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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL I.
pularen zu mildern. Da waren ferner die eigentlichen Popularen,
die ehrlich gläubigen bornirten Radicalen, die für die Schlagwör-
ter des Parteiprogramms Vermögen und Leben einsetzten, um
nach dem Siege mit schmerzlichem Erstaunen zu erkennen, dass
sie nicht für eine Sache, sondern für eine Phrase gefochten hat-
ten. Die tribunicische Gewalt, die Sulla zwar nicht aufgehoben,
aber doch ihrer wesentlichsten Befugnisse entkleidet hatte, wirkte
nur mit um so geheimnissvollerem Zauber auf die Menge, weil
das Institut ohne handgreiflichen praktischen Nutzen und in der
That ein leeres Gespenst war -- hat doch der Name des Volks-
tribuns noch über ein Jahrtausend später Rom revolutionirt.
Da waren vor allem die zahlreichen und wichtigen Klassen, die
die sullanische Restauration unbefriedigt gelassen oder geradezu
in ihren politischen oder Privatinteressen verletzt hatte. Aus sol-
chen Ursachen gehörte der Opposition an die dichte und wohl-
habende Bevölkerung der Landschaft zwischen dem Po und den
Alpen, die natürlich die Gewährung des latinischen Rechts im
J. 665 (II, 230) nur als eine Abschlagszahlung auf das volle rö-
mische Bürgerrecht betrachtete und der Agitation einen willfäh-
rigen Boden gewährte. Dessgleichen die ebenfalls durch Anzahl
und Reichthum einflussreichen und durch ihre Zusammendrän-
gung in der Hauptstadt noch besonders gefährlichen Freigelas-
senen, die es nicht verschmerzen konnten durch die Restaura-
tion wieder auf ihr früheres praktisch nichtiges Stimmrecht
zurückgeführt worden zu sein. Dessgleichen ferner die hohe Fi-
nanz, die zwar vorsichtig sich still verhielt, aber ihren zähen
Groll und ihre nicht minder zähe Macht nach wie vor sich be-
wahrte. Ebenso missvergnügt war die hauptstädtische Menge,
die die wahre Freiheit im freien Brotkorn erkannte. Noch tiefere
Erbitterung gährte in den von den sullanischen Confiscationen
betroffenen Bürgerschaften, mochten sie nun, wie die Pompeia-
ner, in beschränktem Besitz innerhalb desselben Mauerringes mit
den sullanischen Colonisten und mit denselben in ewigem Hader
leben, oder, wie zum Beispiel die Arretiner und Volaterraner, zwar
noch im thatsächlichen Besitz ihrer Mark, aber unter dem Damo-
klesschwert der vom römischen Volke über sie verhängten Con-
fiscation sich befinden, oder endlich, wie dies besonders in Etru-
rien der Fall war, als Bettler in ihren ehemaligen Wohnsitzen
oder als Räuber in den Wäldern verkommen. Es war endlich in
Gährung der ganze Familien- und Freigelassenenanhang, derje-
nigen demokratischen Häupter, die in Folge der Restauration das
Leben verloren hatten oder in allem Elend des Emigrantenthums

FÜNFTES BUCH. KAPITEL I.
pularen zu mildern. Da waren ferner die eigentlichen Popularen,
die ehrlich gläubigen bornirten Radicalen, die für die Schlagwör-
ter des Parteiprogramms Vermögen und Leben einsetzten, um
nach dem Siege mit schmerzlichem Erstaunen zu erkennen, daſs
sie nicht für eine Sache, sondern für eine Phrase gefochten hat-
ten. Die tribunicische Gewalt, die Sulla zwar nicht aufgehoben,
aber doch ihrer wesentlichsten Befugnisse entkleidet hatte, wirkte
nur mit um so geheimniſsvollerem Zauber auf die Menge, weil
das Institut ohne handgreiflichen praktischen Nutzen und in der
That ein leeres Gespenst war — hat doch der Name des Volks-
tribuns noch über ein Jahrtausend später Rom revolutionirt.
Da waren vor allem die zahlreichen und wichtigen Klassen, die
die sullanische Restauration unbefriedigt gelassen oder geradezu
in ihren politischen oder Privatinteressen verletzt hatte. Aus sol-
chen Ursachen gehörte der Opposition an die dichte und wohl-
habende Bevölkerung der Landschaft zwischen dem Po und den
Alpen, die natürlich die Gewährung des latinischen Rechts im
J. 665 (II, 230) nur als eine Abschlagszahlung auf das volle rö-
mische Bürgerrecht betrachtete und der Agitation einen willfäh-
rigen Boden gewährte. Deſsgleichen die ebenfalls durch Anzahl
und Reichthum einfluſsreichen und durch ihre Zusammendrän-
gung in der Hauptstadt noch besonders gefährlichen Freigelas-
senen, die es nicht verschmerzen konnten durch die Restaura-
tion wieder auf ihr früheres praktisch nichtiges Stimmrecht
zurückgeführt worden zu sein. Deſsgleichen ferner die hohe Fi-
nanz, die zwar vorsichtig sich still verhielt, aber ihren zähen
Groll und ihre nicht minder zähe Macht nach wie vor sich be-
wahrte. Ebenso miſsvergnügt war die hauptstädtische Menge,
die die wahre Freiheit im freien Brotkorn erkannte. Noch tiefere
Erbitterung gährte in den von den sullanischen Confiscationen
betroffenen Bürgerschaften, mochten sie nun, wie die Pompeia-
ner, in beschränktem Besitz innerhalb desselben Mauerringes mit
den sullanischen Colonisten und mit denselben in ewigem Hader
leben, oder, wie zum Beispiel die Arretiner und Volaterraner, zwar
noch im thatsächlichen Besitz ihrer Mark, aber unter dem Damo-
klesschwert der vom römischen Volke über sie verhängten Con-
fiscation sich befinden, oder endlich, wie dies besonders in Etru-
rien der Fall war, als Bettler in ihren ehemaligen Wohnsitzen
oder als Räuber in den Wäldern verkommen. Es war endlich in
Gährung der ganze Familien- und Freigelassenenanhang, derje-
nigen demokratischen Häupter, die in Folge der Restauration das
Leben verloren hatten oder in allem Elend des Emigrantenthums

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[4/0014] FÜNFTES BUCH. KAPITEL I. pularen zu mildern. Da waren ferner die eigentlichen Popularen, die ehrlich gläubigen bornirten Radicalen, die für die Schlagwör- ter des Parteiprogramms Vermögen und Leben einsetzten, um nach dem Siege mit schmerzlichem Erstaunen zu erkennen, daſs sie nicht für eine Sache, sondern für eine Phrase gefochten hat- ten. Die tribunicische Gewalt, die Sulla zwar nicht aufgehoben, aber doch ihrer wesentlichsten Befugnisse entkleidet hatte, wirkte nur mit um so geheimniſsvollerem Zauber auf die Menge, weil das Institut ohne handgreiflichen praktischen Nutzen und in der That ein leeres Gespenst war — hat doch der Name des Volks- tribuns noch über ein Jahrtausend später Rom revolutionirt. Da waren vor allem die zahlreichen und wichtigen Klassen, die die sullanische Restauration unbefriedigt gelassen oder geradezu in ihren politischen oder Privatinteressen verletzt hatte. Aus sol- chen Ursachen gehörte der Opposition an die dichte und wohl- habende Bevölkerung der Landschaft zwischen dem Po und den Alpen, die natürlich die Gewährung des latinischen Rechts im J. 665 (II, 230) nur als eine Abschlagszahlung auf das volle rö- mische Bürgerrecht betrachtete und der Agitation einen willfäh- rigen Boden gewährte. Deſsgleichen die ebenfalls durch Anzahl und Reichthum einfluſsreichen und durch ihre Zusammendrän- gung in der Hauptstadt noch besonders gefährlichen Freigelas- senen, die es nicht verschmerzen konnten durch die Restaura- tion wieder auf ihr früheres praktisch nichtiges Stimmrecht zurückgeführt worden zu sein. Deſsgleichen ferner die hohe Fi- nanz, die zwar vorsichtig sich still verhielt, aber ihren zähen Groll und ihre nicht minder zähe Macht nach wie vor sich be- wahrte. Ebenso miſsvergnügt war die hauptstädtische Menge, die die wahre Freiheit im freien Brotkorn erkannte. Noch tiefere Erbitterung gährte in den von den sullanischen Confiscationen betroffenen Bürgerschaften, mochten sie nun, wie die Pompeia- ner, in beschränktem Besitz innerhalb desselben Mauerringes mit den sullanischen Colonisten und mit denselben in ewigem Hader leben, oder, wie zum Beispiel die Arretiner und Volaterraner, zwar noch im thatsächlichen Besitz ihrer Mark, aber unter dem Damo- klesschwert der vom römischen Volke über sie verhängten Con- fiscation sich befinden, oder endlich, wie dies besonders in Etru- rien der Fall war, als Bettler in ihren ehemaligen Wohnsitzen oder als Räuber in den Wäldern verkommen. Es war endlich in Gährung der ganze Familien- und Freigelassenenanhang, derje- nigen demokratischen Häupter, die in Folge der Restauration das Leben verloren hatten oder in allem Elend des Emigrantenthums

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/14>, abgerufen am 21.11.2024.