Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL X. alten Regiments und dem neuen Monarchen unmöglich. Wohlbegriffen wenigstens diejenigen von ihnen, die es vermochten sich schmerzliche Wahrheiten einzugestehen, dass nach der Ver- nichtung der beiden grossen Armeen der Verfassungspartei bei Ilerda und Pharsalos die Monarchie unvermeidlich war. Allein für sie blieb einmal nur die Wahl entweder die Monarchie ertra- gend jeder öffentlichen Thätigkeit sich zu enthalten, oder aber, nicht um den Sieg, sondern um rascheren und ehrenvolleren Untergang gegen die Monarchie weiter zu kämpfen. Ein grosser Theil der Verfassungspartei wählte die erste Alternative; freilich regelmässig nicht ohne den Hintergedanken sich damit auf einen künftigen Umschwung der Dinge aufzusparen. Vorzugsweise tha- ten dies die minder namhaften Parteigenossen; doch zählte auch der tüchtige Marcus Marcellus, derselbe, der den Bruch mit Cae- sar herbeigeführt hatte (S. 329), zu diesen Verständigen und verbannte sich freiwillig nach Lesbos. Aber in der Majorität der echten Aristokratie war die Leidenschaft mächtiger als die kühle Ueberlegung; wobei freilich auch die Selbsttäuschungen über den noch möglichen Erfolg und die Besorgnisse vor der drohenden Rache des Siegers mannigfaltig mitwirkten. Keiner wohl beur- theilte mit so schmerzlicher Klarheit und so frei von Furcht wie von Hoffnung für sich die Lage der Dinge wie Marcus Cato. Er schwankte einen Augenblick, ob die Verfassungspartei den Krieg überhaupt noch fortsetzen dürfe, der nothwendig für eine verlo- rene Sache Vielen Opfer zumuthete, die nicht wussten, wofür sie sie brachten. Aber wenn er sich entschloss den Krieg weiter zu führen, so suchte er doch so weit möglich in denselben keinen hineinzuziehen, der entschlossen war den Untergang der Repu- blik zu überleben und mit der Monarchie sich abzufinden. So lange die Republik nur bedroht gewesen, meinte er, habe man das Recht und die Pflicht gehabt auch den lauen und schlechten Bürger zur Theilnahme an dem Kampfe zu zwingen; aber jetzt sei es sinnlos und grausam den Einzelnen zu nöthigen, dass er mit der verlorenen Republik sich zu Grunde richte. Nicht bloss entliess er selbst Jeden, der nach Italien heimzukehren begehrte; als der wildeste unter den wilden Parteimännern, Gnaeus Pom- peius der Sohn, auf die Hinrichtung dieser Leute, namentlich des Cicero drang, war es einzig Cato, der sie durch seine sittliche Autorität verhinderte. -- Auch Pompeius begehrte keinen Frie- den. Wäre er ein Mann gewesen, der es verdiente an dem Platze zu stehen wo er stand, so möchte man meinen, er habe es be- griffen, dass wer nach der Krone greift, nicht wieder zurück kann FÜNFTES BUCH. KAPITEL X. alten Regiments und dem neuen Monarchen unmöglich. Wohlbegriffen wenigstens diejenigen von ihnen, die es vermochten sich schmerzliche Wahrheiten einzugestehen, daſs nach der Ver- nichtung der beiden groſsen Armeen der Verfassungspartei bei Ilerda und Pharsalos die Monarchie unvermeidlich war. Allein für sie blieb einmal nur die Wahl entweder die Monarchie ertra- gend jeder öffentlichen Thätigkeit sich zu enthalten, oder aber, nicht um den Sieg, sondern um rascheren und ehrenvolleren Untergang gegen die Monarchie weiter zu kämpfen. Ein groſser Theil der Verfassungspartei wählte die erste Alternative; freilich regelmäſsig nicht ohne den Hintergedanken sich damit auf einen künftigen Umschwung der Dinge aufzusparen. Vorzugsweise tha- ten dies die minder namhaften Parteigenossen; doch zählte auch der tüchtige Marcus Marcellus, derselbe, der den Bruch mit Cae- sar herbeigeführt hatte (S. 329), zu diesen Verständigen und verbannte sich freiwillig nach Lesbos. Aber in der Majorität der echten Aristokratie war die Leidenschaft mächtiger als die kühle Ueberlegung; wobei freilich auch die Selbsttäuschungen über den noch möglichen Erfolg und die Besorgnisse vor der drohenden Rache des Siegers mannigfaltig mitwirkten. Keiner wohl beur- theilte mit so schmerzlicher Klarheit und so frei von Furcht wie von Hoffnung für sich die Lage der Dinge wie Marcus Cato. Er schwankte einen Augenblick, ob die Verfassungspartei den Krieg überhaupt noch fortsetzen dürfe, der nothwendig für eine verlo- rene Sache Vielen Opfer zumuthete, die nicht wuſsten, wofür sie sie brachten. Aber wenn er sich entschloſs den Krieg weiter zu führen, so suchte er doch so weit möglich in denselben keinen hineinzuziehen, der entschlossen war den Untergang der Repu- blik zu überleben und mit der Monarchie sich abzufinden. So lange die Republik nur bedroht gewesen, meinte er, habe man das Recht und die Pflicht gehabt auch den lauen und schlechten Bürger zur Theilnahme an dem Kampfe zu zwingen; aber jetzt sei es sinnlos und grausam den Einzelnen zu nöthigen, daſs er mit der verlorenen Republik sich zu Grunde richte. Nicht bloſs entlieſs er selbst Jeden, der nach Italien heimzukehren begehrte; als der wildeste unter den wilden Parteimännern, Gnaeus Pom- peius der Sohn, auf die Hinrichtung dieser Leute, namentlich des Cicero drang, war es einzig Cato, der sie durch seine sittliche Autorität verhinderte. — Auch Pompeius begehrte keinen Frie- den. Wäre er ein Mann gewesen, der es verdiente an dem Platze zu stehen wo er stand, so möchte man meinen, er habe es be- griffen, daſs wer nach der Krone greift, nicht wieder zurück kann <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0408" n="398"/><fw place="top" type="header">FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.</fw><lb/> alten Regiments und dem neuen Monarchen unmöglich. Wohl<lb/> begriffen wenigstens diejenigen von ihnen, die es vermochten<lb/> sich schmerzliche Wahrheiten einzugestehen, daſs nach der Ver-<lb/> nichtung der beiden groſsen Armeen der Verfassungspartei bei<lb/> Ilerda und Pharsalos die Monarchie unvermeidlich war. Allein<lb/> für sie blieb einmal nur die Wahl entweder die Monarchie ertra-<lb/> gend jeder öffentlichen Thätigkeit sich zu enthalten, oder aber,<lb/> nicht um den Sieg, sondern um rascheren und ehrenvolleren<lb/> Untergang gegen die Monarchie weiter zu kämpfen. 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Er<lb/> schwankte einen Augenblick, ob die Verfassungspartei den Krieg<lb/> überhaupt noch fortsetzen dürfe, der nothwendig für eine verlo-<lb/> rene Sache Vielen Opfer zumuthete, die nicht wuſsten, wofür sie<lb/> sie brachten. Aber wenn er sich entschloſs den Krieg weiter zu<lb/> führen, so suchte er doch so weit möglich in denselben keinen<lb/> hineinzuziehen, der entschlossen war den Untergang der Repu-<lb/> blik zu überleben und mit der Monarchie sich abzufinden. So<lb/> lange die Republik nur bedroht gewesen, meinte er, habe man<lb/> das Recht und die Pflicht gehabt auch den lauen und schlechten<lb/> Bürger zur Theilnahme an dem Kampfe zu zwingen; aber jetzt<lb/> sei es sinnlos und grausam den Einzelnen zu nöthigen, daſs er<lb/> mit der verlorenen Republik sich zu Grunde richte. 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FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
alten Regiments und dem neuen Monarchen unmöglich. Wohl
begriffen wenigstens diejenigen von ihnen, die es vermochten
sich schmerzliche Wahrheiten einzugestehen, daſs nach der Ver-
nichtung der beiden groſsen Armeen der Verfassungspartei bei
Ilerda und Pharsalos die Monarchie unvermeidlich war. Allein
für sie blieb einmal nur die Wahl entweder die Monarchie ertra-
gend jeder öffentlichen Thätigkeit sich zu enthalten, oder aber,
nicht um den Sieg, sondern um rascheren und ehrenvolleren
Untergang gegen die Monarchie weiter zu kämpfen. Ein groſser
Theil der Verfassungspartei wählte die erste Alternative; freilich
regelmäſsig nicht ohne den Hintergedanken sich damit auf einen
künftigen Umschwung der Dinge aufzusparen. Vorzugsweise tha-
ten dies die minder namhaften Parteigenossen; doch zählte auch
der tüchtige Marcus Marcellus, derselbe, der den Bruch mit Cae-
sar herbeigeführt hatte (S. 329), zu diesen Verständigen und
verbannte sich freiwillig nach Lesbos. Aber in der Majorität der
echten Aristokratie war die Leidenschaft mächtiger als die kühle
Ueberlegung; wobei freilich auch die Selbsttäuschungen über den
noch möglichen Erfolg und die Besorgnisse vor der drohenden
Rache des Siegers mannigfaltig mitwirkten. Keiner wohl beur-
theilte mit so schmerzlicher Klarheit und so frei von Furcht wie
von Hoffnung für sich die Lage der Dinge wie Marcus Cato. Er
schwankte einen Augenblick, ob die Verfassungspartei den Krieg
überhaupt noch fortsetzen dürfe, der nothwendig für eine verlo-
rene Sache Vielen Opfer zumuthete, die nicht wuſsten, wofür sie
sie brachten. Aber wenn er sich entschloſs den Krieg weiter zu
führen, so suchte er doch so weit möglich in denselben keinen
hineinzuziehen, der entschlossen war den Untergang der Repu-
blik zu überleben und mit der Monarchie sich abzufinden. So
lange die Republik nur bedroht gewesen, meinte er, habe man
das Recht und die Pflicht gehabt auch den lauen und schlechten
Bürger zur Theilnahme an dem Kampfe zu zwingen; aber jetzt
sei es sinnlos und grausam den Einzelnen zu nöthigen, daſs er
mit der verlorenen Republik sich zu Grunde richte. Nicht bloſs
entlieſs er selbst Jeden, der nach Italien heimzukehren begehrte;
als der wildeste unter den wilden Parteimännern, Gnaeus Pom-
peius der Sohn, auf die Hinrichtung dieser Leute, namentlich
des Cicero drang, war es einzig Cato, der sie durch seine sittliche
Autorität verhinderte. — Auch Pompeius begehrte keinen Frie-
den. Wäre er ein Mann gewesen, der es verdiente an dem Platze
zu stehen wo er stand, so möchte man meinen, er habe es be-
griffen, daſs wer nach der Krone greift, nicht wieder zurück kann
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