und dem kaspischen Meer sitzenden Stämme mit dem römischen Feldherrn Vertrag ab. Die Albaner, Iberer und überhaupt die südlich am und unter dem Kaukasus ansässigen Völkerschaften traten also wenigstens für den Augenblick in ein abhängiges Ver- hältniss zu Rom. Wenn dagegen auch die Völker zwischen dem Phasis und der Maeotis, Kolcher, Soaner, Heniocher, Jazygen, Achaeer, sogar die fernen Bastarner dem langen Verzeichniss der von Pompeius unterworfenen Nationen eingereiht wurden, so nahm man dabei offenbar es mit dem Begriff der Unterwer- fung nicht allzu genau. Der Kaukasus bewährte sich abermals in seiner weltgeschichtlichen Bedeutung; wie die persische und die hellenische fand auch die römische Eroberung an ihm ihre Grenze.
So blieb denn König Mithradates sich selbst und dem Ver- hängniss überlassen. Wie einst sein Ahnherr, der Gründer des pon- tischen Staates, sein künftiges Reich zuerst betreten hatte auf der Flucht vor den Häschern des Antigonos und nur von sechs Rei- tern begleitet, so hatte nun der Enkel die Grenzen seines Reiches wieder überschreiten und seine und seiner Väter Eroberungen mit dem Rücken ansehen müssen. Aber die Würfel des Verhängnisses hatten keinem öfter und launenhafter die höchsten Gewinne und die gewaltigsten Verluste zugeworfen als dem alten Sultan von Sinope und rasch und unberechenbar wechseln die Geschicke im Osten. Wohl mochte Mithradates jetzt am Abend seines Lebens jeden neuen Wechselfall mit dem Gedanken hinnehmen, dass er doch nur wieder einen neuen Umschwung vorbereite und das einzig Stetige der ewige Wandel der Geschicke sei. War doch die römische Herrschaft den Orientalen im tiefsten Grunde ihres Wesens unerträglich und Mithradates selbst im Guten wie im Bö- sen der rechte Fürst des Ostens; bei der Schlaffheit des Regi- ments, wie der römische Senat es über die Provinzen übte, und bei dem gährenden und zum Bürgerkriege reifenden Hader der politischen Parteien in Rom konnte Mithradates, wenn er es ver- stand seine Zeit abzuwarten, gar wohl noch einmal eine Wieder- herstellung seiner Herrschaft bewirken. Darum blieb er den Rö- mern gefährlich, so lange er lebte, weil er hoffte und plante, so lange Leben in ihm war, als landflüchtiger Greis nicht minder wie da er mit seinen Hunderttausenden ausgezogen war, um Hellas und Makedonien den Römern zu entreissen. Der rastlose alte Mann gelangte im J. 689 von Dioskurias unter unsäglichen Beschwerden theils zu Lande, theils zur See in das Reich von Pantikapaeon, stürzte hier durch sein Ansehen und sein starkes
POMPEIUS UND DER OSTEN.
und dem kaspischen Meer sitzenden Stämme mit dem römischen Feldherrn Vertrag ab. Die Albaner, Iberer und überhaupt die südlich am und unter dem Kaukasus ansässigen Völkerschaften traten also wenigstens für den Augenblick in ein abhängiges Ver- hältniſs zu Rom. Wenn dagegen auch die Völker zwischen dem Phasis und der Maeotis, Kolcher, Soaner, Heniocher, Jazygen, Achaeer, sogar die fernen Bastarner dem langen Verzeichniſs der von Pompeius unterworfenen Nationen eingereiht wurden, so nahm man dabei offenbar es mit dem Begriff der Unterwer- fung nicht allzu genau. Der Kaukasus bewährte sich abermals in seiner weltgeschichtlichen Bedeutung; wie die persische und die hellenische fand auch die römische Eroberung an ihm ihre Grenze.
So blieb denn König Mithradates sich selbst und dem Ver- hängniſs überlassen. Wie einst sein Ahnherr, der Gründer des pon- tischen Staates, sein künftiges Reich zuerst betreten hatte auf der Flucht vor den Häschern des Antigonos und nur von sechs Rei- tern begleitet, so hatte nun der Enkel die Grenzen seines Reiches wieder überschreiten und seine und seiner Väter Eroberungen mit dem Rücken ansehen müssen. Aber die Würfel des Verhängnisses hatten keinem öfter und launenhafter die höchsten Gewinne und die gewaltigsten Verluste zugeworfen als dem alten Sultan von Sinope und rasch und unberechenbar wechseln die Geschicke im Osten. Wohl mochte Mithradates jetzt am Abend seines Lebens jeden neuen Wechselfall mit dem Gedanken hinnehmen, daſs er doch nur wieder einen neuen Umschwung vorbereite und das einzig Stetige der ewige Wandel der Geschicke sei. War doch die römische Herrschaft den Orientalen im tiefsten Grunde ihres Wesens unerträglich und Mithradates selbst im Guten wie im Bö- sen der rechte Fürst des Ostens; bei der Schlaffheit des Regi- ments, wie der römische Senat es über die Provinzen übte, und bei dem gährenden und zum Bürgerkriege reifenden Hader der politischen Parteien in Rom konnte Mithradates, wenn er es ver- stand seine Zeit abzuwarten, gar wohl noch einmal eine Wieder- herstellung seiner Herrschaft bewirken. Darum blieb er den Rö- mern gefährlich, so lange er lebte, weil er hoffte und plante, so lange Leben in ihm war, als landflüchtiger Greis nicht minder wie da er mit seinen Hunderttausenden ausgezogen war, um Hellas und Makedonien den Römern zu entreiſsen. Der rastlose alte Mann gelangte im J. 689 von Dioskurias unter unsäglichen Beschwerden theils zu Lande, theils zur See in das Reich von Pantikapaeon, stürzte hier durch sein Ansehen und sein starkes
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POMPEIUS UND DER OSTEN.
und dem kaspischen Meer sitzenden Stämme mit dem römischen
Feldherrn Vertrag ab. Die Albaner, Iberer und überhaupt die
südlich am und unter dem Kaukasus ansässigen Völkerschaften
traten also wenigstens für den Augenblick in ein abhängiges Ver-
hältniſs zu Rom. Wenn dagegen auch die Völker zwischen dem
Phasis und der Maeotis, Kolcher, Soaner, Heniocher, Jazygen,
Achaeer, sogar die fernen Bastarner dem langen Verzeichniſs der
von Pompeius unterworfenen Nationen eingereiht wurden, so
nahm man dabei offenbar es mit dem Begriff der Unterwer-
fung nicht allzu genau. Der Kaukasus bewährte sich abermals
in seiner weltgeschichtlichen Bedeutung; wie die persische und
die hellenische fand auch die römische Eroberung an ihm ihre
Grenze.
So blieb denn König Mithradates sich selbst und dem Ver-
hängniſs überlassen. Wie einst sein Ahnherr, der Gründer des pon-
tischen Staates, sein künftiges Reich zuerst betreten hatte auf der
Flucht vor den Häschern des Antigonos und nur von sechs Rei-
tern begleitet, so hatte nun der Enkel die Grenzen seines Reiches
wieder überschreiten und seine und seiner Väter Eroberungen mit
dem Rücken ansehen müssen. Aber die Würfel des Verhängnisses
hatten keinem öfter und launenhafter die höchsten Gewinne und
die gewaltigsten Verluste zugeworfen als dem alten Sultan von
Sinope und rasch und unberechenbar wechseln die Geschicke im
Osten. Wohl mochte Mithradates jetzt am Abend seines Lebens
jeden neuen Wechselfall mit dem Gedanken hinnehmen, daſs er
doch nur wieder einen neuen Umschwung vorbereite und das
einzig Stetige der ewige Wandel der Geschicke sei. War doch
die römische Herrschaft den Orientalen im tiefsten Grunde ihres
Wesens unerträglich und Mithradates selbst im Guten wie im Bö-
sen der rechte Fürst des Ostens; bei der Schlaffheit des Regi-
ments, wie der römische Senat es über die Provinzen übte, und
bei dem gährenden und zum Bürgerkriege reifenden Hader der
politischen Parteien in Rom konnte Mithradates, wenn er es ver-
stand seine Zeit abzuwarten, gar wohl noch einmal eine Wieder-
herstellung seiner Herrschaft bewirken. Darum blieb er den Rö-
mern gefährlich, so lange er lebte, weil er hoffte und plante, so
lange Leben in ihm war, als landflüchtiger Greis nicht minder
wie da er mit seinen Hunderttausenden ausgezogen war, um
Hellas und Makedonien den Römern zu entreiſsen. Der rastlose
alte Mann gelangte im J. 689 von Dioskurias unter unsäglichen
Beschwerden theils zu Lande, theils zur See in das Reich von
Pantikapaeon, stürzte hier durch sein Ansehen und sein starkes
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/131>, abgerufen am 23.11.2024.
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