Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.DAS GEMEINWESEN UND SEINE OEKONOMIE. selbst, theils in den spanischen auf römischen Fuss geschlage-nen Münzen schon im sechsten Jahrhundert sich eingebürgert (I, 495). Ausser der nicht sehr bedeutenden emporitanisch- rhodischen Münze, die in den Pyrenäen und in Aquitanien gang- bar war, war die einzige im Münzwesen wie im Handel ernstlich mit den Römern concurrirende Stadt im Westen Massalia, das theils durch seine Münzen, theils durch seinen Münzfuss westlich bis nach Aquitanien, östlich über Ligurien und die Po- und Etschthäler herrschte* und gegen Norden zu ohne Concurrenz sich über das barbarische Land verbreitete. Die Römer selbst mussten, als sie in diesem Gebiet sich ansässig machten, dem dort herrschenden System sich bequemen und, um eine für das cisalpinische Gallien brauchbare römische Münze zu haben, die massaliotische Drachme als Victoriatus oder 3/4 Denar in ihr Münz- system einfügen. Aber in dieser Epoche beschränkte Rom wie den massaliotischen Handel durch die Gründung von Narbo, so den massaliotischen Münzfuss durch Wiederabschaffung des Vic- toriatus (nach 637, etwa um 650), wodurch die norditalische Landschaft dem römischen Münzfuss unterworfen ward. Die Romanisirung des unterworfenen Landes äussert fast zuerst sich in der Ausbreitung der römischen Münze. Wie bei solchen ökonomischen Zuständen die socialen Ver- * In der weiten Lücke zwischen Tirol, wo sich bei Trient die letzten
massaliotischen, und Siebenbürgen, wo Münzen von Dyrrhachion und Apol- lonia sich finden, scheinen weder jene, noch diese, noch altrömische vor- zukommen; dagegen erscheinen merkwürdiger Weise hier, z. B. bei Hohen- mauten in Steiermark, bei Kulla in der kroatischen Militärgrenze, ägypti- sche Potinmünzen gemischt mit einzelnen sicilischen und unteritalischen Kupferstücken. Bestand noch im siebenten Jahrhundert hier ein directer Handelsverkehr mit Alexandreia? DAS GEMEINWESEN UND SEINE OEKONOMIE. selbst, theils in den spanischen auf römischen Fuſs geschlage-nen Münzen schon im sechsten Jahrhundert sich eingebürgert (I, 495). Auſser der nicht sehr bedeutenden emporitanisch- rhodischen Münze, die in den Pyrenäen und in Aquitanien gang- bar war, war die einzige im Münzwesen wie im Handel ernstlich mit den Römern concurrirende Stadt im Westen Massalia, das theils durch seine Münzen, theils durch seinen Münzfuſs westlich bis nach Aquitanien, östlich über Ligurien und die Po- und Etschthäler herrschte* und gegen Norden zu ohne Concurrenz sich über das barbarische Land verbreitete. Die Römer selbst muſsten, als sie in diesem Gebiet sich ansässig machten, dem dort herrschenden System sich bequemen und, um eine für das cisalpinische Gallien brauchbare römische Münze zu haben, die massaliotische Drachme als Victoriatus oder ¾ Denar in ihr Münz- system einfügen. Aber in dieser Epoche beschränkte Rom wie den massaliotischen Handel durch die Gründung von Narbo, so den massaliotischen Münzfuſs durch Wiederabschaffung des Vic- toriatus (nach 637, etwa um 650), wodurch die norditalische Landschaft dem römischen Münzfuſs unterworfen ward. Die Romanisirung des unterworfenen Landes äuſsert fast zuerst sich in der Ausbreitung der römischen Münze. Wie bei solchen ökonomischen Zuständen die socialen Ver- * In der weiten Lücke zwischen Tirol, wo sich bei Trient die letzten
massaliotischen, und Siebenbürgen, wo Münzen von Dyrrhachion und Apol- lonia sich finden, scheinen weder jene, noch diese, noch altrömische vor- zukommen; dagegen erscheinen merkwürdiger Weise hier, z. B. bei Hohen- mauten in Steiermark, bei Kulla in der kroatischen Militärgrenze, ägypti- sche Potinmünzen gemischt mit einzelnen sicilischen und unteritalischen Kupferstücken. Bestand noch im siebenten Jahrhundert hier ein directer Handelsverkehr mit Alexandreia? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0391" n="381"/><fw place="top" type="header">DAS GEMEINWESEN UND SEINE OEKONOMIE.</fw><lb/> selbst, theils in den spanischen auf römischen Fuſs geschlage-<lb/> nen Münzen schon im sechsten Jahrhundert sich eingebürgert<lb/> (I, 495). Auſser der nicht sehr bedeutenden emporitanisch-<lb/> rhodischen Münze, die in den Pyrenäen und in Aquitanien gang-<lb/> bar war, war die einzige im Münzwesen wie im Handel ernstlich<lb/> mit den Römern concurrirende Stadt im Westen Massalia, das<lb/> theils durch seine Münzen, theils durch seinen Münzfuſs westlich<lb/> bis nach Aquitanien, östlich über Ligurien und die Po- und<lb/> Etschthäler herrschte<note place="foot" n="*">In der weiten Lücke zwischen Tirol, wo sich bei Trient die letzten<lb/> massaliotischen, und Siebenbürgen, wo Münzen von Dyrrhachion und Apol-<lb/> lonia sich finden, scheinen weder jene, noch diese, noch altrömische vor-<lb/> zukommen; dagegen erscheinen merkwürdiger Weise hier, z. B. bei Hohen-<lb/> mauten in Steiermark, bei Kulla in der kroatischen Militärgrenze, ägypti-<lb/> sche Potinmünzen gemischt mit einzelnen sicilischen und unteritalischen<lb/> Kupferstücken. Bestand noch im siebenten Jahrhundert hier ein directer<lb/> Handelsverkehr mit Alexandreia?</note> und gegen Norden zu ohne Concurrenz<lb/> sich über das barbarische Land verbreitete. Die Römer selbst<lb/> muſsten, als sie in diesem Gebiet sich ansässig machten, dem<lb/> dort herrschenden System sich bequemen und, um eine für das<lb/> cisalpinische Gallien brauchbare römische Münze zu haben, die<lb/> massaliotische Drachme als Victoriatus oder ¾ Denar in ihr Münz-<lb/> system einfügen. Aber in dieser Epoche beschränkte Rom wie<lb/> den massaliotischen Handel durch die Gründung von Narbo, so<lb/> den massaliotischen Münzfuſs durch Wiederabschaffung des Vic-<lb/> toriatus (nach 637, etwa um 650), wodurch die norditalische<lb/> Landschaft dem römischen Münzfuſs unterworfen ward. Die<lb/> Romanisirung des unterworfenen Landes äuſsert fast zuerst sich<lb/> in der Ausbreitung der römischen Münze.</p><lb/> <p>Wie bei solchen ökonomischen Zuständen die socialen Ver-<lb/> hältnisse sich gestalten muſsten, ist im Allgemeinen leicht zu er-<lb/> messen, im Besondern zu verfolgen weder sehr erfreulich noch<lb/> sehr lehrreich. Verschwendung und sinnlicher Genuſs war die<lb/> Losung überall, bei den Parvenus so gut wie bei den Liciniern<lb/> und Metellern; nicht der feine Luxus, der die Blüthe der Civili-<lb/> sation ist, sondern derjenige, der in der verkommenden helle-<lb/> nischen Civilisation in Kleinasien und Alexandreia sich entwickelt<lb/> hatte, der alles Schöne und Bedeutende zur Decoration entadelte<lb/> und auf den Genuſs studirte mit einer mühseligen Pedanterie,<lb/> einer zopfigen Diftelei, die ihn dem sinnlich wie dem geistig<lb/> frischen Menschen gleich ekelhaft macht. In den Spielen erlan-<lb/> gen die Thierhetzen eine steigende Bedeutung; um 651 erschei-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [381/0391]
DAS GEMEINWESEN UND SEINE OEKONOMIE.
selbst, theils in den spanischen auf römischen Fuſs geschlage-
nen Münzen schon im sechsten Jahrhundert sich eingebürgert
(I, 495). Auſser der nicht sehr bedeutenden emporitanisch-
rhodischen Münze, die in den Pyrenäen und in Aquitanien gang-
bar war, war die einzige im Münzwesen wie im Handel ernstlich
mit den Römern concurrirende Stadt im Westen Massalia, das
theils durch seine Münzen, theils durch seinen Münzfuſs westlich
bis nach Aquitanien, östlich über Ligurien und die Po- und
Etschthäler herrschte * und gegen Norden zu ohne Concurrenz
sich über das barbarische Land verbreitete. Die Römer selbst
muſsten, als sie in diesem Gebiet sich ansässig machten, dem
dort herrschenden System sich bequemen und, um eine für das
cisalpinische Gallien brauchbare römische Münze zu haben, die
massaliotische Drachme als Victoriatus oder ¾ Denar in ihr Münz-
system einfügen. Aber in dieser Epoche beschränkte Rom wie
den massaliotischen Handel durch die Gründung von Narbo, so
den massaliotischen Münzfuſs durch Wiederabschaffung des Vic-
toriatus (nach 637, etwa um 650), wodurch die norditalische
Landschaft dem römischen Münzfuſs unterworfen ward. Die
Romanisirung des unterworfenen Landes äuſsert fast zuerst sich
in der Ausbreitung der römischen Münze.
Wie bei solchen ökonomischen Zuständen die socialen Ver-
hältnisse sich gestalten muſsten, ist im Allgemeinen leicht zu er-
messen, im Besondern zu verfolgen weder sehr erfreulich noch
sehr lehrreich. Verschwendung und sinnlicher Genuſs war die
Losung überall, bei den Parvenus so gut wie bei den Liciniern
und Metellern; nicht der feine Luxus, der die Blüthe der Civili-
sation ist, sondern derjenige, der in der verkommenden helle-
nischen Civilisation in Kleinasien und Alexandreia sich entwickelt
hatte, der alles Schöne und Bedeutende zur Decoration entadelte
und auf den Genuſs studirte mit einer mühseligen Pedanterie,
einer zopfigen Diftelei, die ihn dem sinnlich wie dem geistig
frischen Menschen gleich ekelhaft macht. In den Spielen erlan-
gen die Thierhetzen eine steigende Bedeutung; um 651 erschei-
* In der weiten Lücke zwischen Tirol, wo sich bei Trient die letzten
massaliotischen, und Siebenbürgen, wo Münzen von Dyrrhachion und Apol-
lonia sich finden, scheinen weder jene, noch diese, noch altrömische vor-
zukommen; dagegen erscheinen merkwürdiger Weise hier, z. B. bei Hohen-
mauten in Steiermark, bei Kulla in der kroatischen Militärgrenze, ägypti-
sche Potinmünzen gemischt mit einzelnen sicilischen und unteritalischen
Kupferstücken. Bestand noch im siebenten Jahrhundert hier ein directer
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