Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL I. menen Ruhmeshöhe vom Schwindel ergriffen. Gleich als wolleer seine dürr prosaische Natur durch die Parallele mit der poetisch- sten aller Heldengestalten selber verhöhnen, fing er an sich mit Alexander dem Grossen zu vergleichen und sich für einen einzi- gen Mann zu halten, dem es nicht gezieme bloss einer von den fünfhundert römischen Rathsherren zu sein. In der That war Niemand mehr geschaffen in ein aristokratisches Regiment als Glied sich einfügen zu lassen als er. Pompeius würdevolles Aeussere, seine feierliche Förmlichkeit, seine persönliche Tapfer- keit, sein ehrbares Privatleben, sein Mangel an aller Initiative hätten ihm, wäre er zweihundert Jahre früher geboren worden, neben Manius Curius und Quintus Maximus einen ehrenvollen Platz gewinnen mögen; zu der Wahlverwandtschaft, die zwischen Pompeius und der Masse der Bürgerschaft wie des Senats zu allen Zeiten bestand, hat diese echt optimatische und echt rö- mische Mediocrität nicht am wenigsten beigetragen. Auch in seiner Zeit noch hätte es eine klare und ansehnliche Stellung für ihn gegeben, wofern er damit sich genügen liess der Feldherr des Rathes zu sein, zu dem er von Haus aus bestimmt war. Es genügte ihm nicht, und so gerieth er in die verhängnissvolle Lage, etwas anderes sein zu wollen als er sein konnte. Be- ständig trachtete er nach einer Sonderstellung im Staat, und wenn sie sich darbot, konnte er sich nicht entschliessen sie ein- zunehmen; mit tiefer Erbitterung nahm er es auf, wenn Personen und Gesetze nicht unbedingt vor ihm sich beugten und doch trat er selbst mit nicht bloss affectirter Bescheidenheit überall auf als einer von vielen Gleichberechtigten und zitterte vor dem blossen Gedanken etwas Verfassungswidriges zu beginnen. Also beständig in gründlicher Spannung mit und doch zugleich der gehorsame Diener der Oligarchie, beständig gepeinigt von einem Ehrgeiz, der vor seinem eigenen Ziele erschrickt, verfloss ihm in ewigem inneren Widerspruch freudelos sein vielbewegtes Leben. Ebenso wenig als Pompeius kann Marcus Crassus zu den FÜNFTES BUCH. KAPITEL I. menen Ruhmeshöhe vom Schwindel ergriffen. Gleich als wolleer seine dürr prosaische Natur durch die Parallele mit der poetisch- sten aller Heldengestalten selber verhöhnen, fing er an sich mit Alexander dem Groſsen zu vergleichen und sich für einen einzi- gen Mann zu halten, dem es nicht gezieme bloſs einer von den fünfhundert römischen Rathsherren zu sein. In der That war Niemand mehr geschaffen in ein aristokratisches Regiment als Glied sich einfügen zu lassen als er. Pompeius würdevolles Aeuſsere, seine feierliche Förmlichkeit, seine persönliche Tapfer- keit, sein ehrbares Privatleben, sein Mangel an aller Initiative hätten ihm, wäre er zweihundert Jahre früher geboren worden, neben Manius Curius und Quintus Maximus einen ehrenvollen Platz gewinnen mögen; zu der Wahlverwandtschaft, die zwischen Pompeius und der Masse der Bürgerschaft wie des Senats zu allen Zeiten bestand, hat diese echt optimatische und echt rö- mische Mediocrität nicht am wenigsten beigetragen. Auch in seiner Zeit noch hätte es eine klare und ansehnliche Stellung für ihn gegeben, wofern er damit sich genügen lieſs der Feldherr des Rathes zu sein, zu dem er von Haus aus bestimmt war. Es genügte ihm nicht, und so gerieth er in die verhängniſsvolle Lage, etwas anderes sein zu wollen als er sein konnte. Be- ständig trachtete er nach einer Sonderstellung im Staat, und wenn sie sich darbot, konnte er sich nicht entschlieſsen sie ein- zunehmen; mit tiefer Erbitterung nahm er es auf, wenn Personen und Gesetze nicht unbedingt vor ihm sich beugten und doch trat er selbst mit nicht bloſs affectirter Bescheidenheit überall auf als einer von vielen Gleichberechtigten und zitterte vor dem bloſsen Gedanken etwas Verfassungswidriges zu beginnen. Also beständig in gründlicher Spannung mit und doch zugleich der gehorsame Diener der Oligarchie, beständig gepeinigt von einem Ehrgeiz, der vor seinem eigenen Ziele erschrickt, verfloſs ihm in ewigem inneren Widerspruch freudelos sein vielbewegtes Leben. Ebenso wenig als Pompeius kann Marcus Crassus zu den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0022" n="12"/><fw place="top" type="header">FÜNFTES BUCH. KAPITEL I.</fw><lb/> menen Ruhmeshöhe vom Schwindel ergriffen. Gleich als wolle<lb/> er seine dürr prosaische Natur durch die Parallele mit der poetisch-<lb/> sten aller Heldengestalten selber verhöhnen, fing er an sich mit<lb/> Alexander dem Groſsen zu vergleichen und sich für einen einzi-<lb/> gen Mann zu halten, dem es nicht gezieme bloſs einer von den<lb/> fünfhundert römischen Rathsherren zu sein. In der That war<lb/> Niemand mehr geschaffen in ein aristokratisches Regiment als<lb/> Glied sich einfügen zu lassen als er. 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FÜNFTES BUCH. KAPITEL I.
menen Ruhmeshöhe vom Schwindel ergriffen. Gleich als wolle
er seine dürr prosaische Natur durch die Parallele mit der poetisch-
sten aller Heldengestalten selber verhöhnen, fing er an sich mit
Alexander dem Groſsen zu vergleichen und sich für einen einzi-
gen Mann zu halten, dem es nicht gezieme bloſs einer von den
fünfhundert römischen Rathsherren zu sein. In der That war
Niemand mehr geschaffen in ein aristokratisches Regiment als
Glied sich einfügen zu lassen als er. Pompeius würdevolles
Aeuſsere, seine feierliche Förmlichkeit, seine persönliche Tapfer-
keit, sein ehrbares Privatleben, sein Mangel an aller Initiative
hätten ihm, wäre er zweihundert Jahre früher geboren worden,
neben Manius Curius und Quintus Maximus einen ehrenvollen
Platz gewinnen mögen; zu der Wahlverwandtschaft, die zwischen
Pompeius und der Masse der Bürgerschaft wie des Senats zu
allen Zeiten bestand, hat diese echt optimatische und echt rö-
mische Mediocrität nicht am wenigsten beigetragen. Auch in
seiner Zeit noch hätte es eine klare und ansehnliche Stellung für
ihn gegeben, wofern er damit sich genügen lieſs der Feldherr
des Rathes zu sein, zu dem er von Haus aus bestimmt war. Es
genügte ihm nicht, und so gerieth er in die verhängniſsvolle
Lage, etwas anderes sein zu wollen als er sein konnte. Be-
ständig trachtete er nach einer Sonderstellung im Staat, und
wenn sie sich darbot, konnte er sich nicht entschlieſsen sie ein-
zunehmen; mit tiefer Erbitterung nahm er es auf, wenn Personen
und Gesetze nicht unbedingt vor ihm sich beugten und doch trat
er selbst mit nicht bloſs affectirter Bescheidenheit überall auf
als einer von vielen Gleichberechtigten und zitterte vor dem
bloſsen Gedanken etwas Verfassungswidriges zu beginnen. Also
beständig in gründlicher Spannung mit und doch zugleich der
gehorsame Diener der Oligarchie, beständig gepeinigt von einem
Ehrgeiz, der vor seinem eigenen Ziele erschrickt, verfloſs ihm
in ewigem inneren Widerspruch freudelos sein vielbewegtes Leben.
Ebenso wenig als Pompeius kann Marcus Crassus zu den
unbedingten Anhängern der Oligarchie gezählt werden. Er ist
eine für diese Epoche ungemein charakteristische Figur. Wie
Pompeius, dem er im Alter um wenige Jahre voranging, gehörte
auch er zu dem Kreise der hohen römischen Aristokratie, hatte
die gewöhnliche standesmäſsige Bildung erhalten und gleich Pom-
peius unter Sulla im italischen Kriege mit Auszeichnung gefoch-
ten. An geistiger Begabung, litterarischer Bildung und militäri-
schem Talent weit zurückstehend hinter vielen seines Gleichen,
überflügelte er sie durch seine grenzenlose Rührigkeit und durch
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