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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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STURZ DER OLIGARCHIE.
renden Vertheidigung begonnen hatten, so endigten sie mit der
Initiative zum Faustrecht, mit grosswortiger Schwäche und jäm-
merlichem Eidbruch. Es war nun erreicht, was einst als ein kecker
Traum erschienen war: der Senat hatte aufgehört zu regieren.
Aber wenn die einzelnen alten Männer, die noch der ersten Stürme
der Revolution, der Worte der Gracchen sich erinnerten, jene Zeit
und diese mit einander verglichen, so fanden sie alles inzwischen
verändert, Landschaft und Bürgerschaft, Staatsrecht und Kriegs-
zucht, Leben und Sitte; und wohl mochte schmerzlich lächeln,
wer die Ideale der Gracchenzeit mit ihrer Realisirung verglich.
Indess solche Betrachtungen gehörten der Vergangenheit an. Für
jetzt und wohl auch für die Zukunft war der Sturz der Aristo-
kratie eine vollendete Thatsache. Die Oligarchen glichen einer voll-
ständig aufgelösten Armee, deren versprengte Haufen wohl noch
eine andere Heeresmasse verstärken, aber selbst nirgends mehr
das Feld halten noch auf eigene Rechnung ein Gefecht wagen
konnten. Aber indem der alte Kampf zu Ende lief, bereitete zu-
gleich ein neuer sich vor: der Kampf der beiden bisher zum
Sturz der aristokratischen Staatsverfassung verbündeten Mächte,
der bürgerlich demokratischen Opposition und der immer über-
mächtiger aufstrebenden Militärgewalt. Pompeius exceptionelle
Machtstellung war schon nach dem gabinischen, um wie viel
mehr nach dem manilischen Gesetz mit einer republicanischen
Staatsordnung unvereinbar. Er war, wie schon damals die Geg-
ner mit gutem Grund sagten, durch das gabinische Gesetz nicht
zum Admiral, sondern zum Reichsregenten bestellt worden; nicht
mit Unrecht heisst er einem mit den östlichen Verhältnissen ver-
trauten Griechen ,König der Könige'. Wenn er dereinst, siegreich
und mit erhöhtem Ruhm, mit gefüllten Kassen, mit schlagferti-
gen und ergebenen Truppen zurückgekehrt aus dem Osten, nach
der Krone die Hand ausstreckte -- wer wollte dann ihm in den
Arm fallen? Sollte etwa gegen den ersten Feldherrn seiner Zeit
und seine erprobten Legionen der Consular Quintus Catulus die
Senatoren aufbieten? oder der designirte Aedil Gaius Caesar die
städtische Menge, deren Augen er so eben an seinen dreihun-
dertzwanzig silbergerüsteten Fechterpaaren geweidet hatte? Bald
werde man, rief Catulus, abermals auf die Felsen des Capitols
flüchten müssen, um die Freiheit zu retten. Es war nicht die
Schuld des Propheten, wenn der Sturm nicht, wie er meinte,
von Osten kam, sondern das Schicksal, buchstäblicher als er
selbst es ahnte seine Worte erfüllend, das vernichtende Unwetter
wenige Jahre später aus dem Keltenland heranführte.



STURZ DER OLIGARCHIE.
renden Vertheidigung begonnen hatten, so endigten sie mit der
Initiative zum Faustrecht, mit groſswortiger Schwäche und jäm-
merlichem Eidbruch. Es war nun erreicht, was einst als ein kecker
Traum erschienen war: der Senat hatte aufgehört zu regieren.
Aber wenn die einzelnen alten Männer, die noch der ersten Stürme
der Revolution, der Worte der Gracchen sich erinnerten, jene Zeit
und diese mit einander verglichen, so fanden sie alles inzwischen
verändert, Landschaft und Bürgerschaft, Staatsrecht und Kriegs-
zucht, Leben und Sitte; und wohl mochte schmerzlich lächeln,
wer die Ideale der Gracchenzeit mit ihrer Realisirung verglich.
Indeſs solche Betrachtungen gehörten der Vergangenheit an. Für
jetzt und wohl auch für die Zukunft war der Sturz der Aristo-
kratie eine vollendete Thatsache. Die Oligarchen glichen einer voll-
ständig aufgelösten Armee, deren versprengte Haufen wohl noch
eine andere Heeresmasse verstärken, aber selbst nirgends mehr
das Feld halten noch auf eigene Rechnung ein Gefecht wagen
konnten. Aber indem der alte Kampf zu Ende lief, bereitete zu-
gleich ein neuer sich vor: der Kampf der beiden bisher zum
Sturz der aristokratischen Staatsverfassung verbündeten Mächte,
der bürgerlich demokratischen Opposition und der immer über-
mächtiger aufstrebenden Militärgewalt. Pompeius exceptionelle
Machtstellung war schon nach dem gabinischen, um wie viel
mehr nach dem manilischen Gesetz mit einer republicanischen
Staatsordnung unvereinbar. Er war, wie schon damals die Geg-
ner mit gutem Grund sagten, durch das gabinische Gesetz nicht
zum Admiral, sondern zum Reichsregenten bestellt worden; nicht
mit Unrecht heiſst er einem mit den östlichen Verhältnissen ver-
trauten Griechen ‚König der Könige‘. Wenn er dereinst, siegreich
und mit erhöhtem Ruhm, mit gefüllten Kassen, mit schlagferti-
gen und ergebenen Truppen zurückgekehrt aus dem Osten, nach
der Krone die Hand ausstreckte — wer wollte dann ihm in den
Arm fallen? Sollte etwa gegen den ersten Feldherrn seiner Zeit
und seine erprobten Legionen der Consular Quintus Catulus die
Senatoren aufbieten? oder der designirte Aedil Gaius Caesar die
städtische Menge, deren Augen er so eben an seinen dreihun-
dertzwanzig silbergerüsteten Fechterpaaren geweidet hatte? Bald
werde man, rief Catulus, abermals auf die Felsen des Capitols
flüchten müssen, um die Freiheit zu retten. Es war nicht die
Schuld des Propheten, wenn der Sturm nicht, wie er meinte,
von Osten kam, sondern das Schicksal, buchstäblicher als er
selbst es ahnte seine Worte erfüllend, das vernichtende Unwetter
wenige Jahre später aus dem Keltenland heranführte.



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[107/0117] STURZ DER OLIGARCHIE. renden Vertheidigung begonnen hatten, so endigten sie mit der Initiative zum Faustrecht, mit groſswortiger Schwäche und jäm- merlichem Eidbruch. Es war nun erreicht, was einst als ein kecker Traum erschienen war: der Senat hatte aufgehört zu regieren. Aber wenn die einzelnen alten Männer, die noch der ersten Stürme der Revolution, der Worte der Gracchen sich erinnerten, jene Zeit und diese mit einander verglichen, so fanden sie alles inzwischen verändert, Landschaft und Bürgerschaft, Staatsrecht und Kriegs- zucht, Leben und Sitte; und wohl mochte schmerzlich lächeln, wer die Ideale der Gracchenzeit mit ihrer Realisirung verglich. Indeſs solche Betrachtungen gehörten der Vergangenheit an. Für jetzt und wohl auch für die Zukunft war der Sturz der Aristo- kratie eine vollendete Thatsache. Die Oligarchen glichen einer voll- ständig aufgelösten Armee, deren versprengte Haufen wohl noch eine andere Heeresmasse verstärken, aber selbst nirgends mehr das Feld halten noch auf eigene Rechnung ein Gefecht wagen konnten. Aber indem der alte Kampf zu Ende lief, bereitete zu- gleich ein neuer sich vor: der Kampf der beiden bisher zum Sturz der aristokratischen Staatsverfassung verbündeten Mächte, der bürgerlich demokratischen Opposition und der immer über- mächtiger aufstrebenden Militärgewalt. Pompeius exceptionelle Machtstellung war schon nach dem gabinischen, um wie viel mehr nach dem manilischen Gesetz mit einer republicanischen Staatsordnung unvereinbar. Er war, wie schon damals die Geg- ner mit gutem Grund sagten, durch das gabinische Gesetz nicht zum Admiral, sondern zum Reichsregenten bestellt worden; nicht mit Unrecht heiſst er einem mit den östlichen Verhältnissen ver- trauten Griechen ‚König der Könige‘. Wenn er dereinst, siegreich und mit erhöhtem Ruhm, mit gefüllten Kassen, mit schlagferti- gen und ergebenen Truppen zurückgekehrt aus dem Osten, nach der Krone die Hand ausstreckte — wer wollte dann ihm in den Arm fallen? Sollte etwa gegen den ersten Feldherrn seiner Zeit und seine erprobten Legionen der Consular Quintus Catulus die Senatoren aufbieten? oder der designirte Aedil Gaius Caesar die städtische Menge, deren Augen er so eben an seinen dreihun- dertzwanzig silbergerüsteten Fechterpaaren geweidet hatte? Bald werde man, rief Catulus, abermals auf die Felsen des Capitols flüchten müssen, um die Freiheit zu retten. Es war nicht die Schuld des Propheten, wenn der Sturm nicht, wie er meinte, von Osten kam, sondern das Schicksal, buchstäblicher als er selbst es ahnte seine Worte erfüllend, das vernichtende Unwetter wenige Jahre später aus dem Keltenland heranführte.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/117>, abgerufen am 23.11.2024.