Oberfeldherrn sollte bis zum Winter 705/6 Heer und Flotte wesentlich vollständig an der Küste und in den Gewässern von Epirus vereinigt sein. Der Admiral Bibulus war auch bereits mit 110 Schiffen in seinem neuen Hauptquartier Kerkyra eingetrof- fen. Dagegen war das Landheer, dessen Hauptquartier während des Sommers zu Berrhoea am Haliakmon gewesen war, noch zurück: die Masse bewegte sich langsam auf der grossen Kunst- strasse von Thessalonike nach der Westküste auf das neue Haupt- quartier Dyrrhachion zu; die beiden Legionen, die Metellus Scipio aus Syrien heranführte, standen gar noch bei Pergamon in Klein- asien im Winterquartier und wurden erst zum Frühjahr in Europa erwartet. Man nahm sich eben Zeit. Vorläufig waren die epiro- tischen Häfen ausser durch die Flotte nur noch durch die Bür- gerwehren und die Aufgebote der Umgegend vertheidigt.
So war es Caesar möglich geblieben trotz des dazwischen- fallenden spanischen Krieges auch in Makedonien die Offensive für sich zu nehmen, und er wenigstens säumte nicht. Längst hatte er die Zusammenziehung von Kriegs- und Transportschif- fen in Brundisium angeordnet und nach der Capitulation der spa- nischen Armee und dem Fall von Massalia die dort verwendeten Kerntruppen zum grössten Theil eben dahin dirigirt. Die uner- hörten Anstrengungen zwar, die also von Caesar den Soldaten zugemuthet wurden, lichteten mehr als die Gefechte die Reihen, und die Meuterei einer der vier ältesten Legionen, der neunten, auf ihrem Durchmarsch durch Placentia war ein gefährliches Zeichen der bei der Armee einreissenden Stimmung; doch wur- den Caesars Geistesgegenwart und persönliche Autorität dersel- ben Herr und von dieser Seite stand der Einschiffung nichts im Wege. Allein woran schon im März 705 die Verfolgung des Pompeius gescheitert war, der Mangel an Schiffen drohte auch diese Expedition zu vereiteln. Die Kriegsschiffe, die Caesar in den gallischen, sicilischen und italischen Häfen zu erbauen be- fohlen hatte, waren noch nicht fertig oder doch nicht zur Stelle; sein Geschwader im adriatischen Meer war das Jahr zuvor bei Curicta vernichtet worden (S. 374); er fand bei Brundisium nicht mehr als zwölf Kriegsschiffe und kaum Transportfahrzeuge genug, um den dritten Theil seiner nach Griechenland bestimmten Armee von 12 Legionen und 10000 Reitern auf einmal überzu- führen. Die ansehnliche feindliche Flotte beherrschte ausschliess- lich das adriatische Meer und namentlich die sämmtlichen Insel- und festländischen Häfen der Ostküste. Unter solchen Umstän- den drängt die Frage sich auf, warum Caesar nicht statt des
FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
Oberfeldherrn sollte bis zum Winter 705/6 Heer und Flotte wesentlich vollständig an der Küste und in den Gewässern von Epirus vereinigt sein. Der Admiral Bibulus war auch bereits mit 110 Schiffen in seinem neuen Hauptquartier Kerkyra eingetrof- fen. Dagegen war das Landheer, dessen Hauptquartier während des Sommers zu Berrhoea am Haliakmon gewesen war, noch zurück: die Masse bewegte sich langsam auf der groſsen Kunst- straſse von Thessalonike nach der Westküste auf das neue Haupt- quartier Dyrrhachion zu; die beiden Legionen, die Metellus Scipio aus Syrien heranführte, standen gar noch bei Pergamon in Klein- asien im Winterquartier und wurden erst zum Frühjahr in Europa erwartet. Man nahm sich eben Zeit. Vorläufig waren die epiro- tischen Häfen auſser durch die Flotte nur noch durch die Bür- gerwehren und die Aufgebote der Umgegend vertheidigt.
So war es Caesar möglich geblieben trotz des dazwischen- fallenden spanischen Krieges auch in Makedonien die Offensive für sich zu nehmen, und er wenigstens säumte nicht. Längst hatte er die Zusammenziehung von Kriegs- und Transportschif- fen in Brundisium angeordnet und nach der Capitulation der spa- nischen Armee und dem Fall von Massalia die dort verwendeten Kerntruppen zum gröſsten Theil eben dahin dirigirt. Die uner- hörten Anstrengungen zwar, die also von Caesar den Soldaten zugemuthet wurden, lichteten mehr als die Gefechte die Reihen, und die Meuterei einer der vier ältesten Legionen, der neunten, auf ihrem Durchmarsch durch Placentia war ein gefährliches Zeichen der bei der Armee einreiſsenden Stimmung; doch wur- den Caesars Geistesgegenwart und persönliche Autorität dersel- ben Herr und von dieser Seite stand der Einschiffung nichts im Wege. Allein woran schon im März 705 die Verfolgung des Pompeius gescheitert war, der Mangel an Schiffen drohte auch diese Expedition zu vereiteln. Die Kriegsschiffe, die Caesar in den gallischen, sicilischen und italischen Häfen zu erbauen be- fohlen hatte, waren noch nicht fertig oder doch nicht zur Stelle; sein Geschwader im adriatischen Meer war das Jahr zuvor bei Curicta vernichtet worden (S. 374); er fand bei Brundisium nicht mehr als zwölf Kriegsschiffe und kaum Transportfahrzeuge genug, um den dritten Theil seiner nach Griechenland bestimmten Armee von 12 Legionen und 10000 Reitern auf einmal überzu- führen. Die ansehnliche feindliche Flotte beherrschte ausschlieſs- lich das adriatische Meer und namentlich die sämmtlichen Insel- und festländischen Häfen der Ostküste. Unter solchen Umstän- den drängt die Frage sich auf, warum Caesar nicht statt des
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FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
Oberfeldherrn sollte bis zum Winter 705/6 Heer und Flotte
wesentlich vollständig an der Küste und in den Gewässern von
Epirus vereinigt sein. Der Admiral Bibulus war auch bereits mit
110 Schiffen in seinem neuen Hauptquartier Kerkyra eingetrof-
fen. Dagegen war das Landheer, dessen Hauptquartier während
des Sommers zu Berrhoea am Haliakmon gewesen war, noch
zurück: die Masse bewegte sich langsam auf der groſsen Kunst-
straſse von Thessalonike nach der Westküste auf das neue Haupt-
quartier Dyrrhachion zu; die beiden Legionen, die Metellus Scipio
aus Syrien heranführte, standen gar noch bei Pergamon in Klein-
asien im Winterquartier und wurden erst zum Frühjahr in Europa
erwartet. Man nahm sich eben Zeit. Vorläufig waren die epiro-
tischen Häfen auſser durch die Flotte nur noch durch die Bür-
gerwehren und die Aufgebote der Umgegend vertheidigt.
So war es Caesar möglich geblieben trotz des dazwischen-
fallenden spanischen Krieges auch in Makedonien die Offensive
für sich zu nehmen, und er wenigstens säumte nicht. Längst
hatte er die Zusammenziehung von Kriegs- und Transportschif-
fen in Brundisium angeordnet und nach der Capitulation der spa-
nischen Armee und dem Fall von Massalia die dort verwendeten
Kerntruppen zum gröſsten Theil eben dahin dirigirt. Die uner-
hörten Anstrengungen zwar, die also von Caesar den Soldaten
zugemuthet wurden, lichteten mehr als die Gefechte die Reihen,
und die Meuterei einer der vier ältesten Legionen, der neunten,
auf ihrem Durchmarsch durch Placentia war ein gefährliches
Zeichen der bei der Armee einreiſsenden Stimmung; doch wur-
den Caesars Geistesgegenwart und persönliche Autorität dersel-
ben Herr und von dieser Seite stand der Einschiffung nichts im
Wege. Allein woran schon im März 705 die Verfolgung des
Pompeius gescheitert war, der Mangel an Schiffen drohte auch
diese Expedition zu vereiteln. Die Kriegsschiffe, die Caesar in
den gallischen, sicilischen und italischen Häfen zu erbauen be-
fohlen hatte, waren noch nicht fertig oder doch nicht zur Stelle;
sein Geschwader im adriatischen Meer war das Jahr zuvor bei
Curicta vernichtet worden (S. 374); er fand bei Brundisium
nicht mehr als zwölf Kriegsschiffe und kaum Transportfahrzeuge
genug, um den dritten Theil seiner nach Griechenland bestimmten
Armee von 12 Legionen und 10000 Reitern auf einmal überzu-
führen. Die ansehnliche feindliche Flotte beherrschte ausschlieſs-
lich das adriatische Meer und namentlich die sämmtlichen Insel-
und festländischen Häfen der Ostküste. Unter solchen Umstän-
den drängt die Frage sich auf, warum Caesar nicht statt des
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/392>, abgerufen am 18.12.2024.
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