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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES.
auf Italien sich zu werfen gedachte, so dereinst dorthin der Re-
volution zu Hülfe sich wende. Bei Kypsela am Hebros erreichte
Sulla der Bote, der Mithradates Nachgiebigkeit zu melden beauf-
tragt war; allein der Marsch nach Asien ging weiter. Der König,
hiess es, wünsche persönlich mit dem römischen Feldherrn zu-
sammenzutreffen und den Frieden mit ihm abzuschliessen; ver-
muthlich war dies nichts als ein schicklicher Vorwand um das
Heer nach Asien überzuführen und dort mit Fimbria ein Ende zu
machen. So überschritt Sulla, begleitet von seinen Legionen und
von Archelaos, den Hellespont; nachdem er am asiatischen Ufer
desselben in Dardanos mit Mithradates zusammengetroffen war
und mündlich den Vertrag abgeschlossen hatte, liess er den Marsch
fortsetzen, bis er bei Thyateira unweit Pergamon auf das Lager
des Fimbria traf und das seinige hart an demselben schlug. Die
sullanischen Soldaten, an Zahl, Zucht, Führung und Tüchtigkeit
den Fimbrianern weit überlegen, sahen mit Verachtung auf die
verzagten und demoralisirten Haufen und deren unberufenen
Oberfeldherrn. Die Desertionen unter den Fimbrianern wurden
immer zahlreicher. Als Fimbria anzugreifen befahl, weigerten die
Soldaten sich gegen ihre Mitbürger zu fechten, ja sogar den ge-
forderten Eid, treulich im Kampf zusammenzustehen, in seine
Hände abzulegen. Ein Mordversuch auf Sulla schlug fehl; zu der
von Fimbria erbetenen Zusammenkunft erschien Sulla nicht,
sondern begnügte sich ihm durch einen seiner Offiziere eine Aus-
sicht auf persönliche Rettung zu eröffnen. Fimbria war eine fre-
velhafte Natur, aber keine Memme; statt das von Sulla ihm an-
gebotene Schiff anzunehmen und zu den Barbaren zu fliehen,
ging er nach Pergamon und fiel im Tempel des Asklepios in sein
eigenes Schwert. Die Compromittirtesten aus seinem Heer bega-
ben sich zu Mithradates oder zu den Piraten, wo sie bereitwillige
Aufnahme fanden; die Masse stellte sich unter die Befehle Sullas.
-- Sulla beschloss diese beiden Legionen, denen er doch für den
bevorstehenden italischen Krieg nicht traute, in Asien zurückzulas-
sen, wo die entsetzliche Krise noch lange in den einzelnen Städten
und Landschaften nachzitterte. Das Commando über dieses Corps
und die Statthalterschaft im römischen Asien übergab er seinem
besten Offizier Lucius Licinius Murena. Die revolutionären Mass-
regeln Mithradats, wie die Befreiung der Sclaven und die Cassa-
tion der Forderungen, wurden natürlich aufgehoben; eine Re-
stauration, die freilich an vielen Orten nicht ohne Waffengewalt
durchgesetzt werden konnte. Es ward ferner Gerechtigkeit geübt,
wie die Sieger sie verstanden. Die namhaftesten Anhänger Mi-

Röm. Gesch. II. 19

DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES.
auf Italien sich zu werfen gedachte, so dereinst dorthin der Re-
volution zu Hülfe sich wende. Bei Kypsela am Hebros erreichte
Sulla der Bote, der Mithradates Nachgiebigkeit zu melden beauf-
tragt war; allein der Marsch nach Asien ging weiter. Der König,
hieſs es, wünsche persönlich mit dem römischen Feldherrn zu-
sammenzutreffen und den Frieden mit ihm abzuschlieſsen; ver-
muthlich war dies nichts als ein schicklicher Vorwand um das
Heer nach Asien überzuführen und dort mit Fimbria ein Ende zu
machen. So überschritt Sulla, begleitet von seinen Legionen und
von Archelaos, den Hellespont; nachdem er am asiatischen Ufer
desselben in Dardanos mit Mithradates zusammengetroffen war
und mündlich den Vertrag abgeschlossen hatte, lieſs er den Marsch
fortsetzen, bis er bei Thyateira unweit Pergamon auf das Lager
des Fimbria traf und das seinige hart an demselben schlug. Die
sullanischen Soldaten, an Zahl, Zucht, Führung und Tüchtigkeit
den Fimbrianern weit überlegen, sahen mit Verachtung auf die
verzagten und demoralisirten Haufen und deren unberufenen
Oberfeldherrn. Die Desertionen unter den Fimbrianern wurden
immer zahlreicher. Als Fimbria anzugreifen befahl, weigerten die
Soldaten sich gegen ihre Mitbürger zu fechten, ja sogar den ge-
forderten Eid, treulich im Kampf zusammenzustehen, in seine
Hände abzulegen. Ein Mordversuch auf Sulla schlug fehl; zu der
von Fimbria erbetenen Zusammenkunft erschien Sulla nicht,
sondern begnügte sich ihm durch einen seiner Offiziere eine Aus-
sicht auf persönliche Rettung zu eröffnen. Fimbria war eine fre-
velhafte Natur, aber keine Memme; statt das von Sulla ihm an-
gebotene Schiff anzunehmen und zu den Barbaren zu fliehen,
ging er nach Pergamon und fiel im Tempel des Asklepios in sein
eigenes Schwert. Die Compromittirtesten aus seinem Heer bega-
ben sich zu Mithradates oder zu den Piraten, wo sie bereitwillige
Aufnahme fanden; die Masse stellte sich unter die Befehle Sullas.
— Sulla beschloſs diese beiden Legionen, denen er doch für den
bevorstehenden italischen Krieg nicht traute, in Asien zurückzulas-
sen, wo die entsetzliche Krise noch lange in den einzelnen Städten
und Landschaften nachzitterte. Das Commando über dieses Corps
und die Statthalterschaft im römischen Asien übergab er seinem
besten Offizier Lucius Licinius Murena. Die revolutionären Maſs-
regeln Mithradats, wie die Befreiung der Sclaven und die Cassa-
tion der Forderungen, wurden natürlich aufgehoben; eine Re-
stauration, die freilich an vielen Orten nicht ohne Waffengewalt
durchgesetzt werden konnte. Es ward ferner Gerechtigkeit geübt,
wie die Sieger sie verstanden. Die namhaftesten Anhänger Mi-

Röm. Gesch. II. 19
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[289/0299] DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES. auf Italien sich zu werfen gedachte, so dereinst dorthin der Re- volution zu Hülfe sich wende. Bei Kypsela am Hebros erreichte Sulla der Bote, der Mithradates Nachgiebigkeit zu melden beauf- tragt war; allein der Marsch nach Asien ging weiter. Der König, hieſs es, wünsche persönlich mit dem römischen Feldherrn zu- sammenzutreffen und den Frieden mit ihm abzuschlieſsen; ver- muthlich war dies nichts als ein schicklicher Vorwand um das Heer nach Asien überzuführen und dort mit Fimbria ein Ende zu machen. So überschritt Sulla, begleitet von seinen Legionen und von Archelaos, den Hellespont; nachdem er am asiatischen Ufer desselben in Dardanos mit Mithradates zusammengetroffen war und mündlich den Vertrag abgeschlossen hatte, lieſs er den Marsch fortsetzen, bis er bei Thyateira unweit Pergamon auf das Lager des Fimbria traf und das seinige hart an demselben schlug. Die sullanischen Soldaten, an Zahl, Zucht, Führung und Tüchtigkeit den Fimbrianern weit überlegen, sahen mit Verachtung auf die verzagten und demoralisirten Haufen und deren unberufenen Oberfeldherrn. Die Desertionen unter den Fimbrianern wurden immer zahlreicher. Als Fimbria anzugreifen befahl, weigerten die Soldaten sich gegen ihre Mitbürger zu fechten, ja sogar den ge- forderten Eid, treulich im Kampf zusammenzustehen, in seine Hände abzulegen. Ein Mordversuch auf Sulla schlug fehl; zu der von Fimbria erbetenen Zusammenkunft erschien Sulla nicht, sondern begnügte sich ihm durch einen seiner Offiziere eine Aus- sicht auf persönliche Rettung zu eröffnen. Fimbria war eine fre- velhafte Natur, aber keine Memme; statt das von Sulla ihm an- gebotene Schiff anzunehmen und zu den Barbaren zu fliehen, ging er nach Pergamon und fiel im Tempel des Asklepios in sein eigenes Schwert. Die Compromittirtesten aus seinem Heer bega- ben sich zu Mithradates oder zu den Piraten, wo sie bereitwillige Aufnahme fanden; die Masse stellte sich unter die Befehle Sullas. — Sulla beschloſs diese beiden Legionen, denen er doch für den bevorstehenden italischen Krieg nicht traute, in Asien zurückzulas- sen, wo die entsetzliche Krise noch lange in den einzelnen Städten und Landschaften nachzitterte. Das Commando über dieses Corps und die Statthalterschaft im römischen Asien übergab er seinem besten Offizier Lucius Licinius Murena. Die revolutionären Maſs- regeln Mithradats, wie die Befreiung der Sclaven und die Cassa- tion der Forderungen, wurden natürlich aufgehoben; eine Re- stauration, die freilich an vielen Orten nicht ohne Waffengewalt durchgesetzt werden konnte. Es ward ferner Gerechtigkeit geübt, wie die Sieger sie verstanden. Die namhaftesten Anhänger Mi- Röm. Gesch. II. 19

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/299>, abgerufen am 21.11.2024.