Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.VIERTES BUCH. KAPITEL I. nommen werden können, wenn Damokritos nicht als Offiziereben so untüchtig gewesen wäre wie als Staatsmann. Er ward abgesetzt und sein Nachfolger Diaeos, der Anstifter all dieses Unfugs, setzte den Krieg eifrig fort, während er gleichzeitig den gefürchteten Commandanten in Makedonien der vollen Bot- mässigkeit der achäischen Eidgenossenschaft versichern liess. Darüber erschien die lange erwartete römische Commission, an ihrer Spitze Aurelius Orestes; nun ruhten die Waffen und die achäische Tagsatzung versammelte sich in Korinth um ihre Er- öffnungen entgegenzunehmen. Sie waren unerwarteter und un- erfreulicher Art. Die Römer hatten sich entschlossen die unna- türliche und usurpirte (I, 565) Einreihung Spartas unter die achäischen Staaten aufzulösen und überhaupt gegen die Achäer durchzugreifen. Schon einige Jahre zuvor (591) hatten diesel- ben die aetolische Stadt Pleuron (I, 565) aus ihrem Bund ent- lassen müssen; jetzt wurden sie angewiesen auf sämmtliche von dem zweiten makedonischen Krieg an gemachte Erwerbungen, das heisst auf Korinth, Orchomenos, Argos, Sparta im Pelopon- nes und Herakleia am Oeta zu verzichten und ihren Bund wieder auf den Bestand am Ende des hannibalischen Krieges zurückzu- führen. Wie dies die achäischen Abgeordneten vernahmen, stürmten sie sofort auf den Markt, ohne die Römer auch nur aus- zuhören, und theilten die römischen Forderungen der Menge mit, worauf der regierende und der regierte Pöbel einhellig beschloss zu allervörderst sämmtliche in Korinth anwesende Lakedaemonier festzusetzen, da ja Sparta ihnen diese Noth zu Wege gebracht habe. Die Verhaftung erfolgte denn auch in der tumultuarisch- sten Weise, so dass Lakonernamen oder Lakonerschuhe als hin- reichende Einsperrungsgründe erschienen; ja man drang sogar in die Wohnungen der römischen Gesandten, um die dorthin ge- flüchteten Lakedaemonier festzunehmen, und es fielen gegen die Rö- mer harte Reden, obgleich man sich an ihrer Person nicht vergriff. Indignirt kehrten dieselben heim und führten bittere, selbst über- triebene Beschwerde im Senat; dennoch beschränkte sich dieser mit derselben Mässigung, die all seine Massregeln gegen die Grie- chen bezeichnet, zunächst auf Vorstellungen. In der mildesten Form und der Genugthuung für die erlittenen Beleidigungen kaum erwähnend wiederholte Sextus Julius Caesar auf der Tag- satzung in Aegion (Frühling 607) die Befehle der Römer. Aber die weisen und politisch wohlunterrichteten Leiter der Dinge in Achaia, an ihrer Spitze der neue Strateg Kritolaos (Strateg Mai 607 bis Mai 608), zogen daraus bloss den Schluss, dass die rö- VIERTES BUCH. KAPITEL I. nommen werden können, wenn Damokritos nicht als Offiziereben so untüchtig gewesen wäre wie als Staatsmann. Er ward abgesetzt und sein Nachfolger Diaeos, der Anstifter all dieses Unfugs, setzte den Krieg eifrig fort, während er gleichzeitig den gefürchteten Commandanten in Makedonien der vollen Bot- mäſsigkeit der achäischen Eidgenossenschaft versichern lieſs. Darüber erschien die lange erwartete römische Commission, an ihrer Spitze Aurelius Orestes; nun ruhten die Waffen und die achäische Tagsatzung versammelte sich in Korinth um ihre Er- öffnungen entgegenzunehmen. Sie waren unerwarteter und un- erfreulicher Art. Die Römer hatten sich entschlossen die unna- türliche und usurpirte (I, 565) Einreihung Spartas unter die achäischen Staaten aufzulösen und überhaupt gegen die Achäer durchzugreifen. Schon einige Jahre zuvor (591) hatten diesel- ben die aetolische Stadt Pleuron (I, 565) aus ihrem Bund ent- lassen müssen; jetzt wurden sie angewiesen auf sämmtliche von dem zweiten makedonischen Krieg an gemachte Erwerbungen, das heiſst auf Korinth, Orchomenos, Argos, Sparta im Pelopon- nes und Herakleia am Oeta zu verzichten und ihren Bund wieder auf den Bestand am Ende des hannibalischen Krieges zurückzu- führen. Wie dies die achäischen Abgeordneten vernahmen, stürmten sie sofort auf den Markt, ohne die Römer auch nur aus- zuhören, und theilten die römischen Forderungen der Menge mit, worauf der regierende und der regierte Pöbel einhellig beschloſs zu allervörderst sämmtliche in Korinth anwesende Lakedaemonier festzusetzen, da ja Sparta ihnen diese Noth zu Wege gebracht habe. Die Verhaftung erfolgte denn auch in der tumultuarisch- sten Weise, so daſs Lakonernamen oder Lakonerschuhe als hin- reichende Einsperrungsgründe erschienen; ja man drang sogar in die Wohnungen der römischen Gesandten, um die dorthin ge- flüchteten Lakedaemonier festzunehmen, und es fielen gegen die Rö- mer harte Reden, obgleich man sich an ihrer Person nicht vergriff. Indignirt kehrten dieselben heim und führten bittere, selbst über- triebene Beschwerde im Senat; dennoch beschränkte sich dieser mit derselben Mäſsigung, die all seine Maſsregeln gegen die Grie- chen bezeichnet, zunächst auf Vorstellungen. In der mildesten Form und der Genugthuung für die erlittenen Beleidigungen kaum erwähnend wiederholte Sextus Julius Caesar auf der Tag- satzung in Aegion (Frühling 607) die Befehle der Römer. Aber die weisen und politisch wohlunterrichteten Leiter der Dinge in Achaia, an ihrer Spitze der neue Strateg Kritolaos (Strateg Mai 607 bis Mai 608), zogen daraus bloſs den Schluſs, daſs die rö- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0052" n="42"/><fw place="top" type="header">VIERTES BUCH. KAPITEL I.</fw><lb/> nommen werden können, wenn Damokritos nicht als Offizier<lb/> eben so untüchtig gewesen wäre wie als Staatsmann. Er ward<lb/> abgesetzt und sein Nachfolger Diaeos, der Anstifter all dieses<lb/> Unfugs, setzte den Krieg eifrig fort, während er gleichzeitig den<lb/> gefürchteten Commandanten in Makedonien der vollen Bot-<lb/> mäſsigkeit der achäischen Eidgenossenschaft versichern lieſs.<lb/> Darüber erschien die lange erwartete römische Commission, an<lb/> ihrer Spitze Aurelius Orestes; nun ruhten die Waffen und die<lb/> achäische Tagsatzung versammelte sich in Korinth um ihre Er-<lb/> öffnungen entgegenzunehmen. 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VIERTES BUCH. KAPITEL I.
nommen werden können, wenn Damokritos nicht als Offizier
eben so untüchtig gewesen wäre wie als Staatsmann. Er ward
abgesetzt und sein Nachfolger Diaeos, der Anstifter all dieses
Unfugs, setzte den Krieg eifrig fort, während er gleichzeitig den
gefürchteten Commandanten in Makedonien der vollen Bot-
mäſsigkeit der achäischen Eidgenossenschaft versichern lieſs.
Darüber erschien die lange erwartete römische Commission, an
ihrer Spitze Aurelius Orestes; nun ruhten die Waffen und die
achäische Tagsatzung versammelte sich in Korinth um ihre Er-
öffnungen entgegenzunehmen. Sie waren unerwarteter und un-
erfreulicher Art. Die Römer hatten sich entschlossen die unna-
türliche und usurpirte (I, 565) Einreihung Spartas unter die
achäischen Staaten aufzulösen und überhaupt gegen die Achäer
durchzugreifen. Schon einige Jahre zuvor (591) hatten diesel-
ben die aetolische Stadt Pleuron (I, 565) aus ihrem Bund ent-
lassen müssen; jetzt wurden sie angewiesen auf sämmtliche von
dem zweiten makedonischen Krieg an gemachte Erwerbungen,
das heiſst auf Korinth, Orchomenos, Argos, Sparta im Pelopon-
nes und Herakleia am Oeta zu verzichten und ihren Bund wieder
auf den Bestand am Ende des hannibalischen Krieges zurückzu-
führen. Wie dies die achäischen Abgeordneten vernahmen,
stürmten sie sofort auf den Markt, ohne die Römer auch nur aus-
zuhören, und theilten die römischen Forderungen der Menge mit,
worauf der regierende und der regierte Pöbel einhellig beschloſs
zu allervörderst sämmtliche in Korinth anwesende Lakedaemonier
festzusetzen, da ja Sparta ihnen diese Noth zu Wege gebracht
habe. Die Verhaftung erfolgte denn auch in der tumultuarisch-
sten Weise, so daſs Lakonernamen oder Lakonerschuhe als hin-
reichende Einsperrungsgründe erschienen; ja man drang sogar
in die Wohnungen der römischen Gesandten, um die dorthin ge-
flüchteten Lakedaemonier festzunehmen, und es fielen gegen die Rö-
mer harte Reden, obgleich man sich an ihrer Person nicht vergriff.
Indignirt kehrten dieselben heim und führten bittere, selbst über-
triebene Beschwerde im Senat; dennoch beschränkte sich dieser
mit derselben Mäſsigung, die all seine Maſsregeln gegen die Grie-
chen bezeichnet, zunächst auf Vorstellungen. In der mildesten
Form und der Genugthuung für die erlittenen Beleidigungen
kaum erwähnend wiederholte Sextus Julius Caesar auf der Tag-
satzung in Aegion (Frühling 607) die Befehle der Römer. Aber
die weisen und politisch wohlunterrichteten Leiter der Dinge in
Achaia, an ihrer Spitze der neue Strateg Kritolaos (Strateg Mai
607 bis Mai 608), zogen daraus bloſs den Schluſs, daſs die rö-
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