
vor seinen 6000 Phalangiten und bis zum Dnieper drangen die
pontischen Waffen. So erwarb Mithradates hier sich ein zweites
mit dem pontischen verbundenes und gleich diesem wesentlich
auf eine Anzahl griechischer Handelsstädte gegründetes König-
reich, das bosporanische genannt, das die heutige Krim mit der
gegenüberliegenden asiatischen Landspitze umfaſste und jährlich
200 Talente (343000 Thlr.) und 180000 Scheffel Getreide in die
königlichen Kassen und Magazine lieferte. Die Steppenvölker
selbst vom Nordabhang des Kaukasus bis zur Donaumündung
traten wenigstens zum groſsen Theil ein in Clientel oder doch in
Vertrag mit dem pontischen König und boten ihm, wenn nicht
andere Hülfe, doch wenigstens einen unerschöpflichen Werbe-
platz für seine Armeen. — Während also gegen Norden die be-
deutendsten Erfolge gelangen, griff der König zugleich um sich
gegen Osten und Westen. Wichtiger als die Einziehung Klein-
armeniens, das durch ihn aus einer abhängigen Herrschaft zum
integrirenden Theil des pontischen Reiches ward, war die enge
Verbindung, in die er mit dem König von Groſsarmenien trat.
Er gab dem Tigranes nicht bloſs seine Tochter Kleopatra zur Ge-
mahlin, sondern er war es auch wesentlich, durch dessen Unter-
stützung Tigranes sich der Herrschaft der Arsakiden entwand
und ihre Stelle in Asien einnahm; es scheint zwischen beiden ein
Einverständniſs in der Art getroffen zu sein, daſs Tigranes Sy-
rien und das innere Asien, Mithradates Kleinasien und das
schwarze Meer zu besetzen übernahmen unter Zusage gegen-
seitiger Unterstützung, und ohne Zweifel war es der thätigere und
fähigere Mithradates, der dies Abkommen hervorrief, um sich
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