Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL XII. schen Zeit so zu unterscheiden, wie die Unschuld von der be-kehrten Sünde. Wenn jener aus dem vollen Leben geschöpft hatte, so fing dieser gleichsam die letzten Athemzüge eines un- wiederbringlich untergehenden Geschlechtes noch eben rechtzei- tig auf. Wie er nun war, er breitete rasch sich aus. Mit dem Sachwalterprincipat ging auch die Sprach- und Geschmacksdic- tatur von Hortensius auf Cicero über und die mannigfaltige und weitläuftige Schriftstellerei des Letzteren gab diesem Klassicismus, was ihm noch gefehlt hatte, ausgedehnte prosaische Texte. So wurde Cicero der Schöpfer der modernen klassischen lateinischen Prosa und knüpfte der römische Klassicismus durchaus und überall an Cicero als Stilisten an: dem Stilisten Cicero, nicht dem Schriftsteller, geschweige denn dem Staatsmann galten die überschwenglichen und doch nicht ganz phrasenhaften Lob- sprüche, mit denen die begabtesten Vertreter des Klassicismus, namentlich Caesar und Catullus ihn überhäufen. Bald ging man weiter. Was Cicero in der Prosa, das führte in der Poesie gegen das Ende der Epoche die neurömische an die griechische Mode- poesie sich anlehnende Dichterschule durch deren bedeutendstes Talent Catullus war. Auch hier verdrängte die höhere Umgangs- sprache die bisher auf diesem Gebiet noch vielfach waltenden ar- chaistischen Reminiscenzen und wie Cicero dem attischen Nu- merus in der Prosa fügten sich diese Poeten in der Poesie den strengen oder vielmehr peinlichen metrischen Gesetzen der Ale- xandriner. Endlich trat denn auch die Wissenschaft hinzu, fixirte das Sprachgesetz und entwickelte die Regel, die nicht mehr aus der Empirie bestimmt ward, sondern den Anspruch machte die Empirie zu bestimmen. Die Declinationsendungen, die bisher noch zum Theil geschwankt hatten, sollten jetzt ein für allemal fixirt werden, wie zum Beispiel von den bisherigen neben einan- der gangbaren Genitiv- und Dativformen der sogenannten vierten Declination (senatuis und senatus, senatui, und senatu) Caesar ausschliesslich die zusammengezogenen us und u gelten liess. In der Orthographie wurde mancherlei geändert, um die Schrift mit der Sprache wieder vollständiger ins Gleiche zu setzen -- so ward das inlautende u in Wörten wie maximus nach Caesars Vor- gang durch i ersetzt und von den beiden überflüssig geworde- nen Buchstaben k und q die Beseitigung des ersten durchgesetzt die des zweiten wenigstens vorgeschlagen. Dass für diese Thätig- keit auf dem Gebiete der lateinischen Grammatik die griechische nicht bloss im Allgemeinen den Geist und die Methode hergab, sondern die lateinische Sprache auch wohl geradezu nach jener FÜNFTES BUCH. KAPITEL XII. schen Zeit so zu unterscheiden, wie die Unschuld von der be-kehrten Sünde. Wenn jener aus dem vollen Leben geschöpft hatte, so fing dieser gleichsam die letzten Athemzüge eines un- wiederbringlich untergehenden Geschlechtes noch eben rechtzei- tig auf. Wie er nun war, er breitete rasch sich aus. Mit dem Sachwalterprincipat ging auch die Sprach- und Geschmacksdic- tatur von Hortensius auf Cicero über und die mannigfaltige und weitläuftige Schriftstellerei des Letzteren gab diesem Klassicismus, was ihm noch gefehlt hatte, ausgedehnte prosaische Texte. So wurde Cicero der Schöpfer der modernen klassischen lateinischen Prosa und knüpfte der römische Klassicismus durchaus und überall an Cicero als Stilisten an: dem Stilisten Cicero, nicht dem Schriftsteller, geschweige denn dem Staatsmann galten die überschwenglichen und doch nicht ganz phrasenhaften Lob- sprüche, mit denen die begabtesten Vertreter des Klassicismus, namentlich Caesar und Catullus ihn überhäufen. Bald ging man weiter. Was Cicero in der Prosa, das führte in der Poesie gegen das Ende der Epoche die neurömische an die griechische Mode- poesie sich anlehnende Dichterschule durch deren bedeutendstes Talent Catullus war. Auch hier verdrängte die höhere Umgangs- sprache die bisher auf diesem Gebiet noch vielfach waltenden ar- chaistischen Reminiscenzen und wie Cicero dem attischen Nu- merus in der Prosa fügten sich diese Poeten in der Poesie den strengen oder vielmehr peinlichen metrischen Gesetzen der Ale- xandriner. Endlich trat denn auch die Wissenschaft hinzu, fixirte das Sprachgesetz und entwickelte die Regel, die nicht mehr aus der Empirie bestimmt ward, sondern den Anspruch machte die Empirie zu bestimmen. Die Declinationsendungen, die bisher noch zum Theil geschwankt hatten, sollten jetzt ein für allemal fixirt werden, wie zum Beispiel von den bisherigen neben einan- der gangbaren Genitiv- und Dativformen der sogenannten vierten Declination (senatuis und senatus, senatui, und senatu) Caesar ausschlieſslich die zusammengezogenen us und u gelten lieſs. In der Orthographie wurde mancherlei geändert, um die Schrift mit der Sprache wieder vollständiger ins Gleiche zu setzen — so ward das inlautende u in Wörten wie maximus nach Caesars Vor- gang durch i ersetzt und von den beiden überflüssig geworde- nen Buchstaben k und q die Beseitigung des ersten durchgesetzt die des zweiten wenigstens vorgeschlagen. 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FÜNFTES BUCH. KAPITEL XII.
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hatte, so fing dieser gleichsam die letzten Athemzüge eines un-
wiederbringlich untergehenden Geschlechtes noch eben rechtzei-
tig auf. Wie er nun war, er breitete rasch sich aus. Mit dem
Sachwalterprincipat ging auch die Sprach- und Geschmacksdic-
tatur von Hortensius auf Cicero über und die mannigfaltige und
weitläuftige Schriftstellerei des Letzteren gab diesem Klassicismus,
was ihm noch gefehlt hatte, ausgedehnte prosaische Texte. So
wurde Cicero der Schöpfer der modernen klassischen lateinischen
Prosa und knüpfte der römische Klassicismus durchaus und
überall an Cicero als Stilisten an: dem Stilisten Cicero, nicht
dem Schriftsteller, geschweige denn dem Staatsmann galten die
überschwenglichen und doch nicht ganz phrasenhaften Lob-
sprüche, mit denen die begabtesten Vertreter des Klassicismus,
namentlich Caesar und Catullus ihn überhäufen. Bald ging man
weiter. Was Cicero in der Prosa, das führte in der Poesie gegen
das Ende der Epoche die neurömische an die griechische Mode-
poesie sich anlehnende Dichterschule durch deren bedeutendstes
Talent Catullus war. Auch hier verdrängte die höhere Umgangs-
sprache die bisher auf diesem Gebiet noch vielfach waltenden ar-
chaistischen Reminiscenzen und wie Cicero dem attischen Nu-
merus in der Prosa fügten sich diese Poeten in der Poesie den
strengen oder vielmehr peinlichen metrischen Gesetzen der Ale-
xandriner. Endlich trat denn auch die Wissenschaft hinzu, fixirte
das Sprachgesetz und entwickelte die Regel, die nicht mehr aus
der Empirie bestimmt ward, sondern den Anspruch machte die
Empirie zu bestimmen. Die Declinationsendungen, die bisher
noch zum Theil geschwankt hatten, sollten jetzt ein für allemal
fixirt werden, wie zum Beispiel von den bisherigen neben einan-
der gangbaren Genitiv- und Dativformen der sogenannten vierten
Declination (senatuis und senatus, senatui, und senatu) Caesar
ausschlieſslich die zusammengezogenen us und u gelten lieſs. In
der Orthographie wurde mancherlei geändert, um die Schrift mit
der Sprache wieder vollständiger ins Gleiche zu setzen — so ward
das inlautende u in Wörten wie maximus nach Caesars Vor-
gang durch i ersetzt und von den beiden überflüssig geworde-
nen Buchstaben k und q die Beseitigung des ersten durchgesetzt
die des zweiten wenigstens vorgeschlagen. Daſs für diese Thätig-
keit auf dem Gebiete der lateinischen Grammatik die griechische
nicht bloſs im Allgemeinen den Geist und die Methode hergab,
sondern die lateinische Sprache auch wohl geradezu nach jener
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