Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.PHARSALOS. tritt der besseren Jahreszeit, die dem Feinde starken Zuzug undden freien Gebrauch seiner Flotte brachte, Caesar noch in der- selben Lage fand, so war er, in den epirotischen Felsen mit sei- ner schwachen Schaar eingekeilt zwischen der ungeheuren Flotte und dem dreifach überlegenen Landheer der Feinde, allem An- schein nach verloren; und schon neigte der Winter sich zu Ende. Alle Hoffnung beruhte immer noch darauf, dass die Transportflotte durch die Blokade sich durchschlich oder durchschlug. Es war das mehr als verwegen; aber nach der ersten freiwilligen Toll- kühnheit war diese zweite durch die Nothwendigkeit geboten. Wie verzweifelt Caesar selbst seine Lage erschien, beweist sein Ent- schluss, da die Flotte immer nicht kam, allein auf einer Fischer- barke durch das adriatische Meer nach Brundisium zu fahren um sie zu holen; was in der That nur darum unterblieb, weil sich kein Schiffer fand die verwegene Fahrt zu unternehmen. Indess es bedurfte seines persönlichen Erscheinens nicht um den treuen Offizier, der in Italien commandirte, Marcus Antonius zu bestim- men diesen letzten Versuch zu machen, um seinen Herrn zu retten. Abermals lief die Transportflotte, mit vier Legionen und 800 Rei- tern an Bord, aus dem Hafen von Brundisium aus und glücklich führte sie ein starker Südwind an Libos Galeeren vorüber. Allein derselbe Wind, der hier die Flotte rettete, machte es ihr unmöglich, wie ihr befohlen war, nach der apolloniatischen Küste zu steuern, und zwang sie an Caesars und Pompeius Lager vorbeizufahren und nördlich von Dyrrhachion unweit Lissos zu landen, welche Stadt zu gutem Glück noch zu Caesar hielt (S. 375). Indess noch war die Transportflotte nicht geborgen: aus dem Hafen von Dyr- rhachion, an dem sie vorüberfuhr, waren die rhodischen Galeeren aufgebrochen um sie zu verfolgen, und kaum waren Antonius Schiffe in den Hafen von Lissos eingefahren, als auch das feind- liche Geschwader vor demselben erschien. Aber eben in diesem Augenblick schlug plötzlich der Wind um und warf die verfol- genden Galeeren wieder zurück in die offene See und zum Theil an die felsige Küste. Durch die wunderbarsten Glücksfälle war die Landung auch des zweiten Transports gelungen. Noch standen zwar Antonius und Caesar etwa vier Tagemärsche von einander, getrennt durch Dyrrhachion und die gesammte feindliche Armee; indess Antonius bewerkstelligte glücklich den gefährlichen Marsch um Dyrrhachion herum durch die Pässe des Graba Balkan und ward von Caesar, der ihm entgegengegangen war, am rechten Ufer des Apsos aufgenommen. Pompeius, nachdem er vergeblich versucht hatte die Vereinigung der beiden feindlichen Armeen zu Röm. Gesch. III. 25
PHARSALOS. tritt der besseren Jahreszeit, die dem Feinde starken Zuzug undden freien Gebrauch seiner Flotte brachte, Caesar noch in der- selben Lage fand, so war er, in den epirotischen Felsen mit sei- ner schwachen Schaar eingekeilt zwischen der ungeheuren Flotte und dem dreifach überlegenen Landheer der Feinde, allem An- schein nach verloren; und schon neigte der Winter sich zu Ende. Alle Hoffnung beruhte immer noch darauf, daſs die Transportflotte durch die Blokade sich durchschlich oder durchschlug. Es war das mehr als verwegen; aber nach der ersten freiwilligen Toll- kühnheit war diese zweite durch die Nothwendigkeit geboten. Wie verzweifelt Caesar selbst seine Lage erschien, beweist sein Ent- schluſs, da die Flotte immer nicht kam, allein auf einer Fischer- barke durch das adriatische Meer nach Brundisium zu fahren um sie zu holen; was in der That nur darum unterblieb, weil sich kein Schiffer fand die verwegene Fahrt zu unternehmen. Indeſs es bedurfte seines persönlichen Erscheinens nicht um den treuen Offizier, der in Italien commandirte, Marcus Antonius zu bestim- men diesen letzten Versuch zu machen, um seinen Herrn zu retten. Abermals lief die Transportflotte, mit vier Legionen und 800 Rei- tern an Bord, aus dem Hafen von Brundisium aus und glücklich führte sie ein starker Südwind an Libos Galeeren vorüber. Allein derselbe Wind, der hier die Flotte rettete, machte es ihr unmöglich, wie ihr befohlen war, nach der apolloniatischen Küste zu steuern, und zwang sie an Caesars und Pompeius Lager vorbeizufahren und nördlich von Dyrrhachion unweit Lissos zu landen, welche Stadt zu gutem Glück noch zu Caesar hielt (S. 375). Indeſs noch war die Transportflotte nicht geborgen: aus dem Hafen von Dyr- rhachion, an dem sie vorüberfuhr, waren die rhodischen Galeeren aufgebrochen um sie zu verfolgen, und kaum waren Antonius Schiffe in den Hafen von Lissos eingefahren, als auch das feind- liche Geschwader vor demselben erschien. Aber eben in diesem Augenblick schlug plötzlich der Wind um und warf die verfol- genden Galeeren wieder zurück in die offene See und zum Theil an die felsige Küste. Durch die wunderbarsten Glücksfälle war die Landung auch des zweiten Transports gelungen. Noch standen zwar Antonius und Caesar etwa vier Tagemärsche von einander, getrennt durch Dyrrhachion und die gesammte feindliche Armee; indeſs Antonius bewerkstelligte glücklich den gefährlichen Marsch um Dyrrhachion herum durch die Pässe des Graba Balkan und ward von Caesar, der ihm entgegengegangen war, am rechten Ufer des Apsos aufgenommen. Pompeius, nachdem er vergeblich versucht hatte die Vereinigung der beiden feindlichen Armeen zu Röm. Gesch. III. 25
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PHARSALOS.
tritt der besseren Jahreszeit, die dem Feinde starken Zuzug und
den freien Gebrauch seiner Flotte brachte, Caesar noch in der-
selben Lage fand, so war er, in den epirotischen Felsen mit sei-
ner schwachen Schaar eingekeilt zwischen der ungeheuren Flotte
und dem dreifach überlegenen Landheer der Feinde, allem An-
schein nach verloren; und schon neigte der Winter sich zu Ende.
Alle Hoffnung beruhte immer noch darauf, daſs die Transportflotte
durch die Blokade sich durchschlich oder durchschlug. Es war
das mehr als verwegen; aber nach der ersten freiwilligen Toll-
kühnheit war diese zweite durch die Nothwendigkeit geboten. Wie
verzweifelt Caesar selbst seine Lage erschien, beweist sein Ent-
schluſs, da die Flotte immer nicht kam, allein auf einer Fischer-
barke durch das adriatische Meer nach Brundisium zu fahren um
sie zu holen; was in der That nur darum unterblieb, weil sich
kein Schiffer fand die verwegene Fahrt zu unternehmen. Indeſs
es bedurfte seines persönlichen Erscheinens nicht um den treuen
Offizier, der in Italien commandirte, Marcus Antonius zu bestim-
men diesen letzten Versuch zu machen, um seinen Herrn zu retten.
Abermals lief die Transportflotte, mit vier Legionen und 800 Rei-
tern an Bord, aus dem Hafen von Brundisium aus und glücklich
führte sie ein starker Südwind an Libos Galeeren vorüber. Allein
derselbe Wind, der hier die Flotte rettete, machte es ihr unmöglich,
wie ihr befohlen war, nach der apolloniatischen Küste zu steuern,
und zwang sie an Caesars und Pompeius Lager vorbeizufahren
und nördlich von Dyrrhachion unweit Lissos zu landen, welche
Stadt zu gutem Glück noch zu Caesar hielt (S. 375). Indeſs noch
war die Transportflotte nicht geborgen: aus dem Hafen von Dyr-
rhachion, an dem sie vorüberfuhr, waren die rhodischen Galeeren
aufgebrochen um sie zu verfolgen, und kaum waren Antonius
Schiffe in den Hafen von Lissos eingefahren, als auch das feind-
liche Geschwader vor demselben erschien. Aber eben in diesem
Augenblick schlug plötzlich der Wind um und warf die verfol-
genden Galeeren wieder zurück in die offene See und zum Theil
an die felsige Küste. Durch die wunderbarsten Glücksfälle war die
Landung auch des zweiten Transports gelungen. Noch standen
zwar Antonius und Caesar etwa vier Tagemärsche von einander,
getrennt durch Dyrrhachion und die gesammte feindliche Armee;
indeſs Antonius bewerkstelligte glücklich den gefährlichen Marsch
um Dyrrhachion herum durch die Pässe des Graba Balkan und
ward von Caesar, der ihm entgegengegangen war, am rechten
Ufer des Apsos aufgenommen. Pompeius, nachdem er vergeblich
versucht hatte die Vereinigung der beiden feindlichen Armeen zu
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