Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES. worden war, zog eben dahin in der Hoffnung vor dem Eintreffendes Flaccus eine Hauptschlacht liefern zu können. Vergeblich rieth Archelaos sich hierauf nicht einzulassen, sondern die See und die Küsten besetzt und den Feind hinzuhalten; es blieb bei der Weise der Orientalen, wie geängstete Thiere in die Feuers- brunst, so mit ihren Massen sich rasch und blindlings in den Kampf zu stürzen, wie es einst Dareios und Antiochos gethan. Hier war dies Verfahren thörichter als je angewandt, wo die Asia- ten vielleicht nur einige Monate hätten warten dürfen um bei einer Schlacht zwischen Sulla und Flaccus die Zuschauer abzu- geben. In der Ebene des Kephissos unweit Chaeroneia trafen die Heere auf einander. Selbst mit Einschluss der aus Thessalien zurückgedrängten Abtheilung, der es geglückt war ihre Verbin- dung mit der römischen Hauptarmee zu bewerkstelligen, und mit Einschluss der griechischen Contingente fand sich das römische Heer einem dreifach stärkeren Feind gegenüber und namentlich einer weit überlegenen und bei der Beschaffenheit des Schlachtfel- des sehr gefährlichen Reiterei, gegen die Sulla seine Flanken durch verschanzte Gräben zu decken sich genöthigt sah, so wie er in der Fronte zum Schutz gegen die feindlichen Streitwagen zwischen seiner ersten und zweiten Linie eine Pallisadenkette anbringen liess. Als die Streitwagen den Kampf zu eröffnen heranrollten, zog sich das erste Treffen der Römer hinter diese Pfahlreihe zu- rück; die Wagen, an ihr abprallend und gescheucht durch die römischen Schleuderer und Schützen, warfen sich auf die eigene Linie und brachten Verwirrung sowohl in die makedonische Phalanx wie in das Corps der italischen Flüchtlinge. Archelaos zog eilig seine Reiterei von beiden Flanken herbei und warf sie dem Feinde entgegen um Zeit zu gewinnen seine Infanterie wie- der zu ordnen; sie griff mit grossem Feuer an und durchbrach die römischen Reihen; allein die römische Infanterie formirte sich rasch in geschlossenen Massen und hielt den von allen Sei- ten auf sie anstürmenden Reitern muthig Stand. Inzwischen führte Sulla selbst auf dem rechten Flügel seine Reiterei in die entblösste Flanke des Feindes; die asiatische Infanterie wich, ohne eigentlich zum Schlagen gekommen zu sein und ihr Wei- chen brachte Unruhe auch in die Reitermassen. Ein allgemeiner Angriff des römischen Fussvolks, das durch die schwankende Haltung der feindlichen Reiter wieder Luft bekam, entschied den Sieg. Die Schliessung der Lagerthore, die Archelaos anordnete um die Flucht zu hemmen, bewirkte nur, dass das Blutbad um so grösser ward und als die Thore endlich sich aufthaten die DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES. worden war, zog eben dahin in der Hoffnung vor dem Eintreffendes Flaccus eine Hauptschlacht liefern zu können. Vergeblich rieth Archelaos sich hierauf nicht einzulassen, sondern die See und die Küsten besetzt und den Feind hinzuhalten; es blieb bei der Weise der Orientalen, wie geängstete Thiere in die Feuers- brunst, so mit ihren Massen sich rasch und blindlings in den Kampf zu stürzen, wie es einst Dareios und Antiochos gethan. Hier war dies Verfahren thörichter als je angewandt, wo die Asia- ten vielleicht nur einige Monate hätten warten dürfen um bei einer Schlacht zwischen Sulla und Flaccus die Zuschauer abzu- geben. In der Ebene des Kephissos unweit Chaeroneia trafen die Heere auf einander. Selbst mit Einschluſs der aus Thessalien zurückgedrängten Abtheilung, der es geglückt war ihre Verbin- dung mit der römischen Hauptarmee zu bewerkstelligen, und mit Einschluſs der griechischen Contingente fand sich das römische Heer einem dreifach stärkeren Feind gegenüber und namentlich einer weit überlegenen und bei der Beschaffenheit des Schlachtfel- des sehr gefährlichen Reiterei, gegen die Sulla seine Flanken durch verschanzte Gräben zu decken sich genöthigt sah, so wie er in der Fronte zum Schutz gegen die feindlichen Streitwagen zwischen seiner ersten und zweiten Linie eine Pallisadenkette anbringen lieſs. Als die Streitwagen den Kampf zu eröffnen heranrollten, zog sich das erste Treffen der Römer hinter diese Pfahlreihe zu- rück; die Wagen, an ihr abprallend und gescheucht durch die römischen Schleuderer und Schützen, warfen sich auf die eigene Linie und brachten Verwirrung sowohl in die makedonische Phalanx wie in das Corps der italischen Flüchtlinge. Archelaos zog eilig seine Reiterei von beiden Flanken herbei und warf sie dem Feinde entgegen um Zeit zu gewinnen seine Infanterie wie- der zu ordnen; sie griff mit groſsem Feuer an und durchbrach die römischen Reihen; allein die römische Infanterie formirte sich rasch in geschlossenen Massen und hielt den von allen Sei- ten auf sie anstürmenden Reitern muthig Stand. Inzwischen führte Sulla selbst auf dem rechten Flügel seine Reiterei in die entblöſste Flanke des Feindes; die asiatische Infanterie wich, ohne eigentlich zum Schlagen gekommen zu sein und ihr Wei- chen brachte Unruhe auch in die Reitermassen. Ein allgemeiner Angriff des römischen Fuſsvolks, das durch die schwankende Haltung der feindlichen Reiter wieder Luft bekam, entschied den Sieg. 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DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES.
worden war, zog eben dahin in der Hoffnung vor dem Eintreffen
des Flaccus eine Hauptschlacht liefern zu können. Vergeblich
rieth Archelaos sich hierauf nicht einzulassen, sondern die See
und die Küsten besetzt und den Feind hinzuhalten; es blieb bei
der Weise der Orientalen, wie geängstete Thiere in die Feuers-
brunst, so mit ihren Massen sich rasch und blindlings in den
Kampf zu stürzen, wie es einst Dareios und Antiochos gethan.
Hier war dies Verfahren thörichter als je angewandt, wo die Asia-
ten vielleicht nur einige Monate hätten warten dürfen um bei
einer Schlacht zwischen Sulla und Flaccus die Zuschauer abzu-
geben. In der Ebene des Kephissos unweit Chaeroneia trafen
die Heere auf einander. Selbst mit Einschluſs der aus Thessalien
zurückgedrängten Abtheilung, der es geglückt war ihre Verbin-
dung mit der römischen Hauptarmee zu bewerkstelligen, und mit
Einschluſs der griechischen Contingente fand sich das römische
Heer einem dreifach stärkeren Feind gegenüber und namentlich
einer weit überlegenen und bei der Beschaffenheit des Schlachtfel-
des sehr gefährlichen Reiterei, gegen die Sulla seine Flanken durch
verschanzte Gräben zu decken sich genöthigt sah, so wie er in der
Fronte zum Schutz gegen die feindlichen Streitwagen zwischen
seiner ersten und zweiten Linie eine Pallisadenkette anbringen
lieſs. Als die Streitwagen den Kampf zu eröffnen heranrollten,
zog sich das erste Treffen der Römer hinter diese Pfahlreihe zu-
rück; die Wagen, an ihr abprallend und gescheucht durch die
römischen Schleuderer und Schützen, warfen sich auf die eigene
Linie und brachten Verwirrung sowohl in die makedonische
Phalanx wie in das Corps der italischen Flüchtlinge. Archelaos
zog eilig seine Reiterei von beiden Flanken herbei und warf sie
dem Feinde entgegen um Zeit zu gewinnen seine Infanterie wie-
der zu ordnen; sie griff mit groſsem Feuer an und durchbrach
die römischen Reihen; allein die römische Infanterie formirte
sich rasch in geschlossenen Massen und hielt den von allen Sei-
ten auf sie anstürmenden Reitern muthig Stand. Inzwischen
führte Sulla selbst auf dem rechten Flügel seine Reiterei in die
entblöſste Flanke des Feindes; die asiatische Infanterie wich,
ohne eigentlich zum Schlagen gekommen zu sein und ihr Wei-
chen brachte Unruhe auch in die Reitermassen. Ein allgemeiner
Angriff des römischen Fuſsvolks, das durch die schwankende
Haltung der feindlichen Reiter wieder Luft bekam, entschied den
Sieg. Die Schlieſsung der Lagerthore, die Archelaos anordnete
um die Flucht zu hemmen, bewirkte nur, daſs das Blutbad um
so gröſser ward und als die Thore endlich sich aufthaten die
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