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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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DER PARTEIENKAMPF WÄHREND POMPEIUS ABWESENHEIT.
sodann einen ihrer Chefs sei es mit der Eroberung Aegyptens,
sei es mit der Statthalterschaft Spaniens oder einem ähnlichen
ordentlichen oder ausserordentlichen Amte zu betrauen, in wel-
chem die ausserordentliche Gewalt des Pompeius wenigstens eini-
germassen ein Gegengewicht gefunden hätte. Dies Ziel konnte
nur erreicht werden durch eine Revolution, die zunächst gegen
die nominelle Regierung, in der That gegen Pompeius als den
designirten Monarchen sich richtete * und zu deren Einleitung
von der Erlassung der gabinisch-manilischen Gesetze an bis auf
Pompeius Rückkehr (688--692) die Verschwörung in Rom in
Permanenz war. Die Gemüther waren in ängstlicher Spannung;
die gedrückte Stimmung der Capitalisten, die Zahlungsstockun-
gen, die häufigen Bankerotte waren Vorboten der im Geheimen
gährenden Umwälzung, die zugleich eine gänzlich neue Stellung
der Parteien herbeiführen zu müssen schien. Der Anschlag der
Demokratie, der zugleich gegen den Senat und gegen Pompeius
gerichtet war, legte eine Annäherung zwischen diesen nahe. Die
Demokratie aber, indem sie der Militärdictatur des Pompeius die
eines ihr genehmeren Mannes entgegenzustellen unternahm, er-
kannte genau genommen auch ihrerseits sie als unvermeidlich an
und trieb in der That den Teufel aus durch Beelzebub; unter den
Händen ward ihr die Principien- zur Personenfrage.

Die Einleitung der von den Führern der Demokratie ent-
worfenen Revolution sollte der Sturz der bestehenden Regierung
durch eine zunächst in Rom von demokratischen Verschwor-
nen angestiftete Insurrection sein. Der sittliche Zustand der
niedrigsten wie der höchsten Schichten der hauptstädtischen
Gesellschaft bot hiezu den Stoff in beklagenswerther Fülle. Wie
das freie und das Sclavenproletariat der Hauptstadt beschaffen
waren, braucht hier nicht wiederholt zu werden. Es ward
schon das bezeichnende Wort vernommen, dass nur der Arme
den Armen zu vertreten fähig sei -- wie man sieht, regte der

* Wer die Gesammtlage der politischen Verhältnisse dieser Zeit über-
sieht, wird specieller Beweise nicht bedürfen, um zu der Einsicht zu ge-
langen, dass das wesentliche Ziel der demokratischen Machinationen
688fg. nicht der Sturz des Senats war, sondern der des Pompeius. Doch
fehlt es auch an solchen nicht. Dass das gabinisch-manilische Gesetz der
Demokratie einen tödtlichen Schlag versetzte, sagt Sallust (Cat. 39); dass
die Verschwörung 688--689 und die servilische Rogation speciell gegen
Pompeius gerichtet waren, ist gleichfalls bezeugt (Sallust Cat. 19; Val.
Max. 6, 2, 4; Cic. de lege agr. 2, 17, 46). Ueberdies zeigt Crassus Stel-
lung zu der Verschwörung allein schon hinreichend, dass sie gegen Pom-
peius gerichtet war.

DER PARTEIENKAMPF WÄHREND POMPEIUS ABWESENHEIT.
sodann einen ihrer Chefs sei es mit der Eroberung Aegyptens,
sei es mit der Statthalterschaft Spaniens oder einem ähnlichen
ordentlichen oder auſserordentlichen Amte zu betrauen, in wel-
chem die auſserordentliche Gewalt des Pompeius wenigstens eini-
germaſsen ein Gegengewicht gefunden hätte. Dies Ziel konnte
nur erreicht werden durch eine Revolution, die zunächst gegen
die nominelle Regierung, in der That gegen Pompeius als den
designirten Monarchen sich richtete * und zu deren Einleitung
von der Erlassung der gabinisch-manilischen Gesetze an bis auf
Pompeius Rückkehr (688—692) die Verschwörung in Rom in
Permanenz war. Die Gemüther waren in ängstlicher Spannung;
die gedrückte Stimmung der Capitalisten, die Zahlungsstockun-
gen, die häufigen Bankerotte waren Vorboten der im Geheimen
gährenden Umwälzung, die zugleich eine gänzlich neue Stellung
der Parteien herbeiführen zu müssen schien. Der Anschlag der
Demokratie, der zugleich gegen den Senat und gegen Pompeius
gerichtet war, legte eine Annäherung zwischen diesen nahe. Die
Demokratie aber, indem sie der Militärdictatur des Pompeius die
eines ihr genehmeren Mannes entgegenzustellen unternahm, er-
kannte genau genommen auch ihrerseits sie als unvermeidlich an
und trieb in der That den Teufel aus durch Beelzebub; unter den
Händen ward ihr die Principien- zur Personenfrage.

Die Einleitung der von den Führern der Demokratie ent-
worfenen Revolution sollte der Sturz der bestehenden Regierung
durch eine zunächst in Rom von demokratischen Verschwor-
nen angestiftete Insurrection sein. Der sittliche Zustand der
niedrigsten wie der höchsten Schichten der hauptstädtischen
Gesellschaft bot hiezu den Stoff in beklagenswerther Fülle. Wie
das freie und das Sclavenproletariat der Hauptstadt beschaffen
waren, braucht hier nicht wiederholt zu werden. Es ward
schon das bezeichnende Wort vernommen, daſs nur der Arme
den Armen zu vertreten fähig sei — wie man sieht, regte der

* Wer die Gesammtlage der politischen Verhältnisse dieser Zeit über-
sieht, wird specieller Beweise nicht bedürfen, um zu der Einsicht zu ge-
langen, daſs das wesentliche Ziel der demokratischen Machinationen
688fg. nicht der Sturz des Senats war, sondern der des Pompeius. Doch
fehlt es auch an solchen nicht. Daſs das gabinisch-manilische Gesetz der
Demokratie einen tödtlichen Schlag versetzte, sagt Sallust (Cat. 39); daſs
die Verschwörung 688—689 und die servilische Rogation speciell gegen
Pompeius gerichtet waren, ist gleichfalls bezeugt (Sallust Cat. 19; Val.
Max. 6, 2, 4; Cic. de lege agr. 2, 17, 46). Ueberdies zeigt Crassus Stel-
lung zu der Verschwörung allein schon hinreichend, daſs sie gegen Pom-
peius gerichtet war.
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[157/0167] DER PARTEIENKAMPF WÄHREND POMPEIUS ABWESENHEIT. sodann einen ihrer Chefs sei es mit der Eroberung Aegyptens, sei es mit der Statthalterschaft Spaniens oder einem ähnlichen ordentlichen oder auſserordentlichen Amte zu betrauen, in wel- chem die auſserordentliche Gewalt des Pompeius wenigstens eini- germaſsen ein Gegengewicht gefunden hätte. Dies Ziel konnte nur erreicht werden durch eine Revolution, die zunächst gegen die nominelle Regierung, in der That gegen Pompeius als den designirten Monarchen sich richtete * und zu deren Einleitung von der Erlassung der gabinisch-manilischen Gesetze an bis auf Pompeius Rückkehr (688—692) die Verschwörung in Rom in Permanenz war. Die Gemüther waren in ängstlicher Spannung; die gedrückte Stimmung der Capitalisten, die Zahlungsstockun- gen, die häufigen Bankerotte waren Vorboten der im Geheimen gährenden Umwälzung, die zugleich eine gänzlich neue Stellung der Parteien herbeiführen zu müssen schien. Der Anschlag der Demokratie, der zugleich gegen den Senat und gegen Pompeius gerichtet war, legte eine Annäherung zwischen diesen nahe. Die Demokratie aber, indem sie der Militärdictatur des Pompeius die eines ihr genehmeren Mannes entgegenzustellen unternahm, er- kannte genau genommen auch ihrerseits sie als unvermeidlich an und trieb in der That den Teufel aus durch Beelzebub; unter den Händen ward ihr die Principien- zur Personenfrage. Die Einleitung der von den Führern der Demokratie ent- worfenen Revolution sollte der Sturz der bestehenden Regierung durch eine zunächst in Rom von demokratischen Verschwor- nen angestiftete Insurrection sein. Der sittliche Zustand der niedrigsten wie der höchsten Schichten der hauptstädtischen Gesellschaft bot hiezu den Stoff in beklagenswerther Fülle. Wie das freie und das Sclavenproletariat der Hauptstadt beschaffen waren, braucht hier nicht wiederholt zu werden. Es ward schon das bezeichnende Wort vernommen, daſs nur der Arme den Armen zu vertreten fähig sei — wie man sieht, regte der * Wer die Gesammtlage der politischen Verhältnisse dieser Zeit über- sieht, wird specieller Beweise nicht bedürfen, um zu der Einsicht zu ge- langen, daſs das wesentliche Ziel der demokratischen Machinationen 688fg. nicht der Sturz des Senats war, sondern der des Pompeius. Doch fehlt es auch an solchen nicht. Daſs das gabinisch-manilische Gesetz der Demokratie einen tödtlichen Schlag versetzte, sagt Sallust (Cat. 39); daſs die Verschwörung 688—689 und die servilische Rogation speciell gegen Pompeius gerichtet waren, ist gleichfalls bezeugt (Sallust Cat. 19; Val. Max. 6, 2, 4; Cic. de lege agr. 2, 17, 46). Ueberdies zeigt Crassus Stel- lung zu der Verschwörung allein schon hinreichend, daſs sie gegen Pom- peius gerichtet war.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/167>, abgerufen am 28.11.2024.