Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.PHARSALOS. Seeweges den zu Lande durch Ulyrien einschlug, welcher allervon der Flotte drohenden Gefahren ihn überhob und überdies für seine grösstentheils aus Gallien kommenden Truppen kürzer war als der über Brundisium. Zwar waren die illyrischen Land- schaften unbeschreiblich rauh und arm; aber sie sind doch von andern Armeen nicht lange nachher durchschritten worden und dieses Hinderniss konnte schwerlich dem Eroberer Galliens un- übersteiglich erscheinen. Vielleicht besorgte er, dass während des schwierigen illyrischen Marsches Pompeius seine gesammte Streitmacht über das adriatische Meer führen möchte, wodurch die Rollen auf einmal sich umkehren, Caesar in Makedonien, Pompeius in Italien zu stehen kommen konnte; obwohl ein sol- cher rascher Wechsel dem schwerfälligen Gegner doch kaum zu- zutrauen war. Vielleicht hatte Caesar auch, als er sich für den Seeweg entschied, dies in der Voraussetzung gethan, dass seine Flotte inzwischen auf einen achtunggebietenden Stand gebracht sein würde, und als er nach seiner Rückkehr aus Spanien des wah- ren Standes der Dinge im adriatischen Meere inne ward, mochte es zu spät sein den Feldzugsplan zu ändern. Vielleicht, ja nach Caesars raschem stets zur Entscheidung drängenden Naturell darf man sagen wahrscheinlich, fand er durch die augenblicklich noch unbesetzte, aber sicher in wenigen Tagen mit Feinden sich bedeckende epirotische Küste sich unwiderstehlich gelockt den ganzen Plan des Gegners wieder einmal durch einen verwegenen Streich zu durchkreuzen. Wie dem auch sei, am 4. Jan. 706* ging Caesar mit sechs durch Strapazen und Krankheiten sehr gelichteten Legionen und 600 Reitern von Brundisium nach der epirotischen Küste unter Segel. Es war ein Seitenstück zu der tollkühnen britannischen Expedition; indess wenigstens der erste Wurf war glücklich. Inmitten der akrokeraunischen (Chimara-) Klippen, auf der wenig besuchten Rhede von Paleassa (Paljassa) ward die Küste erreicht. Man sah die Transportschiffe sowohl aus dem Hafen von Orikon (Bucht von Avlona), wo ein pom- peianisches Geschwader von 18 Schiffen lag, als auch aus dem Hauptquartier der feindlichen Flotte bei Kerkyra; aber dort hielt man sich zu schwach, hier war man nicht segelfertig und unge- hindert ward der erste Transport ans Land gesetzt. Während die Schiffe sogleich zurückgingen um den zweiten nachzuholen, überstieg Caesar noch denselben Abend die akrokeraunischen Berge. Seine ersten Erfolge waren so gross wie die Ueberra- * Oder nach dem berichtigten Kalender etwa am 5. Nov. 705.
PHARSALOS. Seeweges den zu Lande durch Ulyrien einschlug, welcher allervon der Flotte drohenden Gefahren ihn überhob und überdies für seine gröſstentheils aus Gallien kommenden Truppen kürzer war als der über Brundisium. Zwar waren die illyrischen Land- schaften unbeschreiblich rauh und arm; aber sie sind doch von andern Armeen nicht lange nachher durchschritten worden und dieses Hinderniſs konnte schwerlich dem Eroberer Galliens un- übersteiglich erscheinen. Vielleicht besorgte er, daſs während des schwierigen illyrischen Marsches Pompeius seine gesammte Streitmacht über das adriatische Meer führen möchte, wodurch die Rollen auf einmal sich umkehren, Caesar in Makedonien, Pompeius in Italien zu stehen kommen konnte; obwohl ein sol- cher rascher Wechsel dem schwerfälligen Gegner doch kaum zu- zutrauen war. Vielleicht hatte Caesar auch, als er sich für den Seeweg entschied, dies in der Voraussetzung gethan, daſs seine Flotte inzwischen auf einen achtunggebietenden Stand gebracht sein würde, und als er nach seiner Rückkehr aus Spanien des wah- ren Standes der Dinge im adriatischen Meere inne ward, mochte es zu spät sein den Feldzugsplan zu ändern. Vielleicht, ja nach Caesars raschem stets zur Entscheidung drängenden Naturell darf man sagen wahrscheinlich, fand er durch die augenblicklich noch unbesetzte, aber sicher in wenigen Tagen mit Feinden sich bedeckende epirotische Küste sich unwiderstehlich gelockt den ganzen Plan des Gegners wieder einmal durch einen verwegenen Streich zu durchkreuzen. Wie dem auch sei, am 4. Jan. 706* ging Caesar mit sechs durch Strapazen und Krankheiten sehr gelichteten Legionen und 600 Reitern von Brundisium nach der epirotischen Küste unter Segel. Es war ein Seitenstück zu der tollkühnen britannischen Expedition; indeſs wenigstens der erste Wurf war glücklich. Inmitten der akrokeraunischen (Chimara-) Klippen, auf der wenig besuchten Rhede von Paleassa (Paljassa) ward die Küste erreicht. Man sah die Transportschiffe sowohl aus dem Hafen von Orikon (Bucht von Avlona), wo ein pom- peianisches Geschwader von 18 Schiffen lag, als auch aus dem Hauptquartier der feindlichen Flotte bei Kerkyra; aber dort hielt man sich zu schwach, hier war man nicht segelfertig und unge- hindert ward der erste Transport ans Land gesetzt. Während die Schiffe sogleich zurückgingen um den zweiten nachzuholen, überstieg Caesar noch denselben Abend die akrokeraunischen Berge. Seine ersten Erfolge waren so groſs wie die Ueberra- * Oder nach dem berichtigten Kalender etwa am 5. Nov. 705.
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PHARSALOS.
Seeweges den zu Lande durch Ulyrien einschlug, welcher aller
von der Flotte drohenden Gefahren ihn überhob und überdies
für seine gröſstentheils aus Gallien kommenden Truppen kürzer
war als der über Brundisium. Zwar waren die illyrischen Land-
schaften unbeschreiblich rauh und arm; aber sie sind doch von
andern Armeen nicht lange nachher durchschritten worden und
dieses Hinderniſs konnte schwerlich dem Eroberer Galliens un-
übersteiglich erscheinen. Vielleicht besorgte er, daſs während
des schwierigen illyrischen Marsches Pompeius seine gesammte
Streitmacht über das adriatische Meer führen möchte, wodurch
die Rollen auf einmal sich umkehren, Caesar in Makedonien,
Pompeius in Italien zu stehen kommen konnte; obwohl ein sol-
cher rascher Wechsel dem schwerfälligen Gegner doch kaum zu-
zutrauen war. Vielleicht hatte Caesar auch, als er sich für den
Seeweg entschied, dies in der Voraussetzung gethan, daſs seine
Flotte inzwischen auf einen achtunggebietenden Stand gebracht
sein würde, und als er nach seiner Rückkehr aus Spanien des wah-
ren Standes der Dinge im adriatischen Meere inne ward, mochte
es zu spät sein den Feldzugsplan zu ändern. Vielleicht, ja nach
Caesars raschem stets zur Entscheidung drängenden Naturell
darf man sagen wahrscheinlich, fand er durch die augenblicklich
noch unbesetzte, aber sicher in wenigen Tagen mit Feinden sich
bedeckende epirotische Küste sich unwiderstehlich gelockt den
ganzen Plan des Gegners wieder einmal durch einen verwegenen
Streich zu durchkreuzen. Wie dem auch sei, am 4. Jan. 706 *
ging Caesar mit sechs durch Strapazen und Krankheiten sehr
gelichteten Legionen und 600 Reitern von Brundisium nach der
epirotischen Küste unter Segel. Es war ein Seitenstück zu der
tollkühnen britannischen Expedition; indeſs wenigstens der erste
Wurf war glücklich. Inmitten der akrokeraunischen (Chimara-)
Klippen, auf der wenig besuchten Rhede von Paleassa (Paljassa)
ward die Küste erreicht. Man sah die Transportschiffe sowohl
aus dem Hafen von Orikon (Bucht von Avlona), wo ein pom-
peianisches Geschwader von 18 Schiffen lag, als auch aus dem
Hauptquartier der feindlichen Flotte bei Kerkyra; aber dort hielt
man sich zu schwach, hier war man nicht segelfertig und unge-
hindert ward der erste Transport ans Land gesetzt. Während
die Schiffe sogleich zurückgingen um den zweiten nachzuholen,
überstieg Caesar noch denselben Abend die akrokeraunischen
Berge. Seine ersten Erfolge waren so groſs wie die Ueberra-
* Oder nach dem berichtigten Kalender etwa am 5. Nov. 705.
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