Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.LITTERATUR. in den Rhetorenschulen geführt ward, so war auch in Rom die ge-richtliche Rede gewissermassen mehr noch massgebend für den Stil als die Litteratur und es war desshalb mit dem Sachwalterprin- cipat gleichsam von Rechtswegen die Befugniss verbunden den Ton der modischen Sprech- und Schreibweise anzugeben. Hor- tensius asiatischer Vulgarismus verdrängte also den Klassicismus von der römischen Rednerbühne und zum Theil auch aus der Litteratur. Aber bald schlug in Griechenland wie in Rom die Mode wieder um. Dort war es die rhodische Rhetorenschule, die ohne auf die ganze keusche Strenge des attischen Stils zurück- zugehen, doch versuchte zwischen ihm und der modernen Weise einen Mittelweg einzuschlagen; wenn die rhodischen Meister es mit der innerlichen Correctheit des Denkens und Sprechens nicht allzu genau nahmen, so drangen sie doch wenigstens auf sprach- liche und stilistische Reinheit, auf sorgfältige Auswahl der Wör- ter und Wendungen und durchgeführte Cadenzirung der Sätze. In Italien war es Marcus Tullius Cicero (648--711), der, nach- dem er in seiner ersten Jugend die hortensische Manier mitge- macht hatte, durch das Hören der rhodischen Meister und durch eigenen gereisteren Geschmack auf bessere Wege zurückgeführt ward und fortan sich strenger Reinheit der Sprache und durch- gängiger Periodisirung und Cadenzirung der Rede befliss. Die Sprachmuster, an die er hiebei sich anschloss, fand er vor allen Dingen in denjenigen Kreisen der höheren römischen Gesellschaft, welche von dem Vulgarismus noch wenig oder gar nicht gelitten hatten; und wie schon gesagt ward, es gab deren noch, obwohl sie anfingen zu schwinden. Die ältere lateinische und die gute griechische Litteratur, so bedeutend auch namentlich auf den Numerus der Rede die letztere eingewirkt hat, standen daneben doch nur in zweiter Linie; es war diese Sprachreinigung also keineswegs eine Reaction der Buch- gegen die Umgangssprache, sondern eine Reaction der Sprache der wirklich Gebildeten gegen den Jargon der falschen und halben Bildung. Caesar, auch auf dem Gebiet der Sprache der grösste Meister seiner Zeit, sprach den Grundgedanken des römischen Klassicismus aus, indem er in Rede und Schrift jedes fremdartige Wort so zu vermeiden ge- bot, wie der Schiffer die Klippe meidet: man verwarf das poeti- sche und das verschollene Wort der älteren Litteratur ebenso wie die bäurische Wendung und den neugebildeten oder neu entlehn- ten Vulgarausdruck. Aber nichts desto weniger war dieser cice- ronische Klassicismus mit dem scipionischen verglichen ein schul- mässiges und künstliches Erzeugniss und von dem der scipioni- LITTERATUR. in den Rhetorenschulen geführt ward, so war auch in Rom die ge-richtliche Rede gewissermaſsen mehr noch maſsgebend für den Stil als die Litteratur und es war deſshalb mit dem Sachwalterprin- cipat gleichsam von Rechtswegen die Befugniſs verbunden den Ton der modischen Sprech- und Schreibweise anzugeben. Hor- tensius asiatischer Vulgarismus verdrängte also den Klassicismus von der römischen Rednerbühne und zum Theil auch aus der Litteratur. Aber bald schlug in Griechenland wie in Rom die Mode wieder um. Dort war es die rhodische Rhetorenschule, die ohne auf die ganze keusche Strenge des attischen Stils zurück- zugehen, doch versuchte zwischen ihm und der modernen Weise einen Mittelweg einzuschlagen; wenn die rhodischen Meister es mit der innerlichen Correctheit des Denkens und Sprechens nicht allzu genau nahmen, so drangen sie doch wenigstens auf sprach- liche und stilistische Reinheit, auf sorgfältige Auswahl der Wör- ter und Wendungen und durchgeführte Cadenzirung der Sätze. In Italien war es Marcus Tullius Cicero (648—711), der, nach- dem er in seiner ersten Jugend die hortensische Manier mitge- macht hatte, durch das Hören der rhodischen Meister und durch eigenen gereisteren Geschmack auf bessere Wege zurückgeführt ward und fortan sich strenger Reinheit der Sprache und durch- gängiger Periodisirung und Cadenzirung der Rede befliſs. Die Sprachmuster, an die er hiebei sich anschloſs, fand er vor allen Dingen in denjenigen Kreisen der höheren römischen Gesellschaft, welche von dem Vulgarismus noch wenig oder gar nicht gelitten hatten; und wie schon gesagt ward, es gab deren noch, obwohl sie anfingen zu schwinden. Die ältere lateinische und die gute griechische Litteratur, so bedeutend auch namentlich auf den Numerus der Rede die letztere eingewirkt hat, standen daneben doch nur in zweiter Linie; es war diese Sprachreinigung also keineswegs eine Reaction der Buch- gegen die Umgangssprache, sondern eine Reaction der Sprache der wirklich Gebildeten gegen den Jargon der falschen und halben Bildung. Caesar, auch auf dem Gebiet der Sprache der gröſste Meister seiner Zeit, sprach den Grundgedanken des römischen Klassicismus aus, indem er in Rede und Schrift jedes fremdartige Wort so zu vermeiden ge- bot, wie der Schiffer die Klippe meidet: man verwarf das poeti- sche und das verschollene Wort der älteren Litteratur ebenso wie die bäurische Wendung und den neugebildeten oder neu entlehn- ten Vulgarausdruck. Aber nichts desto weniger war dieser cice- ronische Klassicismus mit dem scipionischen verglichen ein schul- mäſsiges und künstliches Erzeugniſs und von dem der scipioni- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0545" n="535"/><fw place="top" type="header">LITTERATUR.</fw><lb/> in den Rhetorenschulen geführt ward, so war auch in Rom die ge-<lb/> richtliche Rede gewissermaſsen mehr noch maſsgebend für den Stil<lb/> als die Litteratur und es war deſshalb mit dem Sachwalterprin-<lb/> cipat gleichsam von Rechtswegen die Befugniſs verbunden den<lb/> Ton der modischen Sprech- und Schreibweise anzugeben. Hor-<lb/> tensius asiatischer Vulgarismus verdrängte also den Klassicismus<lb/> von der römischen Rednerbühne und zum Theil auch aus der<lb/> Litteratur. Aber bald schlug in Griechenland wie in Rom die<lb/> Mode wieder um. Dort war es die rhodische Rhetorenschule, die<lb/> ohne auf die ganze keusche Strenge des attischen Stils zurück-<lb/> zugehen, doch versuchte zwischen ihm und der modernen Weise<lb/> einen Mittelweg einzuschlagen; wenn die rhodischen Meister es<lb/> mit der innerlichen Correctheit des Denkens und Sprechens nicht<lb/> allzu genau nahmen, so drangen sie doch wenigstens auf sprach-<lb/> liche und stilistische Reinheit, auf sorgfältige Auswahl der Wör-<lb/> ter und Wendungen und durchgeführte Cadenzirung der Sätze.<lb/> In Italien war es Marcus Tullius Cicero (648—711), der, nach-<lb/> dem er in seiner ersten Jugend die hortensische Manier mitge-<lb/> macht hatte, durch das Hören der rhodischen Meister und durch<lb/> eigenen gereisteren Geschmack auf bessere Wege zurückgeführt<lb/> ward und fortan sich strenger Reinheit der Sprache und durch-<lb/> gängiger Periodisirung und Cadenzirung der Rede befliſs. 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Caesar, auch auf<lb/> dem Gebiet der Sprache der gröſste Meister seiner Zeit, sprach<lb/> den Grundgedanken des römischen Klassicismus aus, indem er<lb/> in Rede und Schrift jedes fremdartige Wort so zu vermeiden ge-<lb/> bot, wie der Schiffer die Klippe meidet: man verwarf das poeti-<lb/> sche und das verschollene Wort der älteren Litteratur ebenso wie<lb/> die bäurische Wendung und den neugebildeten oder neu entlehn-<lb/> ten Vulgarausdruck. Aber nichts desto weniger war dieser cice-<lb/> ronische Klassicismus mit dem scipionischen verglichen ein schul-<lb/> mäſsiges und künstliches Erzeugniſs und von dem der scipioni-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [535/0545]
LITTERATUR.
in den Rhetorenschulen geführt ward, so war auch in Rom die ge-
richtliche Rede gewissermaſsen mehr noch maſsgebend für den Stil
als die Litteratur und es war deſshalb mit dem Sachwalterprin-
cipat gleichsam von Rechtswegen die Befugniſs verbunden den
Ton der modischen Sprech- und Schreibweise anzugeben. Hor-
tensius asiatischer Vulgarismus verdrängte also den Klassicismus
von der römischen Rednerbühne und zum Theil auch aus der
Litteratur. Aber bald schlug in Griechenland wie in Rom die
Mode wieder um. Dort war es die rhodische Rhetorenschule, die
ohne auf die ganze keusche Strenge des attischen Stils zurück-
zugehen, doch versuchte zwischen ihm und der modernen Weise
einen Mittelweg einzuschlagen; wenn die rhodischen Meister es
mit der innerlichen Correctheit des Denkens und Sprechens nicht
allzu genau nahmen, so drangen sie doch wenigstens auf sprach-
liche und stilistische Reinheit, auf sorgfältige Auswahl der Wör-
ter und Wendungen und durchgeführte Cadenzirung der Sätze.
In Italien war es Marcus Tullius Cicero (648—711), der, nach-
dem er in seiner ersten Jugend die hortensische Manier mitge-
macht hatte, durch das Hören der rhodischen Meister und durch
eigenen gereisteren Geschmack auf bessere Wege zurückgeführt
ward und fortan sich strenger Reinheit der Sprache und durch-
gängiger Periodisirung und Cadenzirung der Rede befliſs. Die
Sprachmuster, an die er hiebei sich anschloſs, fand er vor allen
Dingen in denjenigen Kreisen der höheren römischen Gesellschaft,
welche von dem Vulgarismus noch wenig oder gar nicht gelitten
hatten; und wie schon gesagt ward, es gab deren noch, obwohl
sie anfingen zu schwinden. Die ältere lateinische und die gute
griechische Litteratur, so bedeutend auch namentlich auf den
Numerus der Rede die letztere eingewirkt hat, standen daneben
doch nur in zweiter Linie; es war diese Sprachreinigung also
keineswegs eine Reaction der Buch- gegen die Umgangssprache,
sondern eine Reaction der Sprache der wirklich Gebildeten gegen
den Jargon der falschen und halben Bildung. Caesar, auch auf
dem Gebiet der Sprache der gröſste Meister seiner Zeit, sprach
den Grundgedanken des römischen Klassicismus aus, indem er
in Rede und Schrift jedes fremdartige Wort so zu vermeiden ge-
bot, wie der Schiffer die Klippe meidet: man verwarf das poeti-
sche und das verschollene Wort der älteren Litteratur ebenso wie
die bäurische Wendung und den neugebildeten oder neu entlehn-
ten Vulgarausdruck. Aber nichts desto weniger war dieser cice-
ronische Klassicismus mit dem scipionischen verglichen ein schul-
mäſsiges und künstliches Erzeugniſs und von dem der scipioni-
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