Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL IV. theuer erkauft schien, ersuchte den König der Nabataeer Aretasum Hülfe gegen Aristobulos, wofür sie ihm alle von Jannaeos ihm entrissenen Eroberungen zurückzugeben verhiess. Darauf hin war Aretas mit angeblich 50000 Mann in das jüdische Land ein- gerückt und, verstärkt durch den Anhang der Pharisäer, hielt er den König Aristobulos in seiner Hauptstadt belagert. -- Unter dem Faust- und Fehderecht, die also von einem Ende Syriens zum andern herrschten, litten natürlich vor allen Dingen die grös- seren Städte, wie Antiochia, Seleukeia, Damaskos, deren Bürger in ihrem Feldbau wie in ihrem See- und Karawanenhandel sich gelähmt sahen. Die Bürger von Byblos und Berytos (Beirut) ver- mochten ihre Aecker und ihre Schiffe nicht vor den Ituraeern zu schützen, die von ihren Berg- und Seecastellen aus Land und Meer gleich unsicher machten. Die von Damaskos suchten der Angriffe der Ituraeer und des Ptolemaeos dadurch sich zu er- wehren, dass sie sich den fernen Königen der Nabataeer oder der Juden zu eigen gaben. In Antiochia mischten sich Sampsikera- mos und Azizos in die inneren Fehden der Bürgerschaft und fast wäre die hellenische Grossstadt der Sitz eines arabischen Emirs geworden. Es waren Zustände, die an die königlosen Zeiten des deutschen Mittelalters erinnern, als Nürnberg und Augsburg nicht in des Königs Recht und Gericht, sondern einzig in ihren Wällen noch Schutz fanden; ungeduldig harrten die syrischen Kaufbür- ger des starken Arms, der ihnen Frieden und Verkehrssicherheit wiedergab. An einem legitimen König zwar fehlte es in Syrien nicht; Antiochos der Asiate war sowohl vom Senat als von Lu- cullus als solcher anerkannt worden (S. 57. 62). Allein Lucullus hatte wohl einem andern Prinzen aus dem gleichen Stamme der Seleukiden und gleichen Namens zu dem Besitz der nördlichsten syrischen Landschaft Kommagene verholfen, aber es Antiochos dem Asiaten selber überlassen müssen den Thron seiner Väter wieder aufzurichten. In der That war dieser nach dem Abzug der Armenier in Antiochia aufgenommen und als König anerkannt worden. Aber sogleich war ihm ein anderer Seleukidenprinz Phi- lippos als Nebenbuhler entgegengetreten und hatte die grosse fast wie die alexandrinische bewegliche und oppositionslustige Bür- gerschaft von Antiochia so wie dieser und jener benachbarte arabische Emir sich eingemischt in den Familienzwist, der nun einmal von der Herrschaft der Seleukiden unzertrennlich schien. War es ein Wunder, dass die Legitimität den Unterthanen zum Spott und zum Ekel ward und dass die sogenannten rechtmässi- FÜNFTES BUCH. KAPITEL IV. theuer erkauft schien, ersuchte den König der Nabataeer Aretasum Hülfe gegen Aristobulos, wofür sie ihm alle von Jannaeos ihm entrissenen Eroberungen zurückzugeben verhieſs. Darauf hin war Aretas mit angeblich 50000 Mann in das jüdische Land ein- gerückt und, verstärkt durch den Anhang der Pharisäer, hielt er den König Aristobulos in seiner Hauptstadt belagert. — Unter dem Faust- und Fehderecht, die also von einem Ende Syriens zum andern herrschten, litten natürlich vor allen Dingen die grös- seren Städte, wie Antiochia, Seleukeia, Damaskos, deren Bürger in ihrem Feldbau wie in ihrem See- und Karawanenhandel sich gelähmt sahen. Die Bürger von Byblos und Berytos (Beirut) ver- mochten ihre Aecker und ihre Schiffe nicht vor den Ituraeern zu schützen, die von ihren Berg- und Seecastellen aus Land und Meer gleich unsicher machten. Die von Damaskos suchten der Angriffe der Ituraeer und des Ptolemaeos dadurch sich zu er- wehren, daſs sie sich den fernen Königen der Nabataeer oder der Juden zu eigen gaben. In Antiochia mischten sich Sampsikera- mos und Azizos in die inneren Fehden der Bürgerschaft und fast wäre die hellenische Groſsstadt der Sitz eines arabischen Emirs geworden. Es waren Zustände, die an die königlosen Zeiten des deutschen Mittelalters erinnern, als Nürnberg und Augsburg nicht in des Königs Recht und Gericht, sondern einzig in ihren Wällen noch Schutz fanden; ungeduldig harrten die syrischen Kaufbür- ger des starken Arms, der ihnen Frieden und Verkehrssicherheit wiedergab. An einem legitimen König zwar fehlte es in Syrien nicht; Antiochos der Asiate war sowohl vom Senat als von Lu- cullus als solcher anerkannt worden (S. 57. 62). Allein Lucullus hatte wohl einem andern Prinzen aus dem gleichen Stamme der Seleukiden und gleichen Namens zu dem Besitz der nördlichsten syrischen Landschaft Kommagene verholfen, aber es Antiochos dem Asiaten selber überlassen müssen den Thron seiner Väter wieder aufzurichten. In der That war dieser nach dem Abzug der Armenier in Antiochia aufgenommen und als König anerkannt worden. Aber sogleich war ihm ein anderer Seleukidenprinz Phi- lippos als Nebenbuhler entgegengetreten und hatte die groſse fast wie die alexandrinische bewegliche und oppositionslustige Bür- gerschaft von Antiochia so wie dieser und jener benachbarte arabische Emir sich eingemischt in den Familienzwist, der nun einmal von der Herrschaft der Seleukiden unzertrennlich schien. War es ein Wunder, daſs die Legitimität den Unterthanen zum Spott und zum Ekel ward und daſs die sogenannten rechtmäſsi- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0138" n="128"/><fw place="top" type="header">FÜNFTES BUCH. 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FÜNFTES BUCH. KAPITEL IV.
theuer erkauft schien, ersuchte den König der Nabataeer Aretas
um Hülfe gegen Aristobulos, wofür sie ihm alle von Jannaeos
ihm entrissenen Eroberungen zurückzugeben verhieſs. Darauf hin
war Aretas mit angeblich 50000 Mann in das jüdische Land ein-
gerückt und, verstärkt durch den Anhang der Pharisäer, hielt er
den König Aristobulos in seiner Hauptstadt belagert. — Unter
dem Faust- und Fehderecht, die also von einem Ende Syriens
zum andern herrschten, litten natürlich vor allen Dingen die grös-
seren Städte, wie Antiochia, Seleukeia, Damaskos, deren Bürger
in ihrem Feldbau wie in ihrem See- und Karawanenhandel sich
gelähmt sahen. Die Bürger von Byblos und Berytos (Beirut) ver-
mochten ihre Aecker und ihre Schiffe nicht vor den Ituraeern zu
schützen, die von ihren Berg- und Seecastellen aus Land und
Meer gleich unsicher machten. Die von Damaskos suchten der
Angriffe der Ituraeer und des Ptolemaeos dadurch sich zu er-
wehren, daſs sie sich den fernen Königen der Nabataeer oder der
Juden zu eigen gaben. In Antiochia mischten sich Sampsikera-
mos und Azizos in die inneren Fehden der Bürgerschaft und fast
wäre die hellenische Groſsstadt der Sitz eines arabischen Emirs
geworden. Es waren Zustände, die an die königlosen Zeiten des
deutschen Mittelalters erinnern, als Nürnberg und Augsburg nicht
in des Königs Recht und Gericht, sondern einzig in ihren Wällen
noch Schutz fanden; ungeduldig harrten die syrischen Kaufbür-
ger des starken Arms, der ihnen Frieden und Verkehrssicherheit
wiedergab. An einem legitimen König zwar fehlte es in Syrien
nicht; Antiochos der Asiate war sowohl vom Senat als von Lu-
cullus als solcher anerkannt worden (S. 57. 62). Allein Lucullus
hatte wohl einem andern Prinzen aus dem gleichen Stamme der
Seleukiden und gleichen Namens zu dem Besitz der nördlichsten
syrischen Landschaft Kommagene verholfen, aber es Antiochos
dem Asiaten selber überlassen müssen den Thron seiner Väter
wieder aufzurichten. In der That war dieser nach dem Abzug der
Armenier in Antiochia aufgenommen und als König anerkannt
worden. Aber sogleich war ihm ein anderer Seleukidenprinz Phi-
lippos als Nebenbuhler entgegengetreten und hatte die groſse fast
wie die alexandrinische bewegliche und oppositionslustige Bür-
gerschaft von Antiochia so wie dieser und jener benachbarte
arabische Emir sich eingemischt in den Familienzwist, der nun
einmal von der Herrschaft der Seleukiden unzertrennlich schien.
War es ein Wunder, daſs die Legitimität den Unterthanen zum
Spott und zum Ekel ward und daſs die sogenannten rechtmäſsi-
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