Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.POMPEIUS UND DER OSTEN. liche Meer, namentlich nach dem Ur- und Hauptsitz der Pira-terie, den kilikischen Gewässern. Auf die Kunde von dem Heran- nahen der römischen Flotte verschwanden nicht bloss die Piraten- kähne überall von der offenen See, sondern selbst die starken lykischen Festen Antikragos und Kragos ergaben sich, ohne ernst- lichen Widerstand zu leisten. Mehr noch Pompeius wohlberech- nete Milde als die Furcht vor seinen Waffen öffnete ihm die Thore dieser schwer zugänglichen Seeburgen; denn während seine Vorgänger jeden gefangenen Seeräuber ans Kreuz hatten heften lassen, gab er ohne Bedenken allen Quartier und behan- delte namentlich die auf den genommenen Piratenböten vorge- fundenen gemeinen Ruderer mit ungewohnter Nachsicht. Nur die kühnen kilikischen Seekönige wagten einen Versuch wenig- stens ihre eigenen Gewässer mit den Waffen gegen die Römer zu behaupten: nachdem sie ihre Kinder und Frauen und ihre rei- chen Schätze in die Bergschlösser des Taurus geflüchtet hatten, erwarteten sie die römische Flotte an der Westgrenze Kilikiens, auf der Höhe von Korakesion. Aber Pompeius wohlbemannte und mit allem Kriegszeug wohlversehene Schiffe erfochten hier einen vollständigen Sieg. Ohne weiteres Hinderniss stieg er sodann an das Land und begann die Bergschlösser der Corsaren zu stürmen und zu brechen, während er fortfuhr ihnen selbst als Preis der Unterwerfung Freiheit und Leben zu bieten. Bald gab die grosse Menge es auf in ihren Burgen und Bergen einen hoffnungslosen Krieg fortzusetzen und bequemte sich zur Ergebung. Neunund- vierzig Tage, nachdem Pompeius in der östlichen See erschienen, war Kilikien unterworfen und der Krieg zu Ende. Die rasche Ueberwältigung der Piraterie war eine grosse Erleichterung, aber keine grossartige That: mit den Hülfsmitteln des römischen Staates, die in verschwenderischem Mass waren aufgeboten wor- den, konnten die Corsaren so wenig sich messen als die ver- einigten Diebesbanden einer grossen Stadt mit einer wohlorga- nisirten Polizei. Es war naiv eine solche Razzia als einen Sieg zu feiern. Aber verglichen mit dem langjährigen Bestehen und der grenzenlosen Ausdehnung des täglich weiter um sich grei- fenden Uebels ist es erklärlich, dass die überraschende Schnel- ligkeit der Ueberwältigung der gefürchteten Piraten auf das Pu- blicum den gewaltigsten Eindruck machte; um so mehr, da dies die erste Probe des in einer Hand centralisirten Regiments war und die Parteien gespannt darauf harrten, ob es verstehen werde besser als das collegialische zu regieren. Gegen 400 Schiffe und Böte, darunter 90 eigentliche Kriegsfahrzeuge, wur- POMPEIUS UND DER OSTEN. liche Meer, namentlich nach dem Ur- und Hauptsitz der Pira-terie, den kilikischen Gewässern. Auf die Kunde von dem Heran- nahen der römischen Flotte verschwanden nicht bloſs die Piraten- kähne überall von der offenen See, sondern selbst die starken lykischen Festen Antikragos und Kragos ergaben sich, ohne ernst- lichen Widerstand zu leisten. Mehr noch Pompeius wohlberech- nete Milde als die Furcht vor seinen Waffen öffnete ihm die Thore dieser schwer zugänglichen Seeburgen; denn während seine Vorgänger jeden gefangenen Seeräuber ans Kreuz hatten heften lassen, gab er ohne Bedenken allen Quartier und behan- delte namentlich die auf den genommenen Piratenböten vorge- fundenen gemeinen Ruderer mit ungewohnter Nachsicht. Nur die kühnen kilikischen Seekönige wagten einen Versuch wenig- stens ihre eigenen Gewässer mit den Waffen gegen die Römer zu behaupten: nachdem sie ihre Kinder und Frauen und ihre rei- chen Schätze in die Bergschlösser des Taurus geflüchtet hatten, erwarteten sie die römische Flotte an der Westgrenze Kilikiens, auf der Höhe von Korakesion. Aber Pompeius wohlbemannte und mit allem Kriegszeug wohlversehene Schiffe erfochten hier einen vollständigen Sieg. Ohne weiteres Hinderniſs stieg er sodann an das Land und begann die Bergschlösser der Corsaren zu stürmen und zu brechen, während er fortfuhr ihnen selbst als Preis der Unterwerfung Freiheit und Leben zu bieten. Bald gab die groſse Menge es auf in ihren Burgen und Bergen einen hoffnungslosen Krieg fortzusetzen und bequemte sich zur Ergebung. Neunund- vierzig Tage, nachdem Pompeius in der östlichen See erschienen, war Kilikien unterworfen und der Krieg zu Ende. Die rasche Ueberwältigung der Piraterie war eine groſse Erleichterung, aber keine groſsartige That: mit den Hülfsmitteln des römischen Staates, die in verschwenderischem Maſs waren aufgeboten wor- den, konnten die Corsaren so wenig sich messen als die ver- einigten Diebesbanden einer groſsen Stadt mit einer wohlorga- nisirten Polizei. Es war naiv eine solche Razzia als einen Sieg zu feiern. Aber verglichen mit dem langjährigen Bestehen und der grenzenlosen Ausdehnung des täglich weiter um sich grei- fenden Uebels ist es erklärlich, daſs die überraschende Schnel- ligkeit der Ueberwältigung der gefürchteten Piraten auf das Pu- blicum den gewaltigsten Eindruck machte; um so mehr, da dies die erste Probe des in einer Hand centralisirten Regiments war und die Parteien gespannt darauf harrten, ob es verstehen werde besser als das collegialische zu regieren. 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POMPEIUS UND DER OSTEN.
liche Meer, namentlich nach dem Ur- und Hauptsitz der Pira-
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nahen der römischen Flotte verschwanden nicht bloſs die Piraten-
kähne überall von der offenen See, sondern selbst die starken
lykischen Festen Antikragos und Kragos ergaben sich, ohne ernst-
lichen Widerstand zu leisten. Mehr noch Pompeius wohlberech-
nete Milde als die Furcht vor seinen Waffen öffnete ihm die
Thore dieser schwer zugänglichen Seeburgen; denn während
seine Vorgänger jeden gefangenen Seeräuber ans Kreuz hatten
heften lassen, gab er ohne Bedenken allen Quartier und behan-
delte namentlich die auf den genommenen Piratenböten vorge-
fundenen gemeinen Ruderer mit ungewohnter Nachsicht. Nur
die kühnen kilikischen Seekönige wagten einen Versuch wenig-
stens ihre eigenen Gewässer mit den Waffen gegen die Römer zu
behaupten: nachdem sie ihre Kinder und Frauen und ihre rei-
chen Schätze in die Bergschlösser des Taurus geflüchtet hatten,
erwarteten sie die römische Flotte an der Westgrenze Kilikiens,
auf der Höhe von Korakesion. Aber Pompeius wohlbemannte und
mit allem Kriegszeug wohlversehene Schiffe erfochten hier einen
vollständigen Sieg. Ohne weiteres Hinderniſs stieg er sodann an
das Land und begann die Bergschlösser der Corsaren zu stürmen
und zu brechen, während er fortfuhr ihnen selbst als Preis der
Unterwerfung Freiheit und Leben zu bieten. Bald gab die groſse
Menge es auf in ihren Burgen und Bergen einen hoffnungslosen
Krieg fortzusetzen und bequemte sich zur Ergebung. Neunund-
vierzig Tage, nachdem Pompeius in der östlichen See erschienen,
war Kilikien unterworfen und der Krieg zu Ende. Die rasche
Ueberwältigung der Piraterie war eine groſse Erleichterung, aber
keine groſsartige That: mit den Hülfsmitteln des römischen
Staates, die in verschwenderischem Maſs waren aufgeboten wor-
den, konnten die Corsaren so wenig sich messen als die ver-
einigten Diebesbanden einer groſsen Stadt mit einer wohlorga-
nisirten Polizei. Es war naiv eine solche Razzia als einen Sieg
zu feiern. Aber verglichen mit dem langjährigen Bestehen und
der grenzenlosen Ausdehnung des täglich weiter um sich grei-
fenden Uebels ist es erklärlich, daſs die überraschende Schnel-
ligkeit der Ueberwältigung der gefürchteten Piraten auf das Pu-
blicum den gewaltigsten Eindruck machte; um so mehr, da dies
die erste Probe des in einer Hand centralisirten Regiments
war und die Parteien gespannt darauf harrten, ob es verstehen
werde besser als das collegialische zu regieren. Gegen 400
Schiffe und Böte, darunter 90 eigentliche Kriegsfahrzeuge, wur-
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