Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL X. Labienus und Andere dieser Coterie führten ihre Theorie praktischdurch und liessen was ihnen von Caesars Armee an Offizieren oder Soldaten in die Hände fiel, in Masse hinrichten; was begreiflicher Weise Caesars Truppen nicht gerade bewog mit minderer Ener- gie zu fechten. Zu einer Contrerevolution in Italien zu Gunsten der Verfassungsfreunde waren alle Elemente vorhanden (S. 360); wenn während Caesars Abwesenheit sie dennoch nicht ausbrach, so lag, nach der Versicherung einsichtiger Gegner Caesars, die Ursache hauptsächlich in der allgemeinen Besorgniss vor dem unbezähmbaren Wüthen der republikanischen Ultras nach erfolg- ter Restauration. Die Besseren im pompeianischen Lager waren in Verzweiflung über dies rasende Treiben. Pompeius, selbst ein tapferer Soldat, schonte, so weit er durfte und konnte, der Ge- fangenen; aber er war zu schwachmüthig und in einer zu schiefen Stellung, um, wie es ihm als Oberfeldherrn zukam, alle Greuel dieser Art zu hemmen oder zu ahnden. Energischer versuchte der einzige Mann, der wenigstens mit sittlicher Haltung in den Kampf eintrat, Marcus Cato diesem Treiben zu steuern: er er- wirkte es, dass der Senat die Plünderung der unterthänigen Städte und die Tödtung eines Bürgers anders als in der Schlacht unter- sagte. Ebenso dachte der tüchtige Marcus Marcellus. Freilich wusste es niemand besser als Cato und Marcellus, dass die ex- treme Partei ihre rettenden Thaten wenn nöthig allen Senats- beschlüssen zum Trotze vollzog. Wenn aber bereits jetzt, wo man noch Klugheitsrücksichten zu beobachten hatte, die Wuth der Ultras sich nicht bändigen liess, so mochte man nach dem Siege auf eine Schreckensherrschaft sich gefasst machen, von der Ma- rius und Sulla selbst sich schaudernd abgewandt haben würden; und man begreift es, dass Cato, seinem eigenen Geständniss zu- folge, mehr als vor einer Niederlage graute vor dem Siege seiner eigenen Partei. -- Die Leitung der militärischen Vorbereitungen im makedonischen Lager lag in der Hand des Oberfeldherrn Pom- peius. Die stets schwierige und gedrückte Stellung desselben hatte durch die unglücklichen Ereignisse des J. 705 sich noch beträcht- lich verschlimmert. In den Augen seiner Parteigenossen trug er wesentlich davon die Schuld. Es war das in vieler Hinsicht nicht gerecht. Ein guter Theil der erlittenen Unfälle kam auf Rechnung der Verkehrtheit und Unbotmässigkeit der Unterfeldherren, na- mentlich des Consuls Lentulus und des Lucius Domitius; von dem Augenblick an, wo Pompeius an die Spitze der Armee getreten war, hatte er sie geschickt und muthig geführt und wenigstens sehr ansehnliche Streitkräfte aus dem Schiffbruch gerettet; dass FÜNFTES BUCH. KAPITEL X. Labienus und Andere dieser Coterie führten ihre Theorie praktischdurch und lieſsen was ihnen von Caesars Armee an Offizieren oder Soldaten in die Hände fiel, in Masse hinrichten; was begreiflicher Weise Caesars Truppen nicht gerade bewog mit minderer Ener- gie zu fechten. Zu einer Contrerevolution in Italien zu Gunsten der Verfassungsfreunde waren alle Elemente vorhanden (S. 360); wenn während Caesars Abwesenheit sie dennoch nicht ausbrach, so lag, nach der Versicherung einsichtiger Gegner Caesars, die Ursache hauptsächlich in der allgemeinen Besorgniſs vor dem unbezähmbaren Wüthen der republikanischen Ultras nach erfolg- ter Restauration. Die Besseren im pompeianischen Lager waren in Verzweiflung über dies rasende Treiben. Pompeius, selbst ein tapferer Soldat, schonte, so weit er durfte und konnte, der Ge- fangenen; aber er war zu schwachmüthig und in einer zu schiefen Stellung, um, wie es ihm als Oberfeldherrn zukam, alle Greuel dieser Art zu hemmen oder zu ahnden. Energischer versuchte der einzige Mann, der wenigstens mit sittlicher Haltung in den Kampf eintrat, Marcus Cato diesem Treiben zu steuern: er er- wirkte es, daſs der Senat die Plünderung der unterthänigen Städte und die Tödtung eines Bürgers anders als in der Schlacht unter- sagte. Ebenso dachte der tüchtige Marcus Marcellus. Freilich wuſste es niemand besser als Cato und Marcellus, daſs die ex- treme Partei ihre rettenden Thaten wenn nöthig allen Senats- beschlüssen zum Trotze vollzog. Wenn aber bereits jetzt, wo man noch Klugheitsrücksichten zu beobachten hatte, die Wuth der Ultras sich nicht bändigen lieſs, so mochte man nach dem Siege auf eine Schreckensherrschaft sich gefaſst machen, von der Ma- rius und Sulla selbst sich schaudernd abgewandt haben würden; und man begreift es, daſs Cato, seinem eigenen Geständniſs zu- folge, mehr als vor einer Niederlage graute vor dem Siege seiner eigenen Partei. — Die Leitung der militärischen Vorbereitungen im makedonischen Lager lag in der Hand des Oberfeldherrn Pom- peius. Die stets schwierige und gedrückte Stellung desselben hatte durch die unglücklichen Ereignisse des J. 705 sich noch beträcht- lich verschlimmert. In den Augen seiner Parteigenossen trug er wesentlich davon die Schuld. Es war das in vieler Hinsicht nicht gerecht. Ein guter Theil der erlittenen Unfälle kam auf Rechnung der Verkehrtheit und Unbotmäſsigkeit der Unterfeldherren, na- mentlich des Consuls Lentulus und des Lucius Domitius; von dem Augenblick an, wo Pompeius an die Spitze der Armee getreten war, hatte er sie geschickt und muthig geführt und wenigstens sehr ansehnliche Streitkräfte aus dem Schiffbruch gerettet; daſs <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0388" n="378"/><fw place="top" type="header">FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.</fw><lb/> Labienus und Andere dieser Coterie führten ihre Theorie praktisch<lb/> durch und lieſsen was ihnen von Caesars Armee an Offizieren oder<lb/> Soldaten in die Hände fiel, in Masse hinrichten; was begreiflicher<lb/> Weise Caesars Truppen nicht gerade bewog mit minderer Ener-<lb/> gie zu fechten. 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FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
Labienus und Andere dieser Coterie führten ihre Theorie praktisch
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Soldaten in die Hände fiel, in Masse hinrichten; was begreiflicher
Weise Caesars Truppen nicht gerade bewog mit minderer Ener-
gie zu fechten. Zu einer Contrerevolution in Italien zu Gunsten
der Verfassungsfreunde waren alle Elemente vorhanden (S. 360);
wenn während Caesars Abwesenheit sie dennoch nicht ausbrach,
so lag, nach der Versicherung einsichtiger Gegner Caesars, die
Ursache hauptsächlich in der allgemeinen Besorgniſs vor dem
unbezähmbaren Wüthen der republikanischen Ultras nach erfolg-
ter Restauration. Die Besseren im pompeianischen Lager waren
in Verzweiflung über dies rasende Treiben. Pompeius, selbst ein
tapferer Soldat, schonte, so weit er durfte und konnte, der Ge-
fangenen; aber er war zu schwachmüthig und in einer zu schiefen
Stellung, um, wie es ihm als Oberfeldherrn zukam, alle Greuel
dieser Art zu hemmen oder zu ahnden. Energischer versuchte
der einzige Mann, der wenigstens mit sittlicher Haltung in den
Kampf eintrat, Marcus Cato diesem Treiben zu steuern: er er-
wirkte es, daſs der Senat die Plünderung der unterthänigen Städte
und die Tödtung eines Bürgers anders als in der Schlacht unter-
sagte. Ebenso dachte der tüchtige Marcus Marcellus. Freilich
wuſste es niemand besser als Cato und Marcellus, daſs die ex-
treme Partei ihre rettenden Thaten wenn nöthig allen Senats-
beschlüssen zum Trotze vollzog. Wenn aber bereits jetzt, wo man
noch Klugheitsrücksichten zu beobachten hatte, die Wuth der
Ultras sich nicht bändigen lieſs, so mochte man nach dem Siege
auf eine Schreckensherrschaft sich gefaſst machen, von der Ma-
rius und Sulla selbst sich schaudernd abgewandt haben würden;
und man begreift es, daſs Cato, seinem eigenen Geständniſs zu-
folge, mehr als vor einer Niederlage graute vor dem Siege seiner
eigenen Partei. — Die Leitung der militärischen Vorbereitungen
im makedonischen Lager lag in der Hand des Oberfeldherrn Pom-
peius. Die stets schwierige und gedrückte Stellung desselben hatte
durch die unglücklichen Ereignisse des J. 705 sich noch beträcht-
lich verschlimmert. In den Augen seiner Parteigenossen trug er
wesentlich davon die Schuld. Es war das in vieler Hinsicht nicht
gerecht. Ein guter Theil der erlittenen Unfälle kam auf Rechnung
der Verkehrtheit und Unbotmäſsigkeit der Unterfeldherren, na-
mentlich des Consuls Lentulus und des Lucius Domitius; von dem
Augenblick an, wo Pompeius an die Spitze der Armee getreten
war, hatte er sie geschickt und muthig geführt und wenigstens
sehr ansehnliche Streitkräfte aus dem Schiffbruch gerettet; daſs
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