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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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VIERTES BUCH. KAPITEL I.
beiden Kappadokien und der beiden Armenien, des eigentlichen
Armenien im Nordosten und der Landschaft Sophene im Süd-
westen, und ihre Verwandlung in selbstständige Königreiche aus
syrischen Lehnsfürstenthümern, gehört dieser Zeit an. Von
diesen Staaten gelangte namentlich Grossarmenien, das unter
Artaxias zur Zeit Antiochos des Grossen sich losriss, bald zu
einer ansehnlichen Stellung. Vielleicht noch gefährlichere Wun-
den schlug dem Reiche seines Nachfolgers Antiochos Epiphanes
thörichte Nivellirungspolitik. So richtig es auch war, dass sein
Reich mehr einem Länderbündel als einem Staate glich und dass
die Verschiedenheit der Nationalitäten und Religionen seiner Un-
terthanen das wesentlichste Hinderniss für die Regierung war, so
war doch der Plan römische Weise und römischen Cultus überall
in seinem Lande einzuführen und vor allem seine Völker in poli-
tischer wie in religiöser Hinsicht auszugleichen unter allen Um-
ständen eine Thorheit, auch abgesehen davon, dass dieser karri-
kirte Joseph II persönlich einem solchen gigantischen Beginnen
nichts weniger als gewachsen war und durch Tempelplünderung
im grossartigsten Massstab und die tollste Ketzerverfolgung seine
Reformen einzuleiten versuchte. Die eine Folge hievon war, dass
die Bewohner der Grenzprovinz gegen Aegypten, die Juden,
sonst bis zur Demüthigkeit fügsame und äusserst thätige und be-
triebsame Leute, durch den systematischen Religionszwang zur
offenen Empörung gedrängt wurden (um 587). Schon um 593
erkannte der römische Senat ohne Schwierigkeit die Freiheit
und Autonomie der insurgirten Nation an; da er eben damals
theils gegen Demetrios Soter mit gutem Grund erbittert war,
theils eine Verbindung der Attaliden und der Seleukiden besorgte,
überhaupt aber die Herstellung einer Mittelmacht zwischen Sy-
rien und Aegypten im Interesse Roms lag, war man im Senat den
Juden geneigt. Indess begünstigte man den Aufstand doch nur in-
soweit es geschehen konnte ohne sich selber zu bemühen; trotz
der Clausel des zwischen den Römern und den Juden abgeschlos-
senen Vertrags, die den Juden im Fall sie angegriffen würden den
Beistand Roms versprach, und trotz des an die Könige von Syrien
und Aegypten gerichteten Verbots ihre Truppen durch das jüdi-
sche Land zu führen blieb es natürlich lediglich den Juden selbst
überlassen der syrischen Könige sich zu erwehren. Mehr als die
Briefe ihrer mächtigen Verbündeten that für sie die tapfere und
umsichtige Leitung des Aufstandes durch das Heldengeschlecht
der Makkabaeer und die innere Zerrissenheit des syrischen Rei-
ches: während des Haders zwischen den syrischen Königen Try-

VIERTES BUCH. KAPITEL I.
beiden Kappadokien und der beiden Armenien, des eigentlichen
Armenien im Nordosten und der Landschaft Sophene im Süd-
westen, und ihre Verwandlung in selbstständige Königreiche aus
syrischen Lehnsfürstenthümern, gehört dieser Zeit an. Von
diesen Staaten gelangte namentlich Groſsarmenien, das unter
Artaxias zur Zeit Antiochos des Groſsen sich losriſs, bald zu
einer ansehnlichen Stellung. Vielleicht noch gefährlichere Wun-
den schlug dem Reiche seines Nachfolgers Antiochos Epiphanes
thörichte Nivellirungspolitik. So richtig es auch war, daſs sein
Reich mehr einem Länderbündel als einem Staate glich und daſs
die Verschiedenheit der Nationalitäten und Religionen seiner Un-
terthanen das wesentlichste Hinderniſs für die Regierung war, so
war doch der Plan römische Weise und römischen Cultus überall
in seinem Lande einzuführen und vor allem seine Völker in poli-
tischer wie in religiöser Hinsicht auszugleichen unter allen Um-
ständen eine Thorheit, auch abgesehen davon, daſs dieser karri-
kirte Joseph II persönlich einem solchen gigantischen Beginnen
nichts weniger als gewachsen war und durch Tempelplünderung
im groſsartigsten Maſsstab und die tollste Ketzerverfolgung seine
Reformen einzuleiten versuchte. Die eine Folge hievon war, daſs
die Bewohner der Grenzprovinz gegen Aegypten, die Juden,
sonst bis zur Demüthigkeit fügsame und äuſserst thätige und be-
triebsame Leute, durch den systematischen Religionszwang zur
offenen Empörung gedrängt wurden (um 587). Schon um 593
erkannte der römische Senat ohne Schwierigkeit die Freiheit
und Autonomie der insurgirten Nation an; da er eben damals
theils gegen Demetrios Soter mit gutem Grund erbittert war,
theils eine Verbindung der Attaliden und der Seleukiden besorgte,
überhaupt aber die Herstellung einer Mittelmacht zwischen Sy-
rien und Aegypten im Interesse Roms lag, war man im Senat den
Juden geneigt. Indeſs begünstigte man den Aufstand doch nur in-
soweit es geschehen konnte ohne sich selber zu bemühen; trotz
der Clausel des zwischen den Römern und den Juden abgeschlos-
senen Vertrags, die den Juden im Fall sie angegriffen würden den
Beistand Roms versprach, und trotz des an die Könige von Syrien
und Aegypten gerichteten Verbots ihre Truppen durch das jüdi-
sche Land zu führen blieb es natürlich lediglich den Juden selbst
überlassen der syrischen Könige sich zu erwehren. Mehr als die
Briefe ihrer mächtigen Verbündeten that für sie die tapfere und
umsichtige Leitung des Aufstandes durch das Heldengeschlecht
der Makkabaeer und die innere Zerrissenheit des syrischen Rei-
ches: während des Haders zwischen den syrischen Königen Try-

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[56/0066] VIERTES BUCH. KAPITEL I. beiden Kappadokien und der beiden Armenien, des eigentlichen Armenien im Nordosten und der Landschaft Sophene im Süd- westen, und ihre Verwandlung in selbstständige Königreiche aus syrischen Lehnsfürstenthümern, gehört dieser Zeit an. Von diesen Staaten gelangte namentlich Groſsarmenien, das unter Artaxias zur Zeit Antiochos des Groſsen sich losriſs, bald zu einer ansehnlichen Stellung. Vielleicht noch gefährlichere Wun- den schlug dem Reiche seines Nachfolgers Antiochos Epiphanes thörichte Nivellirungspolitik. So richtig es auch war, daſs sein Reich mehr einem Länderbündel als einem Staate glich und daſs die Verschiedenheit der Nationalitäten und Religionen seiner Un- terthanen das wesentlichste Hinderniſs für die Regierung war, so war doch der Plan römische Weise und römischen Cultus überall in seinem Lande einzuführen und vor allem seine Völker in poli- tischer wie in religiöser Hinsicht auszugleichen unter allen Um- ständen eine Thorheit, auch abgesehen davon, daſs dieser karri- kirte Joseph II persönlich einem solchen gigantischen Beginnen nichts weniger als gewachsen war und durch Tempelplünderung im groſsartigsten Maſsstab und die tollste Ketzerverfolgung seine Reformen einzuleiten versuchte. Die eine Folge hievon war, daſs die Bewohner der Grenzprovinz gegen Aegypten, die Juden, sonst bis zur Demüthigkeit fügsame und äuſserst thätige und be- triebsame Leute, durch den systematischen Religionszwang zur offenen Empörung gedrängt wurden (um 587). Schon um 593 erkannte der römische Senat ohne Schwierigkeit die Freiheit und Autonomie der insurgirten Nation an; da er eben damals theils gegen Demetrios Soter mit gutem Grund erbittert war, theils eine Verbindung der Attaliden und der Seleukiden besorgte, überhaupt aber die Herstellung einer Mittelmacht zwischen Sy- rien und Aegypten im Interesse Roms lag, war man im Senat den Juden geneigt. Indeſs begünstigte man den Aufstand doch nur in- soweit es geschehen konnte ohne sich selber zu bemühen; trotz der Clausel des zwischen den Römern und den Juden abgeschlos- senen Vertrags, die den Juden im Fall sie angegriffen würden den Beistand Roms versprach, und trotz des an die Könige von Syrien und Aegypten gerichteten Verbots ihre Truppen durch das jüdi- sche Land zu führen blieb es natürlich lediglich den Juden selbst überlassen der syrischen Könige sich zu erwehren. Mehr als die Briefe ihrer mächtigen Verbündeten that für sie die tapfere und umsichtige Leitung des Aufstandes durch das Heldengeschlecht der Makkabaeer und die innere Zerrissenheit des syrischen Rei- ches: während des Haders zwischen den syrischen Königen Try-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/66>, abgerufen am 21.11.2024.