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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
schung der Feinde. Der epirotische Landsturm setzte nirgends
sich zur Wehr; die wichtigen Hafenstädte Orikon und Apollonia
nebst einer Menge kleinerer Ortschaften wurden weggenommen,
Dyrrhachion, von den Pompeianern zum Hauptwaffenplatz aus-
ersehen und mit Vorräthen aller Art angefüllt, aber nur schwach
besetzt, schwebte in der grössten Gefahr.

Indess der weitere Verlauf des Feldzugs entsprach diesem
glänzenden Anfange nicht. Bibulus machte die Nachlässigkeit, die
er sich hatte zu Schulden kommen lassen, nachträglich durch
verdoppelte Anstrengungen zum Theil wieder gut. Nicht bloss
brachte er von den heimkehrenden Transportschiffen gegen
dreissig auf, die er sämmtlich mit Mann und Maus verbrennen
liess, sondern er richtete auch längs des ganzen von Caesar be-
setzten Küstenstrichs, von der Insel Sason (Saseno) bis zu den
Häfen von Kerkyra, den sorgfältigsten Wachdienst ein, so be-
schwerlich auch die rauhe Jahreszeit und die Nothwendigkeit den
Wachtschiffen alle Bedürfnisse, selbst Holz und Wasser, von Ker-
kyra zuzuführen denselben machten; ja nachdem er selbst bald
darauf den ungewohnten Strapazen erlegen war, sperrte sein
Nachfolger Libo sogar eine Zeitlang den Hafen von Brundisium,
bis ihn von der kleinen Insel vor demselben, auf der er sich fest-
gesetzt hatte, der Wassermangel wieder vertrieb. Es war schlech-
terdings nicht möglich den zweiten Transport der caesarischen
Armee nachzuführen. Ebensowenig gelang die Wegnahme von
Dyrrhachion. Pompeius erfuhr durch einen der Friedensboten
Caesars von dessen Vorbereitungen zur Fahrt nach der epiroti-
schen Küste und den Marsch beschleunigend warf er sich noch
eben zu rechter Zeit in diesen wichtigen Waffenplatz. Caesars
Lage war kritisch. Obwohl er in Epirus so weit sich ausbreitete,
als es bei der geringen Stärke seiner Armee nur irgend möglich
war, so blieb die Subsistenz seiner Armee doch schwierig und
unsicher, während die Feinde, im Besitz der Magazine von Dyr-
rhachion und Herren der See, Ueberfluss an allem hatten. Mit
seinem vermuthlich wenig über 20000 Mann starken Heer konnte
er dem wenigstens doppelt so zahlreichen pompeianischen keine
Schlacht anbieten, sondern musste sich glücklich schätzen, dass
Pompeius methodisch zu Werke ging und, statt sofort die
Schlacht zu erzwingen, zwischen Dyrrhachion und Apollonia am
rechten Ufer des Apsos, gegenüber Caesar auf dem linken, das
Winterlager bezog, um mit dem Frühjahr nach dem Eintreffen
der Legionen von Pergamon mit unwiderstehlicher Uebermacht
den Feind zu vernichten. So verflossen Monate. Wenn der Ein-

FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
schung der Feinde. Der epirotische Landsturm setzte nirgends
sich zur Wehr; die wichtigen Hafenstädte Orikon und Apollonia
nebst einer Menge kleinerer Ortschaften wurden weggenommen,
Dyrrhachion, von den Pompeianern zum Hauptwaffenplatz aus-
ersehen und mit Vorräthen aller Art angefüllt, aber nur schwach
besetzt, schwebte in der gröſsten Gefahr.

Indeſs der weitere Verlauf des Feldzugs entsprach diesem
glänzenden Anfange nicht. Bibulus machte die Nachlässigkeit, die
er sich hatte zu Schulden kommen lassen, nachträglich durch
verdoppelte Anstrengungen zum Theil wieder gut. Nicht bloſs
brachte er von den heimkehrenden Transportschiffen gegen
dreiſsig auf, die er sämmtlich mit Mann und Maus verbrennen
lieſs, sondern er richtete auch längs des ganzen von Caesar be-
setzten Küstenstrichs, von der Insel Sason (Saseno) bis zu den
Häfen von Kerkyra, den sorgfältigsten Wachdienst ein, so be-
schwerlich auch die rauhe Jahreszeit und die Nothwendigkeit den
Wachtschiffen alle Bedürfnisse, selbst Holz und Wasser, von Ker-
kyra zuzuführen denselben machten; ja nachdem er selbst bald
darauf den ungewohnten Strapazen erlegen war, sperrte sein
Nachfolger Libo sogar eine Zeitlang den Hafen von Brundisium,
bis ihn von der kleinen Insel vor demselben, auf der er sich fest-
gesetzt hatte, der Wassermangel wieder vertrieb. Es war schlech-
terdings nicht möglich den zweiten Transport der caesarischen
Armee nachzuführen. Ebensowenig gelang die Wegnahme von
Dyrrhachion. Pompeius erfuhr durch einen der Friedensboten
Caesars von dessen Vorbereitungen zur Fahrt nach der epiroti-
schen Küste und den Marsch beschleunigend warf er sich noch
eben zu rechter Zeit in diesen wichtigen Waffenplatz. Caesars
Lage war kritisch. Obwohl er in Epirus so weit sich ausbreitete,
als es bei der geringen Stärke seiner Armee nur irgend möglich
war, so blieb die Subsistenz seiner Armee doch schwierig und
unsicher, während die Feinde, im Besitz der Magazine von Dyr-
rhachion und Herren der See, Ueberfluſs an allem hatten. Mit
seinem vermuthlich wenig über 20000 Mann starken Heer konnte
er dem wenigstens doppelt so zahlreichen pompeianischen keine
Schlacht anbieten, sondern muſste sich glücklich schätzen, daſs
Pompeius methodisch zu Werke ging und, statt sofort die
Schlacht zu erzwingen, zwischen Dyrrhachion und Apollonia am
rechten Ufer des Apsos, gegenüber Caesar auf dem linken, das
Winterlager bezog, um mit dem Frühjahr nach dem Eintreffen
der Legionen von Pergamon mit unwiderstehlicher Uebermacht
den Feind zu vernichten. So verflossen Monate. Wenn der Ein-

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[384/0394] FÜNFTES BUCH. KAPITEL X. schung der Feinde. Der epirotische Landsturm setzte nirgends sich zur Wehr; die wichtigen Hafenstädte Orikon und Apollonia nebst einer Menge kleinerer Ortschaften wurden weggenommen, Dyrrhachion, von den Pompeianern zum Hauptwaffenplatz aus- ersehen und mit Vorräthen aller Art angefüllt, aber nur schwach besetzt, schwebte in der gröſsten Gefahr. Indeſs der weitere Verlauf des Feldzugs entsprach diesem glänzenden Anfange nicht. Bibulus machte die Nachlässigkeit, die er sich hatte zu Schulden kommen lassen, nachträglich durch verdoppelte Anstrengungen zum Theil wieder gut. Nicht bloſs brachte er von den heimkehrenden Transportschiffen gegen dreiſsig auf, die er sämmtlich mit Mann und Maus verbrennen lieſs, sondern er richtete auch längs des ganzen von Caesar be- setzten Küstenstrichs, von der Insel Sason (Saseno) bis zu den Häfen von Kerkyra, den sorgfältigsten Wachdienst ein, so be- schwerlich auch die rauhe Jahreszeit und die Nothwendigkeit den Wachtschiffen alle Bedürfnisse, selbst Holz und Wasser, von Ker- kyra zuzuführen denselben machten; ja nachdem er selbst bald darauf den ungewohnten Strapazen erlegen war, sperrte sein Nachfolger Libo sogar eine Zeitlang den Hafen von Brundisium, bis ihn von der kleinen Insel vor demselben, auf der er sich fest- gesetzt hatte, der Wassermangel wieder vertrieb. Es war schlech- terdings nicht möglich den zweiten Transport der caesarischen Armee nachzuführen. Ebensowenig gelang die Wegnahme von Dyrrhachion. Pompeius erfuhr durch einen der Friedensboten Caesars von dessen Vorbereitungen zur Fahrt nach der epiroti- schen Küste und den Marsch beschleunigend warf er sich noch eben zu rechter Zeit in diesen wichtigen Waffenplatz. Caesars Lage war kritisch. Obwohl er in Epirus so weit sich ausbreitete, als es bei der geringen Stärke seiner Armee nur irgend möglich war, so blieb die Subsistenz seiner Armee doch schwierig und unsicher, während die Feinde, im Besitz der Magazine von Dyr- rhachion und Herren der See, Ueberfluſs an allem hatten. Mit seinem vermuthlich wenig über 20000 Mann starken Heer konnte er dem wenigstens doppelt so zahlreichen pompeianischen keine Schlacht anbieten, sondern muſste sich glücklich schätzen, daſs Pompeius methodisch zu Werke ging und, statt sofort die Schlacht zu erzwingen, zwischen Dyrrhachion und Apollonia am rechten Ufer des Apsos, gegenüber Caesar auf dem linken, das Winterlager bezog, um mit dem Frühjahr nach dem Eintreffen der Legionen von Pergamon mit unwiderstehlicher Uebermacht den Feind zu vernichten. So verflossen Monate. Wenn der Ein-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/394>, abgerufen am 18.12.2024.