Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.POMPEIUS UND DER OSTEN. vierzigtägigem Verweilen liess der König seine Kranken und Ver-wundeten, da er sie weder retten konnte noch dem Feind in die Hände fallen lassen wollte, durch die eigenen Leute niedermachen und brach zur Nachtzeit in möglichster Stille auf gegen Osten. Vorsichtig folgte Pompeius durch das unbekannte Land; allein da der Marsch sich der Grenze näherte, die Mithradates und Ti- granes Gebiete von einander schied, und der Feldherr erkannte, dass Mithradates nicht innerhalb seines Gebietes den Kampf zur Entscheidung zu bringen, sondern den Feind in die grenzenlosen Fernen des Ostens sich nachzuziehen gedenke, entschloss er sich zu kühnerem Auftreten. Die beiden Heere lagerten hart aneinan- der. Während der Mittagrast brach Pompeius auf, ohne dass der Feind es bemerkte, umging ihn und besetzte die vorwärts liegen- den und den vom Feinde zu passirenden Engpass beherrschenden Anhöhen am südlichen Ufer des Flusses Lykos (Jeschil Irmak) unweit des heutigen Enderes, da wo später Nikopolis erbaut ward. Den folgenden Morgen brach die pontische Armee in gewohnter Weise auf und, den Feind wie bisher hinter sich vermuthend, schlug sie nach zurückgelegtem Tagemarsch ihr Lager eben in dem Thale, dessen Höhenring die Römer besetzt hatten. Plötz- lich erscholl in der Stille der Nacht rings im Kreise um sie der gefürchtete Schlachtruf der Legionen und regneten von allen Sei- ten die Geschosse in die pontischen Heerhaufen, in denen Sol- daten und Tross, Wagen, Pferde, Kameele sich durch einander schoben und in deren dichtem Knäuel trotz der Dunkelheit kein Geschoss fehlging. Als die Römer sich verschossen hatten, stürm- ten sie von den Höhen herab auf die jetzt in dem Scheine des inzwischen aufgegangenen Mondes sichtbar gewordenen und fast wehrlos ihnen preisgegebenen Schaaren und was nicht von dem Eisen der Feinde fiel, ward in dem fürchterlichen Gedränge unter den Hufen und Rädern zermalmt. Es war das letzte Schlachtfeld, auf welchem der greise König mit den Römern gestritten hat. Mit drei Begleitern, zweien seiner Reiter und einer Kebse, die in Männertracht ihm zu folgen und tapfer zu streiten gewohnt war, entrann er von demselben zu der Feste Sinoria, wo der grösste Theil seiner Schätze aufbewahrt wurde. Hier fand sich ein Theil seiner Getreuen zu ihm: er theilte seinen Schatz, in dem 6000 Ta- lente Goldes (9 Mill. Thlr.) sich befanden, unter sie aus, versah sie und sich mit Gift und eilte mit dem ihm gebliebenen Haufen den Euphrat hinauf, um mit seinem Verbündeten, dem Gross- könig von Armenien sich zu vereinigen. In Armenien war inzwischen eine unerwartete Wendung 8 *
POMPEIUS UND DER OSTEN. vierzigtägigem Verweilen lieſs der König seine Kranken und Ver-wundeten, da er sie weder retten konnte noch dem Feind in die Hände fallen lassen wollte, durch die eigenen Leute niedermachen und brach zur Nachtzeit in möglichster Stille auf gegen Osten. Vorsichtig folgte Pompeius durch das unbekannte Land; allein da der Marsch sich der Grenze näherte, die Mithradates und Ti- granes Gebiete von einander schied, und der Feldherr erkannte, daſs Mithradates nicht innerhalb seines Gebietes den Kampf zur Entscheidung zu bringen, sondern den Feind in die grenzenlosen Fernen des Ostens sich nachzuziehen gedenke, entschloſs er sich zu kühnerem Auftreten. Die beiden Heere lagerten hart aneinan- der. Während der Mittagrast brach Pompeius auf, ohne daſs der Feind es bemerkte, umging ihn und besetzte die vorwärts liegen- den und den vom Feinde zu passirenden Engpaſs beherrschenden Anhöhen am südlichen Ufer des Flusses Lykos (Jeschil Irmak) unweit des heutigen Enderes, da wo später Nikopolis erbaut ward. Den folgenden Morgen brach die pontische Armee in gewohnter Weise auf und, den Feind wie bisher hinter sich vermuthend, schlug sie nach zurückgelegtem Tagemarsch ihr Lager eben in dem Thale, dessen Höhenring die Römer besetzt hatten. Plötz- lich erscholl in der Stille der Nacht rings im Kreise um sie der gefürchtete Schlachtruf der Legionen und regneten von allen Sei- ten die Geschosse in die pontischen Heerhaufen, in denen Sol- daten und Troſs, Wagen, Pferde, Kameele sich durch einander schoben und in deren dichtem Knäuel trotz der Dunkelheit kein Geschoſs fehlging. Als die Römer sich verschossen hatten, stürm- ten sie von den Höhen herab auf die jetzt in dem Scheine des inzwischen aufgegangenen Mondes sichtbar gewordenen und fast wehrlos ihnen preisgegebenen Schaaren und was nicht von dem Eisen der Feinde fiel, ward in dem fürchterlichen Gedränge unter den Hufen und Rädern zermalmt. Es war das letzte Schlachtfeld, auf welchem der greise König mit den Römern gestritten hat. Mit drei Begleitern, zweien seiner Reiter und einer Kebse, die in Männertracht ihm zu folgen und tapfer zu streiten gewohnt war, entrann er von demselben zu der Feste Sinoria, wo der gröſste Theil seiner Schätze aufbewahrt wurde. Hier fand sich ein Theil seiner Getreuen zu ihm: er theilte seinen Schatz, in dem 6000 Ta- lente Goldes (9 Mill. Thlr.) sich befanden, unter sie aus, versah sie und sich mit Gift und eilte mit dem ihm gebliebenen Haufen den Euphrat hinauf, um mit seinem Verbündeten, dem Groſs- könig von Armenien sich zu vereinigen. In Armenien war inzwischen eine unerwartete Wendung 8 *
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POMPEIUS UND DER OSTEN.
vierzigtägigem Verweilen lieſs der König seine Kranken und Ver-
wundeten, da er sie weder retten konnte noch dem Feind in die
Hände fallen lassen wollte, durch die eigenen Leute niedermachen
und brach zur Nachtzeit in möglichster Stille auf gegen Osten.
Vorsichtig folgte Pompeius durch das unbekannte Land; allein
da der Marsch sich der Grenze näherte, die Mithradates und Ti-
granes Gebiete von einander schied, und der Feldherr erkannte,
daſs Mithradates nicht innerhalb seines Gebietes den Kampf zur
Entscheidung zu bringen, sondern den Feind in die grenzenlosen
Fernen des Ostens sich nachzuziehen gedenke, entschloſs er sich
zu kühnerem Auftreten. Die beiden Heere lagerten hart aneinan-
der. Während der Mittagrast brach Pompeius auf, ohne daſs der
Feind es bemerkte, umging ihn und besetzte die vorwärts liegen-
den und den vom Feinde zu passirenden Engpaſs beherrschenden
Anhöhen am südlichen Ufer des Flusses Lykos (Jeschil Irmak)
unweit des heutigen Enderes, da wo später Nikopolis erbaut ward.
Den folgenden Morgen brach die pontische Armee in gewohnter
Weise auf und, den Feind wie bisher hinter sich vermuthend,
schlug sie nach zurückgelegtem Tagemarsch ihr Lager eben in
dem Thale, dessen Höhenring die Römer besetzt hatten. Plötz-
lich erscholl in der Stille der Nacht rings im Kreise um sie der
gefürchtete Schlachtruf der Legionen und regneten von allen Sei-
ten die Geschosse in die pontischen Heerhaufen, in denen Sol-
daten und Troſs, Wagen, Pferde, Kameele sich durch einander
schoben und in deren dichtem Knäuel trotz der Dunkelheit kein
Geschoſs fehlging. Als die Römer sich verschossen hatten, stürm-
ten sie von den Höhen herab auf die jetzt in dem Scheine des
inzwischen aufgegangenen Mondes sichtbar gewordenen und fast
wehrlos ihnen preisgegebenen Schaaren und was nicht von dem
Eisen der Feinde fiel, ward in dem fürchterlichen Gedränge unter
den Hufen und Rädern zermalmt. Es war das letzte Schlachtfeld,
auf welchem der greise König mit den Römern gestritten hat.
Mit drei Begleitern, zweien seiner Reiter und einer Kebse, die in
Männertracht ihm zu folgen und tapfer zu streiten gewohnt war,
entrann er von demselben zu der Feste Sinoria, wo der gröſste
Theil seiner Schätze aufbewahrt wurde. Hier fand sich ein Theil
seiner Getreuen zu ihm: er theilte seinen Schatz, in dem 6000 Ta-
lente Goldes (9 Mill. Thlr.) sich befanden, unter sie aus, versah
sie und sich mit Gift und eilte mit dem ihm gebliebenen Haufen
den Euphrat hinauf, um mit seinem Verbündeten, dem Groſs-
könig von Armenien sich zu vereinigen.
In Armenien war inzwischen eine unerwartete Wendung
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