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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN.
waren. Desshalb meinte der Senat die Zeit gekommen, wo er
den unaufhörlich wiederholten Bitten des achäischen Bundes
um Rücksendung der in Italien confinirten Patrioten (I, 596)
statt geben und die noch übrigen entlassen könne. So kehrten
dieselben nach siebzehnjähriger Verbannung im J. 604 in ihre
Heimath zurück. Es charakterisirt die ganze Nation, dass einer
der verständigsten dieser Achäer, Polybios des Lykortas Sohn,
ein vertrauter Genosse des Scipio Aemilianus und wohl in die
Lage gesetzt den Unterschied zwischen kleinstädtischer Rivalität
und politischem Antagonismus mit Händen zu greifen, sich es
nach seiner Entlassung noch förmlich vom Senat verbriefen lassen
wollte, dass daheim den Verbannten der ehemalige Rang wieder
zustehen solle. Nicht unrichtig meinte Cato, das komme ihm vor,
als wenn Odysseus noch einmal umkehre nach der Höhle des Po-
lyphemos um sich Hut und Gürtel von ihm auszubitten. Bald
sollte man erfahren, dass die jüngere Generation nur auf eine Ge-
legenheit wartete die Thorheiten der älteren zu wiederholen. Um
einen schmutzigen Handel zu bedecken warf um das J. 605 der
zeitige Vorstand der achäischen Eidgenossenschaft Diaeos auf
der Tagsatzung die Behauptung hin, dass die den Lakedaemoniern
als Gliedern der achäischen Eidgenossenschaft zugestandenen
Sonderrechte, die Befreiung der Lakedämonier von der achäi-
schen Criminaljurisdiction und das Recht Sondergesandtschaften
nach Rom zu schicken, keineswegs ihnen von den Römern ge-
währleistet seien. Es war eine freche Lüge; allein die Tagsatzung
glaubte natürlich bereitwillig was sie wünschte, und da sich die
Achäer bereit zeigten ihre Behauptung mit den Waffen in der
Hand wahr zu machen, gaben die schwächeren Spartaner vor-
läufig nach oder vielmehr diejenigen, deren Auslieferung von den
Achäern begehrt ward, verliessen die Stadt um als Kläger im Se-
nat aufzutreten. Der Senat antwortete wie gewöhnlich, dass er
eine Commission zur Untersuchung der Sache senden werde;
allein die Boten berichteten statt dessen, in Achaia wie in Sparta,
und beide falsch, dass der Senat zu ihren Gunsten entschieden
habe. Die Achäer, die wegen der so eben in Thessalien geleiste-
ten Bundeshülfe gegen den falschen Philippos sich mehr als je
in bundesgenössischer Gleichheit und politischer Gewichtigkeit
fühlten, rückten im J. 606 unter ihrem Strategen Damokritos in
Lakonike ein; vergeblich mahnte, von Metellus aufgefordert, eine
nach Asien durchpassirende römische Gesandtschaft in Frieden
die Commissarien des Senats zu erwarten. Eine Schlacht ward
geliefert, in der bei 1000 Spartaner fielen und Sparta hätte ge-

DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN.
waren. Deſshalb meinte der Senat die Zeit gekommen, wo er
den unaufhörlich wiederholten Bitten des achäischen Bundes
um Rücksendung der in Italien confinirten Patrioten (I, 596)
statt geben und die noch übrigen entlassen könne. So kehrten
dieselben nach siebzehnjähriger Verbannung im J. 604 in ihre
Heimath zurück. Es charakterisirt die ganze Nation, daſs einer
der verständigsten dieser Achäer, Polybios des Lykortas Sohn,
ein vertrauter Genosse des Scipio Aemilianus und wohl in die
Lage gesetzt den Unterschied zwischen kleinstädtischer Rivalität
und politischem Antagonismus mit Händen zu greifen, sich es
nach seiner Entlassung noch förmlich vom Senat verbriefen lassen
wollte, daſs daheim den Verbannten der ehemalige Rang wieder
zustehen solle. Nicht unrichtig meinte Cato, das komme ihm vor,
als wenn Odysseus noch einmal umkehre nach der Höhle des Po-
lyphemos um sich Hut und Gürtel von ihm auszubitten. Bald
sollte man erfahren, daſs die jüngere Generation nur auf eine Ge-
legenheit wartete die Thorheiten der älteren zu wiederholen. Um
einen schmutzigen Handel zu bedecken warf um das J. 605 der
zeitige Vorstand der achäischen Eidgenossenschaft Diaeos auf
der Tagsatzung die Behauptung hin, daſs die den Lakedaemoniern
als Gliedern der achäischen Eidgenossenschaft zugestandenen
Sonderrechte, die Befreiung der Lakedämonier von der achäi-
schen Criminaljurisdiction und das Recht Sondergesandtschaften
nach Rom zu schicken, keineswegs ihnen von den Römern ge-
währleistet seien. Es war eine freche Lüge; allein die Tagsatzung
glaubte natürlich bereitwillig was sie wünschte, und da sich die
Achäer bereit zeigten ihre Behauptung mit den Waffen in der
Hand wahr zu machen, gaben die schwächeren Spartaner vor-
läufig nach oder vielmehr diejenigen, deren Auslieferung von den
Achäern begehrt ward, verlieſsen die Stadt um als Kläger im Se-
nat aufzutreten. Der Senat antwortete wie gewöhnlich, daſs er
eine Commission zur Untersuchung der Sache senden werde;
allein die Boten berichteten statt dessen, in Achaia wie in Sparta,
und beide falsch, daſs der Senat zu ihren Gunsten entschieden
habe. Die Achäer, die wegen der so eben in Thessalien geleiste-
ten Bundeshülfe gegen den falschen Philippos sich mehr als je
in bundesgenössischer Gleichheit und politischer Gewichtigkeit
fühlten, rückten im J. 606 unter ihrem Strategen Damokritos in
Lakonike ein; vergeblich mahnte, von Metellus aufgefordert, eine
nach Asien durchpassirende römische Gesandtschaft in Frieden
die Commissarien des Senats zu erwarten. Eine Schlacht ward
geliefert, in der bei 1000 Spartaner fielen und Sparta hätte ge-

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[41/0051] DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN. waren. Deſshalb meinte der Senat die Zeit gekommen, wo er den unaufhörlich wiederholten Bitten des achäischen Bundes um Rücksendung der in Italien confinirten Patrioten (I, 596) statt geben und die noch übrigen entlassen könne. So kehrten dieselben nach siebzehnjähriger Verbannung im J. 604 in ihre Heimath zurück. Es charakterisirt die ganze Nation, daſs einer der verständigsten dieser Achäer, Polybios des Lykortas Sohn, ein vertrauter Genosse des Scipio Aemilianus und wohl in die Lage gesetzt den Unterschied zwischen kleinstädtischer Rivalität und politischem Antagonismus mit Händen zu greifen, sich es nach seiner Entlassung noch förmlich vom Senat verbriefen lassen wollte, daſs daheim den Verbannten der ehemalige Rang wieder zustehen solle. Nicht unrichtig meinte Cato, das komme ihm vor, als wenn Odysseus noch einmal umkehre nach der Höhle des Po- lyphemos um sich Hut und Gürtel von ihm auszubitten. Bald sollte man erfahren, daſs die jüngere Generation nur auf eine Ge- legenheit wartete die Thorheiten der älteren zu wiederholen. Um einen schmutzigen Handel zu bedecken warf um das J. 605 der zeitige Vorstand der achäischen Eidgenossenschaft Diaeos auf der Tagsatzung die Behauptung hin, daſs die den Lakedaemoniern als Gliedern der achäischen Eidgenossenschaft zugestandenen Sonderrechte, die Befreiung der Lakedämonier von der achäi- schen Criminaljurisdiction und das Recht Sondergesandtschaften nach Rom zu schicken, keineswegs ihnen von den Römern ge- währleistet seien. Es war eine freche Lüge; allein die Tagsatzung glaubte natürlich bereitwillig was sie wünschte, und da sich die Achäer bereit zeigten ihre Behauptung mit den Waffen in der Hand wahr zu machen, gaben die schwächeren Spartaner vor- läufig nach oder vielmehr diejenigen, deren Auslieferung von den Achäern begehrt ward, verlieſsen die Stadt um als Kläger im Se- nat aufzutreten. Der Senat antwortete wie gewöhnlich, daſs er eine Commission zur Untersuchung der Sache senden werde; allein die Boten berichteten statt dessen, in Achaia wie in Sparta, und beide falsch, daſs der Senat zu ihren Gunsten entschieden habe. Die Achäer, die wegen der so eben in Thessalien geleiste- ten Bundeshülfe gegen den falschen Philippos sich mehr als je in bundesgenössischer Gleichheit und politischer Gewichtigkeit fühlten, rückten im J. 606 unter ihrem Strategen Damokritos in Lakonike ein; vergeblich mahnte, von Metellus aufgefordert, eine nach Asien durchpassirende römische Gesandtschaft in Frieden die Commissarien des Senats zu erwarten. Eine Schlacht ward geliefert, in der bei 1000 Spartaner fielen und Sparta hätte ge-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/51>, abgerufen am 21.11.2024.