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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN.
gesendet habe, nach Beseitigung des königlichen Knaben der Zü-
gel der Regierung. Andererseits brach zwischen den Königen
von Aegypten und Kyrene Krieg aus über den Besitz der Insel
Kypros, welche der Senat zuerst dem ältern, sodann dem jün-
gern zugeschieden hatte, und im Widerspruch mit der neuesten
römischen Entscheidung blieb dieselbe schliesslich bei Aegypten.
Es ist fast unglaublich, dass der Senat diese kecke Verhöhnung
seiner Decrete, diese Ermordung seiner Commissare und seines
Mündels, diesen Missbrauch seines Namens in einer Zeit des tief-
sten inneren und äusseren Friedens als vollendete Thatsachen hin-
nahm; dass Kypros bei Aegypten blieb und man ferner zusah, als
nach Philometors Tode Euergetes II ihm nachfolgte und dadurch
Kyrene wieder zum Reich kam. Dem Gnaeus Octavius ward,
weil er sein Leben als Gesandter des Staats verloren, ein Denk-
mal auf dem Marktplatz errichtet, wie die Sitte der Väter es vor-
schrieb; was diese Väter, die einst die Ermordung römischer
Gesandten zu rächen Heere und Kriegsflotten ausgesandt hatten,
zu der Anerkennung des Demetrios als Königs von Syrien gesagt
haben würden, blieb im Senat schicklicher Weise unerörtert.
Dass nach solchen Vorgängen der römische Einfluss in diesen
Landschaften thatsächlich nichtig war und die Verhältnisse da-
selbst sich zunächst ohne Zuthun der Römer entwickelten, ist
begreiflich; doch ist des weiteren Verlaufs der Dinge wegen es
nothwendig auch den näheren und selbst den ferneren Osten nicht
völlig aus den Augen zu verlieren, da in dem allerseits abge-
schlossenen Aegypten zwar der Statusquo sich so leicht nicht
verschob, dagegen in Asien dies- und jenseit des Euphrat wäh-
rend und zum Theil in Folge dieser momentanen Stockung der
römischen Oberleitung die Völker und Staaten sich ganz anders
gruppirten. Noch nach dem Frieden von 565 hatte sich das Se-
leukidenreich von der kilikisch-syrischen Küste über das ganze
Stromgebiet des Euphrat und Tigris und über Medien und Per-
sien erstreckt bis an die grosse iranische Wüste, jenseit welcher
am Indus das Reich von Palimbothra unter Tschandragupta (San-
drokottos), am oberen Oxus der mächtige baktrische Staat, beide
nicht lange nach Alexander dem Grossen aus einer Mischung der
nationalen Elemente und der östlichsten Ausläufer hellenischer
Civilisation sich gebildet hatten. Noch Antiochos der Grosse trug
seine Waffen bis jenseit der Wüste in das Gebiet der Parther und
Baktrier. Jetzt fing dieser immer noch ungeheure Staat an sich
aufzulösen. Nicht bloss Vorderasien war in Folge der Schlacht
von Magnesia verloren worden, auch die gänzliche Lösung der

DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN.
gesendet habe, nach Beseitigung des königlichen Knaben der Zü-
gel der Regierung. Andererseits brach zwischen den Königen
von Aegypten und Kyrene Krieg aus über den Besitz der Insel
Kypros, welche der Senat zuerst dem ältern, sodann dem jün-
gern zugeschieden hatte, und im Widerspruch mit der neuesten
römischen Entscheidung blieb dieselbe schlieſslich bei Aegypten.
Es ist fast unglaublich, daſs der Senat diese kecke Verhöhnung
seiner Decrete, diese Ermordung seiner Commissare und seines
Mündels, diesen Miſsbrauch seines Namens in einer Zeit des tief-
sten inneren und äuſseren Friedens als vollendete Thatsachen hin-
nahm; daſs Kypros bei Aegypten blieb und man ferner zusah, als
nach Philometors Tode Euergetes II ihm nachfolgte und dadurch
Kyrene wieder zum Reich kam. Dem Gnaeus Octavius ward,
weil er sein Leben als Gesandter des Staats verloren, ein Denk-
mal auf dem Marktplatz errichtet, wie die Sitte der Väter es vor-
schrieb; was diese Väter, die einst die Ermordung römischer
Gesandten zu rächen Heere und Kriegsflotten ausgesandt hatten,
zu der Anerkennung des Demetrios als Königs von Syrien gesagt
haben würden, blieb im Senat schicklicher Weise unerörtert.
Daſs nach solchen Vorgängen der römische Einfluſs in diesen
Landschaften thatsächlich nichtig war und die Verhältnisse da-
selbst sich zunächst ohne Zuthun der Römer entwickelten, ist
begreiflich; doch ist des weiteren Verlaufs der Dinge wegen es
nothwendig auch den näheren und selbst den ferneren Osten nicht
völlig aus den Augen zu verlieren, da in dem allerseits abge-
schlossenen Aegypten zwar der Statusquo sich so leicht nicht
verschob, dagegen in Asien dies- und jenseit des Euphrat wäh-
rend und zum Theil in Folge dieser momentanen Stockung der
römischen Oberleitung die Völker und Staaten sich ganz anders
gruppirten. Noch nach dem Frieden von 565 hatte sich das Se-
leukidenreich von der kilikisch-syrischen Küste über das ganze
Stromgebiet des Euphrat und Tigris und über Medien und Per-
sien erstreckt bis an die groſse iranische Wüste, jenseit welcher
am Indus das Reich von Palimbothra unter Tschandragupta (San-
drokottos), am oberen Oxus der mächtige baktrische Staat, beide
nicht lange nach Alexander dem Groſsen aus einer Mischung der
nationalen Elemente und der östlichsten Ausläufer hellenischer
Civilisation sich gebildet hatten. Noch Antiochos der Groſse trug
seine Waffen bis jenseit der Wüste in das Gebiet der Parther und
Baktrier. Jetzt fing dieser immer noch ungeheure Staat an sich
aufzulösen. Nicht bloſs Vorderasien war in Folge der Schlacht
von Magnesia verloren worden, auch die gänzliche Lösung der

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[55/0065] DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN. gesendet habe, nach Beseitigung des königlichen Knaben der Zü- gel der Regierung. Andererseits brach zwischen den Königen von Aegypten und Kyrene Krieg aus über den Besitz der Insel Kypros, welche der Senat zuerst dem ältern, sodann dem jün- gern zugeschieden hatte, und im Widerspruch mit der neuesten römischen Entscheidung blieb dieselbe schlieſslich bei Aegypten. Es ist fast unglaublich, daſs der Senat diese kecke Verhöhnung seiner Decrete, diese Ermordung seiner Commissare und seines Mündels, diesen Miſsbrauch seines Namens in einer Zeit des tief- sten inneren und äuſseren Friedens als vollendete Thatsachen hin- nahm; daſs Kypros bei Aegypten blieb und man ferner zusah, als nach Philometors Tode Euergetes II ihm nachfolgte und dadurch Kyrene wieder zum Reich kam. Dem Gnaeus Octavius ward, weil er sein Leben als Gesandter des Staats verloren, ein Denk- mal auf dem Marktplatz errichtet, wie die Sitte der Väter es vor- schrieb; was diese Väter, die einst die Ermordung römischer Gesandten zu rächen Heere und Kriegsflotten ausgesandt hatten, zu der Anerkennung des Demetrios als Königs von Syrien gesagt haben würden, blieb im Senat schicklicher Weise unerörtert. Daſs nach solchen Vorgängen der römische Einfluſs in diesen Landschaften thatsächlich nichtig war und die Verhältnisse da- selbst sich zunächst ohne Zuthun der Römer entwickelten, ist begreiflich; doch ist des weiteren Verlaufs der Dinge wegen es nothwendig auch den näheren und selbst den ferneren Osten nicht völlig aus den Augen zu verlieren, da in dem allerseits abge- schlossenen Aegypten zwar der Statusquo sich so leicht nicht verschob, dagegen in Asien dies- und jenseit des Euphrat wäh- rend und zum Theil in Folge dieser momentanen Stockung der römischen Oberleitung die Völker und Staaten sich ganz anders gruppirten. Noch nach dem Frieden von 565 hatte sich das Se- leukidenreich von der kilikisch-syrischen Küste über das ganze Stromgebiet des Euphrat und Tigris und über Medien und Per- sien erstreckt bis an die groſse iranische Wüste, jenseit welcher am Indus das Reich von Palimbothra unter Tschandragupta (San- drokottos), am oberen Oxus der mächtige baktrische Staat, beide nicht lange nach Alexander dem Groſsen aus einer Mischung der nationalen Elemente und der östlichsten Ausläufer hellenischer Civilisation sich gebildet hatten. Noch Antiochos der Groſse trug seine Waffen bis jenseit der Wüste in das Gebiet der Parther und Baktrier. Jetzt fing dieser immer noch ungeheure Staat an sich aufzulösen. Nicht bloſs Vorderasien war in Folge der Schlacht von Magnesia verloren worden, auch die gänzliche Lösung der

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/65>, abgerufen am 21.11.2024.