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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL V.
voll versteckter Drohungen vor der künftigen unausbleiblichen
Rache der Demokratie machte den tiefsten Eindruck. Obwohl
bereits sämmtliche Consulare und die grosse Majorität des Senats
sich für die Hinrichtung ausgesprochen hatten, schienen doch
nun wieder die Meisten, Cicero voran, geneigt sich innerhalb der
rechtlichen Schranken zu halten. Allein Cato verstand es, indem
er nach Rabulistenart die Verfechter der milderen Meinung der
Mitwisserschaft an dem Complott verdächtigte und auf die Vor-
bereitungen zur Befreiung der Gefangenen durch einen Strassen-
aufstand hinwies, die schwankenden Seelen wieder in eine andere
Furcht zu werfen und für die sofortige Hinrichtung der Ver-
brecher die Majorität zu gewinnen. Die Vollziehung des Be-
schlusses lag natürlich dem Consul ob, der ihn hervorgerufen
hatte. Spät am Abend des fünften Decembers wurden die Ver-
hafteten aus ihren bisherigen Quartieren abgeholt und über den
immer noch dicht von Menschen vollgedrängten Marktplatz in
das Gefängniss gebracht, worin die zum Tode verurtheilten Ver-
brecher aufbewahrt zu werden pflegten. Es war ein unterirdisches
zwölf Fuss tiefes Gewölbe am Fuss des Capitols, das ehemals als
Brunnenhaus gedient hatte. Der Consul selbst führte den Lentu-
lus, Prätoren die übrigen, alle von starken Wachen begleitet;
doch fand der Befreiungsversuch, den man erwartete, nicht statt.
Niemand wusste, ob die Verhafteten in ein gesicherteres Gewahr-
sam oder zur Richtstätte geführt wurden. An der Thüre des Ker-
kers wurden sie den Dreimännern übergeben, die die Hinrich-
tungen leiteten, und in dem unterirdischen Gewölbe bei Fackel-
schein erdrosselt. Der Consul, der vor der Thüre gewartet hatte
bis die Executionen vollzogen waren, rief darauf mit seiner lauten
wohlbekannten Stimme über den Markt hin der stumm harren-
den Menge die Worte zu: ,Sie sind todt'. Bis tief in die Nacht
hinein wogten die Haufen durch die Strassen und begrüssten ju-
belnd den Consul, dem sie meinten die Sicherung ihrer Häuser
und ihrer Habe schuldig geworden zu sein. Der Rath aber ord-
nete öffentliche Dankfeste an und die ersten Männer der Nobilität,
Marcus Cato und Quintus Catulus, begrüssten den Urheber des
Todesurtheils mit dem -- hier zuerst vernommenen -- Namen
eines Vaters des Vaterlandes. -- Aber es war eine grauenvolle
That und nur um so grauenvoller, weil sie einem ganzen Volke
als gross und preisenswerth erschien. Elender hat sich wohl nie
ein Gemeinwesen bankerott erklärt als Rom durch diesen mit
kaltem Blute von der Majorität der Regierung gefassten, von der
Majorität der Bürgerschaft gebilligten Beschluss einige politische

FÜNFTES BUCH. KAPITEL V.
voll versteckter Drohungen vor der künftigen unausbleiblichen
Rache der Demokratie machte den tiefsten Eindruck. Obwohl
bereits sämmtliche Consulare und die groſse Majorität des Senats
sich für die Hinrichtung ausgesprochen hatten, schienen doch
nun wieder die Meisten, Cicero voran, geneigt sich innerhalb der
rechtlichen Schranken zu halten. Allein Cato verstand es, indem
er nach Rabulistenart die Verfechter der milderen Meinung der
Mitwisserschaft an dem Complott verdächtigte und auf die Vor-
bereitungen zur Befreiung der Gefangenen durch einen Straſsen-
aufstand hinwies, die schwankenden Seelen wieder in eine andere
Furcht zu werfen und für die sofortige Hinrichtung der Ver-
brecher die Majorität zu gewinnen. Die Vollziehung des Be-
schlusses lag natürlich dem Consul ob, der ihn hervorgerufen
hatte. Spät am Abend des fünften Decembers wurden die Ver-
hafteten aus ihren bisherigen Quartieren abgeholt und über den
immer noch dicht von Menschen vollgedrängten Marktplatz in
das Gefängniſs gebracht, worin die zum Tode verurtheilten Ver-
brecher aufbewahrt zu werden pflegten. Es war ein unterirdisches
zwölf Fuſs tiefes Gewölbe am Fuſs des Capitols, das ehemals als
Brunnenhaus gedient hatte. Der Consul selbst führte den Lentu-
lus, Prätoren die übrigen, alle von starken Wachen begleitet;
doch fand der Befreiungsversuch, den man erwartete, nicht statt.
Niemand wuſste, ob die Verhafteten in ein gesicherteres Gewahr-
sam oder zur Richtstätte geführt wurden. An der Thüre des Ker-
kers wurden sie den Dreimännern übergeben, die die Hinrich-
tungen leiteten, und in dem unterirdischen Gewölbe bei Fackel-
schein erdrosselt. Der Consul, der vor der Thüre gewartet hatte
bis die Executionen vollzogen waren, rief darauf mit seiner lauten
wohlbekannten Stimme über den Markt hin der stumm harren-
den Menge die Worte zu: ‚Sie sind todt‘. Bis tief in die Nacht
hinein wogten die Haufen durch die Straſsen und begrüſsten ju-
belnd den Consul, dem sie meinten die Sicherung ihrer Häuser
und ihrer Habe schuldig geworden zu sein. Der Rath aber ord-
nete öffentliche Dankfeste an und die ersten Männer der Nobilität,
Marcus Cato und Quintus Catulus, begrüſsten den Urheber des
Todesurtheils mit dem — hier zuerst vernommenen — Namen
eines Vaters des Vaterlandes. — Aber es war eine grauenvolle
That und nur um so grauenvoller, weil sie einem ganzen Volke
als groſs und preisenswerth erschien. Elender hat sich wohl nie
ein Gemeinwesen bankerott erklärt als Rom durch diesen mit
kaltem Blute von der Majorität der Regierung gefaſsten, von der
Majorität der Bürgerschaft gebilligten Beschluſs einige politische

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[172/0182] FÜNFTES BUCH. KAPITEL V. voll versteckter Drohungen vor der künftigen unausbleiblichen Rache der Demokratie machte den tiefsten Eindruck. Obwohl bereits sämmtliche Consulare und die groſse Majorität des Senats sich für die Hinrichtung ausgesprochen hatten, schienen doch nun wieder die Meisten, Cicero voran, geneigt sich innerhalb der rechtlichen Schranken zu halten. Allein Cato verstand es, indem er nach Rabulistenart die Verfechter der milderen Meinung der Mitwisserschaft an dem Complott verdächtigte und auf die Vor- bereitungen zur Befreiung der Gefangenen durch einen Straſsen- aufstand hinwies, die schwankenden Seelen wieder in eine andere Furcht zu werfen und für die sofortige Hinrichtung der Ver- brecher die Majorität zu gewinnen. Die Vollziehung des Be- schlusses lag natürlich dem Consul ob, der ihn hervorgerufen hatte. Spät am Abend des fünften Decembers wurden die Ver- hafteten aus ihren bisherigen Quartieren abgeholt und über den immer noch dicht von Menschen vollgedrängten Marktplatz in das Gefängniſs gebracht, worin die zum Tode verurtheilten Ver- brecher aufbewahrt zu werden pflegten. Es war ein unterirdisches zwölf Fuſs tiefes Gewölbe am Fuſs des Capitols, das ehemals als Brunnenhaus gedient hatte. Der Consul selbst führte den Lentu- lus, Prätoren die übrigen, alle von starken Wachen begleitet; doch fand der Befreiungsversuch, den man erwartete, nicht statt. Niemand wuſste, ob die Verhafteten in ein gesicherteres Gewahr- sam oder zur Richtstätte geführt wurden. An der Thüre des Ker- kers wurden sie den Dreimännern übergeben, die die Hinrich- tungen leiteten, und in dem unterirdischen Gewölbe bei Fackel- schein erdrosselt. Der Consul, der vor der Thüre gewartet hatte bis die Executionen vollzogen waren, rief darauf mit seiner lauten wohlbekannten Stimme über den Markt hin der stumm harren- den Menge die Worte zu: ‚Sie sind todt‘. Bis tief in die Nacht hinein wogten die Haufen durch die Straſsen und begrüſsten ju- belnd den Consul, dem sie meinten die Sicherung ihrer Häuser und ihrer Habe schuldig geworden zu sein. Der Rath aber ord- nete öffentliche Dankfeste an und die ersten Männer der Nobilität, Marcus Cato und Quintus Catulus, begrüſsten den Urheber des Todesurtheils mit dem — hier zuerst vernommenen — Namen eines Vaters des Vaterlandes. — Aber es war eine grauenvolle That und nur um so grauenvoller, weil sie einem ganzen Volke als groſs und preisenswerth erschien. Elender hat sich wohl nie ein Gemeinwesen bankerott erklärt als Rom durch diesen mit kaltem Blute von der Majorität der Regierung gefaſsten, von der Majorität der Bürgerschaft gebilligten Beschluſs einige politische

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/182>, abgerufen am 30.11.2024.