Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.REPUBLIK UND MONARCHIE. verweilen erlaubten, ordnete er die Geschicke der Welt für dieGegenwart und die Zukunft, von der Feststellung der Grenzlinie zwischen Civilisation und Barbarei an bis hinab zu der Beseiti- gung der Regenpfützen auf den Gassen der Hauptstadt, und be- hielt dabei noch Zeit und Heiterkeit genug um den Preisstücken im Theater aufmerksam zu folgen und dem Sieger den Kranz mit improvisirten Versen zu ertheilen. Die Schnelligkeit und Sicher- heit der Ausführung des Planes beweist, dass er lange durchdacht und in allen Theilen im Einzelnen festgestellt war; allein auch so bleibt sie nicht viel weniger wunderbar als der Plan selbst. Die Grundzüge waren gegeben und damit der neue Staat für alle Zu- kunft bestimmt; vollenden konnte den Bau nur die grenzenlose Zukunft. Insofern durfte Caesar sich sagen, dass sein Ziel er- reicht sei, und das wohl mochten die Worte bedeuten, die man zuweilen aus seinem Munde vernahm, dass er genug gelebt habe. Aber eben weil der Bau ein unendlicher war, fügte der Meister, so lange er lebte, rastlos Stein auf Stein, mit immer gleicher Ge- schmeidigkeit und immer gleicher Spannkraft thätig an seinem Werk, ohne je zu überstürzen oder zu verschieben, eben als gebe es für ihn nur ein Heute und kein Morgen. So wirkte und schaffte er wie nie ein Sterblicher vor und nach ihm, und als ein Wirken- der und Schaffender lebt er noch nach Jahrtausenden im Gedächt- niss der Nationen, der erste und doch auch der einzige Imperator Caesar. REPUBLIK UND MONARCHIE. verweilen erlaubten, ordnete er die Geschicke der Welt für dieGegenwart und die Zukunft, von der Feststellung der Grenzlinie zwischen Civilisation und Barbarei an bis hinab zu der Beseiti- gung der Regenpfützen auf den Gassen der Hauptstadt, und be- hielt dabei noch Zeit und Heiterkeit genug um den Preisstücken im Theater aufmerksam zu folgen und dem Sieger den Kranz mit improvisirten Versen zu ertheilen. Die Schnelligkeit und Sicher- heit der Ausführung des Planes beweist, daſs er lange durchdacht und in allen Theilen im Einzelnen festgestellt war; allein auch so bleibt sie nicht viel weniger wunderbar als der Plan selbst. Die Grundzüge waren gegeben und damit der neue Staat für alle Zu- kunft bestimmt; vollenden konnte den Bau nur die grenzenlose Zukunft. Insofern durfte Caesar sich sagen, daſs sein Ziel er- reicht sei, und das wohl mochten die Worte bedeuten, die man zuweilen aus seinem Munde vernahm, daſs er genug gelebt habe. Aber eben weil der Bau ein unendlicher war, fügte der Meister, so lange er lebte, rastlos Stein auf Stein, mit immer gleicher Ge- schmeidigkeit und immer gleicher Spannkraft thätig an seinem Werk, ohne je zu überstürzen oder zu verschieben, eben als gebe es für ihn nur ein Heute und kein Morgen. So wirkte und schaffte er wie nie ein Sterblicher vor und nach ihm, und als ein Wirken- der und Schaffender lebt er noch nach Jahrtausenden im Gedächt- niſs der Nationen, der erste und doch auch der einzige Imperator Caesar. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0535" n="525"/><fw place="top" type="header">REPUBLIK UND MONARCHIE.</fw><lb/> verweilen erlaubten, ordnete er die Geschicke der Welt für die<lb/> Gegenwart und die Zukunft, von der Feststellung der Grenzlinie<lb/> zwischen Civilisation und Barbarei an bis hinab zu der Beseiti-<lb/> gung der Regenpfützen auf den Gassen der Hauptstadt, und be-<lb/> hielt dabei noch Zeit und Heiterkeit genug um den Preisstücken<lb/> im Theater aufmerksam zu folgen und dem Sieger den Kranz mit<lb/> improvisirten Versen zu ertheilen. Die Schnelligkeit und Sicher-<lb/> heit der Ausführung des Planes beweist, daſs er lange durchdacht<lb/> und in allen Theilen im Einzelnen festgestellt war; allein auch so<lb/> bleibt sie nicht viel weniger wunderbar als der Plan selbst. Die<lb/> Grundzüge waren gegeben und damit der neue Staat für alle Zu-<lb/> kunft bestimmt; vollenden konnte den Bau nur die grenzenlose<lb/> Zukunft. Insofern durfte Caesar sich sagen, daſs sein Ziel er-<lb/> reicht sei, und das wohl mochten die Worte bedeuten, die man<lb/> zuweilen aus seinem Munde vernahm, daſs er genug gelebt habe.<lb/> Aber eben weil der Bau ein unendlicher war, fügte der Meister,<lb/> so lange er lebte, rastlos Stein auf Stein, mit immer gleicher Ge-<lb/> schmeidigkeit und immer gleicher Spannkraft thätig an seinem<lb/> Werk, ohne je zu überstürzen oder zu verschieben, eben als gebe<lb/> es für ihn nur ein Heute und kein Morgen. So wirkte und schaffte<lb/> er wie nie ein Sterblicher vor und nach ihm, und als ein Wirken-<lb/> der und Schaffender lebt er noch nach Jahrtausenden im Gedächt-<lb/> niſs der Nationen, der erste und doch auch der einzige Imperator<lb/> Caesar.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [525/0535]
REPUBLIK UND MONARCHIE.
verweilen erlaubten, ordnete er die Geschicke der Welt für die
Gegenwart und die Zukunft, von der Feststellung der Grenzlinie
zwischen Civilisation und Barbarei an bis hinab zu der Beseiti-
gung der Regenpfützen auf den Gassen der Hauptstadt, und be-
hielt dabei noch Zeit und Heiterkeit genug um den Preisstücken
im Theater aufmerksam zu folgen und dem Sieger den Kranz mit
improvisirten Versen zu ertheilen. Die Schnelligkeit und Sicher-
heit der Ausführung des Planes beweist, daſs er lange durchdacht
und in allen Theilen im Einzelnen festgestellt war; allein auch so
bleibt sie nicht viel weniger wunderbar als der Plan selbst. Die
Grundzüge waren gegeben und damit der neue Staat für alle Zu-
kunft bestimmt; vollenden konnte den Bau nur die grenzenlose
Zukunft. Insofern durfte Caesar sich sagen, daſs sein Ziel er-
reicht sei, und das wohl mochten die Worte bedeuten, die man
zuweilen aus seinem Munde vernahm, daſs er genug gelebt habe.
Aber eben weil der Bau ein unendlicher war, fügte der Meister,
so lange er lebte, rastlos Stein auf Stein, mit immer gleicher Ge-
schmeidigkeit und immer gleicher Spannkraft thätig an seinem
Werk, ohne je zu überstürzen oder zu verschieben, eben als gebe
es für ihn nur ein Heute und kein Morgen. So wirkte und schaffte
er wie nie ein Sterblicher vor und nach ihm, und als ein Wirken-
der und Schaffender lebt er noch nach Jahrtausenden im Gedächt-
niſs der Nationen, der erste und doch auch der einzige Imperator
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Zitationshilfe: | Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 525. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/535>, abgerufen am 16.07.2024. |