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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL V.
Provinzen gegen Pompeius zu rüsten. Auf die erste Nachricht
von dem in der Hauptstadt gefallenem Schlage sollte der Statt-
halter Gnaeus Piso im diesseitigen Spanien die Fahne der Insur-
rection aufstecken. Die Communication mit ihm konnte auf dem
Seeweg nicht stattfinden, da Pompeius das Meer beherrschte;
man zählte dessfalls auf die Transpadaner, die alten Clienten der
Demokratie, unter denen es gewaltig gährte und die natürlich
sofort das Bürgerrecht erhalten haben würden, ferner auf ver-
schiedene keltische Stämme* Bis nach Mauretanien hin ver-
zweigten sich die Fäden dieser Verbindung. Einer der Mitver-
schwornen, der römische Grosshändler Publius Sittius aus Nu-
ceria, durch finanzielle Verwickelungen gezwungen Italien zu
verlassen, hatte daselbst und in Spanien einen Trupp verzweifel-
ter Leute bewaffnet und zog nun als Freischaarenführer im west-
lichen Africa herum, wo er alte Handelsverbindungen hatte. --
Die Partei strengte alle ihre Kräfte für den Wahlkampf an. Cras-
sus und Caesar setzten ihr Geld -- eigenes oder geborgtes --
und ihre Verbindungen ein um Catilina und Antonius das Con-
sulat zu verschaffen; Catilinas Genossen spannten jeden Nerv an
um den Mann an das Ruder zu bringen, der ihnen die Aemter
und Priesterthümer, die Paläste und Landgüter ihrer Gegner und
vor allen Dingen Befreiung von ihren Schulden verhiess und von
dem man wusste, dass er Wort halten werde. Die Aristokratie
war in grosser Noth, hauptsächlich weil sie nicht einmal Gegen-
candidaten aufzustellen wusste. Dass ein solcher seinen Kopf
wagte, war offenbar; und die Zeiten waren nicht mehr, wo der
Posten der Gefahr den Bürger lockte -- jetzt schwieg selbst der
Ehrgeiz vor der Angst. So begnügte sich die Nobilität einen
schwächlichen Versuch zu machen den Wahlumtrieben durch Er-
lassung eines neuen Gesetzes über den Stimmenkauf zu steuern --
was übrigens an der Intercession eines Volkstribunen scheiterte --
und ihre Stimmen auf einen Bewerber zu werfen, der ihr zwar
auch nicht genehm, aber doch wenigstens unschädlich war. Es
war dies Marcus Cicero, notorisch ein politischer Achselträger**

* Die Ambrani (Suet. Caes. 9) sind wohl nicht die ligurischen Ambro-
nen (Plutarch Mar. 19), sondern verschrieben für Arverni.
** Naiver kann man das wohl nicht aussprechen als sein eigener Bruder
es thut (de pet. cons. 1, 5. 13, 51. 53; vom J. 690). Als Belegstück dazu
werden unbefangene Leute nicht ohne Interesse die zweite Rede gegen
Rullus lesen, wo der ,erste demokratische Consul', in sehr ergötzlicher
Weise das liebe Publicum nasführend, ihm die ,richtige Demokratie' ent-
wickelt.

FÜNFTES BUCH. KAPITEL V.
Provinzen gegen Pompeius zu rüsten. Auf die erste Nachricht
von dem in der Hauptstadt gefallenem Schlage sollte der Statt-
halter Gnaeus Piso im diesseitigen Spanien die Fahne der Insur-
rection aufstecken. Die Communication mit ihm konnte auf dem
Seeweg nicht stattfinden, da Pompeius das Meer beherrschte;
man zählte deſsfalls auf die Transpadaner, die alten Clienten der
Demokratie, unter denen es gewaltig gährte und die natürlich
sofort das Bürgerrecht erhalten haben würden, ferner auf ver-
schiedene keltische Stämme* Bis nach Mauretanien hin ver-
zweigten sich die Fäden dieser Verbindung. Einer der Mitver-
schwornen, der römische Groſshändler Publius Sittius aus Nu-
ceria, durch finanzielle Verwickelungen gezwungen Italien zu
verlassen, hatte daselbst und in Spanien einen Trupp verzweifel-
ter Leute bewaffnet und zog nun als Freischaarenführer im west-
lichen Africa herum, wo er alte Handelsverbindungen hatte. —
Die Partei strengte alle ihre Kräfte für den Wahlkampf an. Cras-
sus und Caesar setzten ihr Geld — eigenes oder geborgtes —
und ihre Verbindungen ein um Catilina und Antonius das Con-
sulat zu verschaffen; Catilinas Genossen spannten jeden Nerv an
um den Mann an das Ruder zu bringen, der ihnen die Aemter
und Priesterthümer, die Paläste und Landgüter ihrer Gegner und
vor allen Dingen Befreiung von ihren Schulden verhieſs und von
dem man wuſste, daſs er Wort halten werde. Die Aristokratie
war in groſser Noth, hauptsächlich weil sie nicht einmal Gegen-
candidaten aufzustellen wuſste. Daſs ein solcher seinen Kopf
wagte, war offenbar; und die Zeiten waren nicht mehr, wo der
Posten der Gefahr den Bürger lockte — jetzt schwieg selbst der
Ehrgeiz vor der Angst. So begnügte sich die Nobilität einen
schwächlichen Versuch zu machen den Wahlumtrieben durch Er-
lassung eines neuen Gesetzes über den Stimmenkauf zu steuern —
was übrigens an der Intercession eines Volkstribunen scheiterte —
und ihre Stimmen auf einen Bewerber zu werfen, der ihr zwar
auch nicht genehm, aber doch wenigstens unschädlich war. Es
war dies Marcus Cicero, notorisch ein politischer Achselträger**

* Die Ambrani (Suet. Caes. 9) sind wohl nicht die ligurischen Ambro-
nen (Plutarch Mar. 19), sondern verschrieben für Arverni.
** Naiver kann man das wohl nicht aussprechen als sein eigener Bruder
es thut (de pet. cons. 1, 5. 13, 51. 53; vom J. 690). Als Belegstück dazu
werden unbefangene Leute nicht ohne Interesse die zweite Rede gegen
Rullus lesen, wo der ‚erste demokratische Consul‘, in sehr ergötzlicher
Weise das liebe Publicum nasführend, ihm die ‚richtige Demokratie‘ ent-
wickelt.
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[162/0172] FÜNFTES BUCH. KAPITEL V. Provinzen gegen Pompeius zu rüsten. Auf die erste Nachricht von dem in der Hauptstadt gefallenem Schlage sollte der Statt- halter Gnaeus Piso im diesseitigen Spanien die Fahne der Insur- rection aufstecken. Die Communication mit ihm konnte auf dem Seeweg nicht stattfinden, da Pompeius das Meer beherrschte; man zählte deſsfalls auf die Transpadaner, die alten Clienten der Demokratie, unter denen es gewaltig gährte und die natürlich sofort das Bürgerrecht erhalten haben würden, ferner auf ver- schiedene keltische Stämme * Bis nach Mauretanien hin ver- zweigten sich die Fäden dieser Verbindung. Einer der Mitver- schwornen, der römische Groſshändler Publius Sittius aus Nu- ceria, durch finanzielle Verwickelungen gezwungen Italien zu verlassen, hatte daselbst und in Spanien einen Trupp verzweifel- ter Leute bewaffnet und zog nun als Freischaarenführer im west- lichen Africa herum, wo er alte Handelsverbindungen hatte. — Die Partei strengte alle ihre Kräfte für den Wahlkampf an. Cras- sus und Caesar setzten ihr Geld — eigenes oder geborgtes — und ihre Verbindungen ein um Catilina und Antonius das Con- sulat zu verschaffen; Catilinas Genossen spannten jeden Nerv an um den Mann an das Ruder zu bringen, der ihnen die Aemter und Priesterthümer, die Paläste und Landgüter ihrer Gegner und vor allen Dingen Befreiung von ihren Schulden verhieſs und von dem man wuſste, daſs er Wort halten werde. Die Aristokratie war in groſser Noth, hauptsächlich weil sie nicht einmal Gegen- candidaten aufzustellen wuſste. Daſs ein solcher seinen Kopf wagte, war offenbar; und die Zeiten waren nicht mehr, wo der Posten der Gefahr den Bürger lockte — jetzt schwieg selbst der Ehrgeiz vor der Angst. So begnügte sich die Nobilität einen schwächlichen Versuch zu machen den Wahlumtrieben durch Er- lassung eines neuen Gesetzes über den Stimmenkauf zu steuern — was übrigens an der Intercession eines Volkstribunen scheiterte — und ihre Stimmen auf einen Bewerber zu werfen, der ihr zwar auch nicht genehm, aber doch wenigstens unschädlich war. Es war dies Marcus Cicero, notorisch ein politischer Achselträger ** * Die Ambrani (Suet. Caes. 9) sind wohl nicht die ligurischen Ambro- nen (Plutarch Mar. 19), sondern verschrieben für Arverni. ** Naiver kann man das wohl nicht aussprechen als sein eigener Bruder es thut (de pet. cons. 1, 5. 13, 51. 53; vom J. 690). Als Belegstück dazu werden unbefangene Leute nicht ohne Interesse die zweite Rede gegen Rullus lesen, wo der ‚erste demokratische Consul‘, in sehr ergötzlicher Weise das liebe Publicum nasführend, ihm die ‚richtige Demokratie‘ ent- wickelt.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/172>, abgerufen am 29.11.2024.