Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.POMPEIUS UND DER OSTEN. thigt hatte im römischen Lager Schutz zu suchen, wie währendder Feldzüge Luculls seine vertrautesten Offiziere Diokles, Phoe- nix, sogar die Chefs der römischen Emigranten zum Feind über- gegangen waren, so folgte jetzt, wo sein Stern erblich und der alte kranke verbitterte Sultan keinem mehr als seinen Verschnit- tenen zugänglich war, noch rascher Abfall auf Abfall. Der Com- mandant der Festung Phanagoria (auf der asiatischen Küste Kertsch gegenüber) Kastor erhob zuerst die Fahne des Aufstan- des; er proclamirte die Freiheit der Stadt und lieferte die in der Festung befindlichen Söhne Mithradats in die Hände der Römer. Während unter den bosporanischen Städten der Aufstand sich ausbreitete, Chersonesos (unweit Sebastopol), Theudosia (Kaffa) und andere sich den Phanagoriten anschlossen, liess der König seinem Argwohn und seiner Grausamkeit den Lauf. Auf die An- zeige verächtlicher Eunuchen hin wurden seine Vertrautesten an das Kreuz geschlagen; die eigenen Söhne des Königs waren ih- res Lebens am wenigsten sicher. Derjenige von ihnen, der des Vaters Liebling und wahrscheinlich von ihm zum Nachfolger bestimmt war, Pharnakes entschloss sich und trat an die Spitze der Insurgenten. Die Häscher, welche kamen um ihn zu verhaf- ten, die gegen ihn ausgesandten Truppen gingen zu ihm über; das Corps der italischen Ueberläufer, vielleicht der tüchtigste un- ter den mithradatischen Heerhaufen und eben darum am wenig- sten geneigt die abenteuerliche und für die Ueberläufer beson- ders bedenkliche Expedition gegen Italien mitzumachen, erklärte sich in Masse für den Prinzen; die übrigen Heerabtheilungen und die Flotte folgten dem gegebenen Beispiel. Nachdem die Land- schaft und die Armee den König verlassen hatten, öffnete endlich auch die Hauptstadt Pantikapaeon den Insurgenten die Thore und überlieferte ihrer Willkür den alten in seinem Palast einge- schlossenen König. Von der hohen Mauer seiner Burg flehte die- ser den Sohn an ihm wenigstens das Leben zu gewähren und nicht in das Blut des Vaters die Hände zu tauchen; aber die Bitte klang übel aus dem Munde eines Mannes, an dessen eigenen Händen das Blut der Mutter und das frisch vergossene seines unschuldigen Sohnes Xiphares klebte. Pharnakes blieb unerbitt- lich. Da es nun also zum Tode ging, so beschloss der Sultan wenigstens zu sterben, wie er gelebt hatte, und befahl seinem gan- zen Harem Gift zu reichen: seine Frauen, seine Kebse und seine Töchter, unter diesen die jugendlichen Bräute der Könige von Aegypten und Kypros, sie alle mussten die Bitterkeit des Todes erleiden, bevor auch er den Giftbecher nahm und, da dieser nicht POMPEIUS UND DER OSTEN. thigt hatte im römischen Lager Schutz zu suchen, wie währendder Feldzüge Luculls seine vertrautesten Offiziere Diokles, Phoe- nix, sogar die Chefs der römischen Emigranten zum Feind über- gegangen waren, so folgte jetzt, wo sein Stern erblich und der alte kranke verbitterte Sultan keinem mehr als seinen Verschnit- tenen zugänglich war, noch rascher Abfall auf Abfall. Der Com- mandant der Festung Phanagoria (auf der asiatischen Küste Kertsch gegenüber) Kastor erhob zuerst die Fahne des Aufstan- des; er proclamirte die Freiheit der Stadt und lieferte die in der Festung befindlichen Söhne Mithradats in die Hände der Römer. Während unter den bosporanischen Städten der Aufstand sich ausbreitete, Chersonesos (unweit Sebastopol), Theudosia (Kaffa) und andere sich den Phanagoriten anschlossen, lieſs der König seinem Argwohn und seiner Grausamkeit den Lauf. Auf die An- zeige verächtlicher Eunuchen hin wurden seine Vertrautesten an das Kreuz geschlagen; die eigenen Söhne des Königs waren ih- res Lebens am wenigsten sicher. Derjenige von ihnen, der des Vaters Liebling und wahrscheinlich von ihm zum Nachfolger bestimmt war, Pharnakes entschloſs sich und trat an die Spitze der Insurgenten. Die Häscher, welche kamen um ihn zu verhaf- ten, die gegen ihn ausgesandten Truppen gingen zu ihm über; das Corps der italischen Ueberläufer, vielleicht der tüchtigste un- ter den mithradatischen Heerhaufen und eben darum am wenig- sten geneigt die abenteuerliche und für die Ueberläufer beson- ders bedenkliche Expedition gegen Italien mitzumachen, erklärte sich in Masse für den Prinzen; die übrigen Heerabtheilungen und die Flotte folgten dem gegebenen Beispiel. Nachdem die Land- schaft und die Armee den König verlassen hatten, öffnete endlich auch die Hauptstadt Pantikapaeon den Insurgenten die Thore und überlieferte ihrer Willkür den alten in seinem Palast einge- schlossenen König. Von der hohen Mauer seiner Burg flehte die- ser den Sohn an ihm wenigstens das Leben zu gewähren und nicht in das Blut des Vaters die Hände zu tauchen; aber die Bitte klang übel aus dem Munde eines Mannes, an dessen eigenen Händen das Blut der Mutter und das frisch vergossene seines unschuldigen Sohnes Xiphares klebte. Pharnakes blieb unerbitt- lich. Da es nun also zum Tode ging, so beschloſs der Sultan wenigstens zu sterben, wie er gelebt hatte, und befahl seinem gan- zen Harem Gift zu reichen: seine Frauen, seine Kebse und seine Töchter, unter diesen die jugendlichen Bräute der Könige von Aegypten und Kypros, sie alle muſsten die Bitterkeit des Todes erleiden, bevor auch er den Giftbecher nahm und, da dieser nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0133" n="123"/><fw place="top" type="header">POMPEIUS UND DER OSTEN.</fw><lb/> thigt hatte im römischen Lager Schutz zu suchen, wie während<lb/> der Feldzüge Luculls seine vertrautesten Offiziere Diokles, Phoe-<lb/> nix, sogar die Chefs der römischen Emigranten zum Feind über-<lb/> gegangen waren, so folgte jetzt, wo sein Stern erblich und der<lb/> alte kranke verbitterte Sultan keinem mehr als seinen Verschnit-<lb/> tenen zugänglich war, noch rascher Abfall auf Abfall. Der Com-<lb/> mandant der Festung Phanagoria (auf der asiatischen Küste<lb/> Kertsch gegenüber) Kastor erhob zuerst die Fahne des Aufstan-<lb/> des; er proclamirte die Freiheit der Stadt und lieferte die in der<lb/> Festung befindlichen Söhne Mithradats in die Hände der Römer.<lb/> Während unter den bosporanischen Städten der Aufstand sich<lb/> ausbreitete, Chersonesos (unweit Sebastopol), Theudosia (Kaffa)<lb/> und andere sich den Phanagoriten anschlossen, lieſs der König<lb/> seinem Argwohn und seiner Grausamkeit den Lauf. Auf die An-<lb/> zeige verächtlicher Eunuchen hin wurden seine Vertrautesten an<lb/> das Kreuz geschlagen; die eigenen Söhne des Königs waren ih-<lb/> res Lebens am wenigsten sicher. Derjenige von ihnen, der des<lb/> Vaters Liebling und wahrscheinlich von ihm zum Nachfolger<lb/> bestimmt war, Pharnakes entschloſs sich und trat an die Spitze<lb/> der Insurgenten. Die Häscher, welche kamen um ihn zu verhaf-<lb/> ten, die gegen ihn ausgesandten Truppen gingen zu ihm über;<lb/> das Corps der italischen Ueberläufer, vielleicht der tüchtigste un-<lb/> ter den mithradatischen Heerhaufen und eben darum am wenig-<lb/> sten geneigt die abenteuerliche und für die <choice><sic>Uaberläufer</sic><corr>Ueberläufer</corr></choice> beson-<lb/> ders bedenkliche Expedition gegen Italien mitzumachen, erklärte<lb/> sich in Masse für den Prinzen; die übrigen Heerabtheilungen und<lb/> die Flotte folgten dem gegebenen Beispiel. Nachdem die Land-<lb/> schaft und die Armee den König verlassen hatten, öffnete endlich<lb/> auch die Hauptstadt Pantikapaeon den Insurgenten die Thore<lb/> und überlieferte ihrer Willkür den alten in seinem Palast einge-<lb/> schlossenen König. Von der hohen Mauer seiner Burg flehte die-<lb/> ser den Sohn an ihm wenigstens das Leben zu gewähren und<lb/> nicht in das Blut des Vaters die Hände zu tauchen; aber die Bitte<lb/> klang übel aus dem Munde eines Mannes, an dessen eigenen<lb/> Händen das Blut der Mutter und das frisch vergossene seines<lb/> unschuldigen Sohnes Xiphares klebte. Pharnakes blieb unerbitt-<lb/> lich. Da es nun also zum Tode ging, so beschloſs der Sultan<lb/> wenigstens zu sterben, wie er gelebt hatte, und befahl seinem gan-<lb/> zen Harem Gift zu reichen: seine Frauen, seine Kebse und seine<lb/> Töchter, unter diesen die jugendlichen Bräute der Könige von<lb/> Aegypten und Kypros, sie alle muſsten die Bitterkeit des Todes<lb/> erleiden, bevor auch er den Giftbecher nahm und, da dieser nicht<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [123/0133]
POMPEIUS UND DER OSTEN.
thigt hatte im römischen Lager Schutz zu suchen, wie während
der Feldzüge Luculls seine vertrautesten Offiziere Diokles, Phoe-
nix, sogar die Chefs der römischen Emigranten zum Feind über-
gegangen waren, so folgte jetzt, wo sein Stern erblich und der
alte kranke verbitterte Sultan keinem mehr als seinen Verschnit-
tenen zugänglich war, noch rascher Abfall auf Abfall. Der Com-
mandant der Festung Phanagoria (auf der asiatischen Küste
Kertsch gegenüber) Kastor erhob zuerst die Fahne des Aufstan-
des; er proclamirte die Freiheit der Stadt und lieferte die in der
Festung befindlichen Söhne Mithradats in die Hände der Römer.
Während unter den bosporanischen Städten der Aufstand sich
ausbreitete, Chersonesos (unweit Sebastopol), Theudosia (Kaffa)
und andere sich den Phanagoriten anschlossen, lieſs der König
seinem Argwohn und seiner Grausamkeit den Lauf. Auf die An-
zeige verächtlicher Eunuchen hin wurden seine Vertrautesten an
das Kreuz geschlagen; die eigenen Söhne des Königs waren ih-
res Lebens am wenigsten sicher. Derjenige von ihnen, der des
Vaters Liebling und wahrscheinlich von ihm zum Nachfolger
bestimmt war, Pharnakes entschloſs sich und trat an die Spitze
der Insurgenten. Die Häscher, welche kamen um ihn zu verhaf-
ten, die gegen ihn ausgesandten Truppen gingen zu ihm über;
das Corps der italischen Ueberläufer, vielleicht der tüchtigste un-
ter den mithradatischen Heerhaufen und eben darum am wenig-
sten geneigt die abenteuerliche und für die Ueberläufer beson-
ders bedenkliche Expedition gegen Italien mitzumachen, erklärte
sich in Masse für den Prinzen; die übrigen Heerabtheilungen und
die Flotte folgten dem gegebenen Beispiel. Nachdem die Land-
schaft und die Armee den König verlassen hatten, öffnete endlich
auch die Hauptstadt Pantikapaeon den Insurgenten die Thore
und überlieferte ihrer Willkür den alten in seinem Palast einge-
schlossenen König. Von der hohen Mauer seiner Burg flehte die-
ser den Sohn an ihm wenigstens das Leben zu gewähren und
nicht in das Blut des Vaters die Hände zu tauchen; aber die Bitte
klang übel aus dem Munde eines Mannes, an dessen eigenen
Händen das Blut der Mutter und das frisch vergossene seines
unschuldigen Sohnes Xiphares klebte. Pharnakes blieb unerbitt-
lich. Da es nun also zum Tode ging, so beschloſs der Sultan
wenigstens zu sterben, wie er gelebt hatte, und befahl seinem gan-
zen Harem Gift zu reichen: seine Frauen, seine Kebse und seine
Töchter, unter diesen die jugendlichen Bräute der Könige von
Aegypten und Kypros, sie alle muſsten die Bitterkeit des Todes
erleiden, bevor auch er den Giftbecher nahm und, da dieser nicht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |