Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS. sten Rom in zwiefacher Weise verwendet werden konnten. AlsCaesar den Marsch wieder fortzusetzen im Stande war, fand er denselben nirgends sich verlegt; aber die brittischen Streitwagen zogen stets dem römischen Heer vorauf und zur Seite, bewirkten die Räumung des Landes, die bei dem Mangel an Städten keine grosse Schwierigkeit machte, hinderten jede Detachirung und be- drohten die Communicationen. Die Themse ward -- wie es scheint zwischen Kingston und Brentford -- von den Römern überschritten; man kam vorwärts, aber nicht eigentlich weiter; der Feldherr erfocht keinen Sieg, der Soldat machte keine Beute und das einzige wirkliche Resultat, die Unterwerfung der Trino- banten im heutigen Essex, war weniger die Folge der Furcht vor den Römern als der tiefen Verfeindung dieses Gaus mit Cassivel- launus. Mit jedem Schritte vorwärts stieg die Gefahr, und der Angriff, den die Fürsten von Kent nach Cassivellaunus Anord- nung auf das römische Schiffslager machten, mahnte, obwohl er abgeschlagen ward, doch dringend zur Umkehr. Die Erstürmung eines grossen brittischen Verhacks, in dem eine Menge Vieh den Römern in die Hände fiel, gab für das ziellose Vordringen einen leidlichen Abschluss und einen erträglichen Vorwand für die Um- kehr. Auch Cassivellaunus war einsichtig genug den gefährlichen Feind nicht aufs Aeusserste zu treiben und versprach, wie Caesar verlangte, die Trinobanten nicht zu beunruhigen, Abgaben zu zahlen und Geisseln zu stellen; von Auslieferung der Waffen oder Zurücklassung einer römischen Besatzung war nicht die Rede, und selbst jene Versprechungen wurden vermuthlich, so weit sie die Zukunft betrafen, weder ernstlich gegeben noch ernstlich ge- nommen. Nach Empfang der Geisseln kehrte Caesar in das Schiffslager und von da nach Gallien zurück. Wenn er, wie es allerdings scheint, gehofft hatte Britannien diesmal zu erobern, so war dieser Plan theils an dem klugen Vertheidigungssystem des Cassivellaunus, theils und vor allem an der Unbrauchbarkeit der italischen Ruderflotte auf den Gewässern der Nordsee voll- kommen gescheitert; denn dass der bedungene Tribut niemals erlegt ward, ist gewiss. Der nächste Zweck aber: die Inselkelten aus ihrer trotzigen Sicherheit aufzurütteln und sie zu veranlas- sen in ihrem eigenen Interesse nicht ihre Insel zum Heerd der festländischen Emigration zu machen, scheint allerdings erreicht worden zu sein; wenigstens werden Beschwerden über derglei- chen Schutzverleihung späterhin nicht wieder vernommen. Das Werk der Zurückweisung der germanischen Invasion DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS. sten Rom in zwiefacher Weise verwendet werden konnten. AlsCaesar den Marsch wieder fortzusetzen im Stande war, fand er denselben nirgends sich verlegt; aber die brittischen Streitwagen zogen stets dem römischen Heer vorauf und zur Seite, bewirkten die Räumung des Landes, die bei dem Mangel an Städten keine groſse Schwierigkeit machte, hinderten jede Detachirung und be- drohten die Communicationen. Die Themse ward — wie es scheint zwischen Kingston und Brentford — von den Römern überschritten; man kam vorwärts, aber nicht eigentlich weiter; der Feldherr erfocht keinen Sieg, der Soldat machte keine Beute und das einzige wirkliche Resultat, die Unterwerfung der Trino- banten im heutigen Essex, war weniger die Folge der Furcht vor den Römern als der tiefen Verfeindung dieses Gaus mit Cassivel- launus. Mit jedem Schritte vorwärts stieg die Gefahr, und der Angriff, den die Fürsten von Kent nach Cassivellaunus Anord- nung auf das römische Schiffslager machten, mahnte, obwohl er abgeschlagen ward, doch dringend zur Umkehr. Die Erstürmung eines groſsen brittischen Verhacks, in dem eine Menge Vieh den Römern in die Hände fiel, gab für das ziellose Vordringen einen leidlichen Abschluſs und einen erträglichen Vorwand für die Um- kehr. Auch Cassivellaunus war einsichtig genug den gefährlichen Feind nicht aufs Aeuſserste zu treiben und versprach, wie Caesar verlangte, die Trinobanten nicht zu beunruhigen, Abgaben zu zahlen und Geiſseln zu stellen; von Auslieferung der Waffen oder Zurücklassung einer römischen Besatzung war nicht die Rede, und selbst jene Versprechungen wurden vermuthlich, so weit sie die Zukunft betrafen, weder ernstlich gegeben noch ernstlich ge- nommen. Nach Empfang der Geiſseln kehrte Caesar in das Schiffslager und von da nach Gallien zurück. Wenn er, wie es allerdings scheint, gehofft hatte Britannien diesmal zu erobern, so war dieser Plan theils an dem klugen Vertheidigungssystem des Cassivellaunus, theils und vor allem an der Unbrauchbarkeit der italischen Ruderflotte auf den Gewässern der Nordsee voll- kommen gescheitert; denn daſs der bedungene Tribut niemals erlegt ward, ist gewiſs. Der nächste Zweck aber: die Inselkelten aus ihrer trotzigen Sicherheit aufzurütteln und sie zu veranlas- sen in ihrem eigenen Interesse nicht ihre Insel zum Heerd der festländischen Emigration zu machen, scheint allerdings erreicht worden zu sein; wenigstens werden Beschwerden über derglei- chen Schutzverleihung späterhin nicht wieder vernommen. Das Werk der Zurückweisung der germanischen Invasion <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0257" n="247"/><fw place="top" type="header">DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS.</fw><lb/> sten Rom in zwiefacher Weise verwendet werden konnten. 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Mit jedem Schritte vorwärts stieg die Gefahr, und der<lb/> Angriff, den die Fürsten von Kent nach Cassivellaunus Anord-<lb/> nung auf das römische Schiffslager machten, mahnte, obwohl er<lb/> abgeschlagen ward, doch dringend zur Umkehr. Die Erstürmung<lb/> eines groſsen brittischen Verhacks, in dem eine Menge Vieh den<lb/> Römern in die Hände fiel, gab für das ziellose Vordringen einen<lb/> leidlichen Abschluſs und einen erträglichen Vorwand für die Um-<lb/> kehr. Auch Cassivellaunus war einsichtig genug den gefährlichen<lb/> Feind nicht aufs Aeuſserste zu treiben und versprach, wie Caesar<lb/> verlangte, die Trinobanten nicht zu beunruhigen, Abgaben zu<lb/> zahlen und Geiſseln zu stellen; von Auslieferung der Waffen oder<lb/> Zurücklassung einer römischen Besatzung war nicht die Rede,<lb/> und selbst jene Versprechungen wurden vermuthlich, so weit sie<lb/> die Zukunft betrafen, weder ernstlich gegeben noch ernstlich ge-<lb/> nommen. Nach Empfang der Geiſseln kehrte Caesar in das<lb/> Schiffslager und von da nach Gallien zurück. Wenn er, wie es<lb/> allerdings scheint, gehofft hatte Britannien diesmal zu erobern,<lb/> so war dieser Plan theils an dem klugen Vertheidigungssystem<lb/> des Cassivellaunus, theils und vor allem an der Unbrauchbarkeit<lb/> der italischen Ruderflotte auf den Gewässern der Nordsee voll-<lb/> kommen gescheitert; denn daſs der bedungene Tribut niemals<lb/> erlegt ward, ist gewiſs. 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DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS.
sten Rom in zwiefacher Weise verwendet werden konnten. Als
Caesar den Marsch wieder fortzusetzen im Stande war, fand er
denselben nirgends sich verlegt; aber die brittischen Streitwagen
zogen stets dem römischen Heer vorauf und zur Seite, bewirkten
die Räumung des Landes, die bei dem Mangel an Städten keine
groſse Schwierigkeit machte, hinderten jede Detachirung und be-
drohten die Communicationen. Die Themse ward — wie es
scheint zwischen Kingston und Brentford — von den Römern
überschritten; man kam vorwärts, aber nicht eigentlich weiter;
der Feldherr erfocht keinen Sieg, der Soldat machte keine Beute
und das einzige wirkliche Resultat, die Unterwerfung der Trino-
banten im heutigen Essex, war weniger die Folge der Furcht vor
den Römern als der tiefen Verfeindung dieses Gaus mit Cassivel-
launus. Mit jedem Schritte vorwärts stieg die Gefahr, und der
Angriff, den die Fürsten von Kent nach Cassivellaunus Anord-
nung auf das römische Schiffslager machten, mahnte, obwohl er
abgeschlagen ward, doch dringend zur Umkehr. Die Erstürmung
eines groſsen brittischen Verhacks, in dem eine Menge Vieh den
Römern in die Hände fiel, gab für das ziellose Vordringen einen
leidlichen Abschluſs und einen erträglichen Vorwand für die Um-
kehr. Auch Cassivellaunus war einsichtig genug den gefährlichen
Feind nicht aufs Aeuſserste zu treiben und versprach, wie Caesar
verlangte, die Trinobanten nicht zu beunruhigen, Abgaben zu
zahlen und Geiſseln zu stellen; von Auslieferung der Waffen oder
Zurücklassung einer römischen Besatzung war nicht die Rede,
und selbst jene Versprechungen wurden vermuthlich, so weit sie
die Zukunft betrafen, weder ernstlich gegeben noch ernstlich ge-
nommen. Nach Empfang der Geiſseln kehrte Caesar in das
Schiffslager und von da nach Gallien zurück. Wenn er, wie es
allerdings scheint, gehofft hatte Britannien diesmal zu erobern,
so war dieser Plan theils an dem klugen Vertheidigungssystem
des Cassivellaunus, theils und vor allem an der Unbrauchbarkeit
der italischen Ruderflotte auf den Gewässern der Nordsee voll-
kommen gescheitert; denn daſs der bedungene Tribut niemals
erlegt ward, ist gewiſs. Der nächste Zweck aber: die Inselkelten
aus ihrer trotzigen Sicherheit aufzurütteln und sie zu veranlas-
sen in ihrem eigenen Interesse nicht ihre Insel zum Heerd der
festländischen Emigration zu machen, scheint allerdings erreicht
worden zu sein; wenigstens werden Beschwerden über derglei-
chen Schutzverleihung späterhin nicht wieder vernommen.
Das Werk der Zurückweisung der germanischen Invasion
und der Unterwerfung der festländischen Kelten war vollendet.
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