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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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STURZ DER OLIGARCHIE.
dieser, war doch auch seine Politik ganz wie die des Pompeius
vor allem eine persönliche und durchaus nicht die der herr-
schenden Oligarchie; und auch er stand jetzt in Italien an der
Spitze einer starken und siegreichen Armee, mit welcher er so
eben den Sclavenaufstand niedergeschlagen hatte. Es blieb ihm
die Wahl entweder gegen die Coalition mit der Oligarchie sich zu
verbünden oder in die Coalition einzutreten; er wählte den letz-
teren und damit ohne Zweifel den sichreren Weg. Bei seinem
colossalen Vermögen und seinem Einfluss auf die hauptstädti-
schen Clubs war er überhaupt ein schätzbarer Bundesgenosse;
unter den obwaltenden Umständen aber war es ein unberechen-
barer Gewinn, wenn das einzige Heer, mit welchem der Senat
den Truppen des Pompeius hätte begegnen könuen, der angrei-
fenden Macht sich beigesellte. Die Demokraten überdies, denen
bei der Allianz mit dem übermächtigen Feldherrn nicht wohl zu
Muthe sein mochte, sahen nicht ungern in Marcus Crassus ihm
ein Gegengewicht und vielleicht einen künftigen Rivalen zur Seite
gestellt. -- So kam im Sommer des J. 683 die erste Coalition
zu Stande zwischen der Demokratie einer- und den beiden sul-
lanischen Generalen Gnaeus Pompeius und Marcus Crassus an-
dererseits. Beide machten das Parteiprogramm der Demokratie
zu dem ihrigen; es ward ihnen dafür zunächst das Consulat auf
das kommende Jahr, Pompeius überdies der Triumph und die
begehrten Landloose für seine Soldaten, Crassus als dem Ueber-
winder des Spartacus wenigstens die Ehre des feierlichen Ein-
zugs in die Hauptstadt zugesichert. -- Den beiden italischen Ar-
meen, der hohen Finanz und der Demokratie, die also zum Sturz
der sullanischen Verfassung verbündet auftraten, hatte der Senat
nichts gegenüberzustellen. Wäre Quintus Metellus Pius ein zwei-
ter Sulla gewesen, so hätte er das zweite spanische Heer zum
Schutz der bestehenden Verfassung gegen Pompeius und Crassus
geführt; allein derselbe, durchaus nicht begehrend sich in einen
Bürgerkrieg zu verwickeln, hatte sofort nach Ueberschreitung der
Alpen seine Soldaten entlassen. So blieb der Oligarchie nichts
übrig als in das Unvermeidliche sich zu fügen. Der Rath bewil-
ligte die für Consulat und Triumph erforderlichen Dispensatio-
nen; Pompeius und Crassus wurden, ohne Widerstand zu finden,
zu Consuln für das J. 684 gewählt, während ihre Heere, angeb-
lich in Erwartung des Triumphs, vor der Stadt lagerten. Noch
vor dem Antritt seines Amtes bekannte sodann Pompeius in
einer von dem Volkstribun Marcus Lollius Palicanus abgehalte-
nen Volksversammlung sich öffentlich und förmlich zu dem de-

STURZ DER OLIGARCHIE.
dieser, war doch auch seine Politik ganz wie die des Pompeius
vor allem eine persönliche und durchaus nicht die der herr-
schenden Oligarchie; und auch er stand jetzt in Italien an der
Spitze einer starken und siegreichen Armee, mit welcher er so
eben den Sclavenaufstand niedergeschlagen hatte. Es blieb ihm
die Wahl entweder gegen die Coalition mit der Oligarchie sich zu
verbünden oder in die Coalition einzutreten; er wählte den letz-
teren und damit ohne Zweifel den sichreren Weg. Bei seinem
colossalen Vermögen und seinem Einfluſs auf die hauptstädti-
schen Clubs war er überhaupt ein schätzbarer Bundesgenosse;
unter den obwaltenden Umständen aber war es ein unberechen-
barer Gewinn, wenn das einzige Heer, mit welchem der Senat
den Truppen des Pompeius hätte begegnen könuen, der angrei-
fenden Macht sich beigesellte. Die Demokraten überdies, denen
bei der Allianz mit dem übermächtigen Feldherrn nicht wohl zu
Muthe sein mochte, sahen nicht ungern in Marcus Crassus ihm
ein Gegengewicht und vielleicht einen künftigen Rivalen zur Seite
gestellt. — So kam im Sommer des J. 683 die erste Coalition
zu Stande zwischen der Demokratie einer- und den beiden sul-
lanischen Generalen Gnaeus Pompeius und Marcus Crassus an-
dererseits. Beide machten das Parteiprogramm der Demokratie
zu dem ihrigen; es ward ihnen dafür zunächst das Consulat auf
das kommende Jahr, Pompeius überdies der Triumph und die
begehrten Landloose für seine Soldaten, Crassus als dem Ueber-
winder des Spartacus wenigstens die Ehre des feierlichen Ein-
zugs in die Hauptstadt zugesichert. — Den beiden italischen Ar-
meen, der hohen Finanz und der Demokratie, die also zum Sturz
der sullanischen Verfassung verbündet auftraten, hatte der Senat
nichts gegenüberzustellen. Wäre Quintus Metellus Pius ein zwei-
ter Sulla gewesen, so hätte er das zweite spanische Heer zum
Schutz der bestehenden Verfassung gegen Pompeius und Crassus
geführt; allein derselbe, durchaus nicht begehrend sich in einen
Bürgerkrieg zu verwickeln, hatte sofort nach Ueberschreitung der
Alpen seine Soldaten entlassen. So blieb der Oligarchie nichts
übrig als in das Unvermeidliche sich zu fügen. Der Rath bewil-
ligte die für Consulat und Triumph erforderlichen Dispensatio-
nen; Pompeius und Crassus wurden, ohne Widerstand zu finden,
zu Consuln für das J. 684 gewählt, während ihre Heere, angeb-
lich in Erwartung des Triumphs, vor der Stadt lagerten. Noch
vor dem Antritt seines Amtes bekannte sodann Pompeius in
einer von dem Volkstribun Marcus Lollius Palicanus abgehalte-
nen Volksversammlung sich öffentlich und förmlich zu dem de-

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[91/0101] STURZ DER OLIGARCHIE. dieser, war doch auch seine Politik ganz wie die des Pompeius vor allem eine persönliche und durchaus nicht die der herr- schenden Oligarchie; und auch er stand jetzt in Italien an der Spitze einer starken und siegreichen Armee, mit welcher er so eben den Sclavenaufstand niedergeschlagen hatte. Es blieb ihm die Wahl entweder gegen die Coalition mit der Oligarchie sich zu verbünden oder in die Coalition einzutreten; er wählte den letz- teren und damit ohne Zweifel den sichreren Weg. Bei seinem colossalen Vermögen und seinem Einfluſs auf die hauptstädti- schen Clubs war er überhaupt ein schätzbarer Bundesgenosse; unter den obwaltenden Umständen aber war es ein unberechen- barer Gewinn, wenn das einzige Heer, mit welchem der Senat den Truppen des Pompeius hätte begegnen könuen, der angrei- fenden Macht sich beigesellte. Die Demokraten überdies, denen bei der Allianz mit dem übermächtigen Feldherrn nicht wohl zu Muthe sein mochte, sahen nicht ungern in Marcus Crassus ihm ein Gegengewicht und vielleicht einen künftigen Rivalen zur Seite gestellt. — So kam im Sommer des J. 683 die erste Coalition zu Stande zwischen der Demokratie einer- und den beiden sul- lanischen Generalen Gnaeus Pompeius und Marcus Crassus an- dererseits. Beide machten das Parteiprogramm der Demokratie zu dem ihrigen; es ward ihnen dafür zunächst das Consulat auf das kommende Jahr, Pompeius überdies der Triumph und die begehrten Landloose für seine Soldaten, Crassus als dem Ueber- winder des Spartacus wenigstens die Ehre des feierlichen Ein- zugs in die Hauptstadt zugesichert. — Den beiden italischen Ar- meen, der hohen Finanz und der Demokratie, die also zum Sturz der sullanischen Verfassung verbündet auftraten, hatte der Senat nichts gegenüberzustellen. Wäre Quintus Metellus Pius ein zwei- ter Sulla gewesen, so hätte er das zweite spanische Heer zum Schutz der bestehenden Verfassung gegen Pompeius und Crassus geführt; allein derselbe, durchaus nicht begehrend sich in einen Bürgerkrieg zu verwickeln, hatte sofort nach Ueberschreitung der Alpen seine Soldaten entlassen. So blieb der Oligarchie nichts übrig als in das Unvermeidliche sich zu fügen. Der Rath bewil- ligte die für Consulat und Triumph erforderlichen Dispensatio- nen; Pompeius und Crassus wurden, ohne Widerstand zu finden, zu Consuln für das J. 684 gewählt, während ihre Heere, angeb- lich in Erwartung des Triumphs, vor der Stadt lagerten. Noch vor dem Antritt seines Amtes bekannte sodann Pompeius in einer von dem Volkstribun Marcus Lollius Palicanus abgehalte- nen Volksversammlung sich öffentlich und förmlich zu dem de-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/101>, abgerufen am 23.11.2024.