Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL II. asiatischer Städte die Thore und metzelten wie im J. 666 dieunter ihnen lebenden römischen Familien nieder; die Pisider, Isaurer, Kiliker ergriffen gegen Rom die Waffen. Die Gefahr war so dringend, dass tüchtige Männer versuchten auf ihre eigene Hand wenigstens vorläufig ihr zu wehren -- so verliess auf die Kunde von diesen Ereignissen der junge Gaius Caesar Rhodos, wo er seiner Studien wegen sich aufhielt, und warf sich mit einer rasch zusammengerafften Schaar den Insurgenten entgegen. Viel freilich konnten solche Freicorps nicht ausrichten. Wenn nicht der tapfere Vierfürst des um Pessinus ansässigen Kelten- stamms der Tolistobojer, Deiotarus die Partei der Römer ergriffen und glücklich gegen die pontischen Feldherren gefochten hätte, so hätte Lucullus damit beginnen müssen das Binnenland der römi- schen Provinz dem Feind wieder abzunehmen. Auch so aber ver- lor er mit der Beruhigung der Landschaft und mit der Zurück- drängung des Feindes eine kostbare Zeit, die durch die geringen Erfolge, welche seine Reiterei dabei erfocht, nichts weniger als ver- gütet ward. Ungünstiger noch als in Phrygien gestalteten sich die Dinge für die Römer an der Nordküste Kleinasiens. Hier hatte die grosse Armee und die Flotte der Pontiker sich Bithyniens voll- ständig bemeistert und die weit schwächeren Römer genöthigt mit ihrer Mannschaft und ihren Schiffen in den Mauern und dem Hafen von Kalchedon Schutz zu suchen, wo Mithradates sie blo- kirt hielt. Indess war diese Einschliessung insofern ein günsti- ges Ereigniss für die Römer, als es ihnen weit gelegener war bei Kalchedon als in dem fernen und unwegsamen pontischen Land die Waffenentscheidung aufzusuchen. Wie natürlich beschloss Lucullus statt nach dem Pontos sich nach Bithynien zu wenden und im Verein mit Cotta den König anzugreifen; allein Cotta, um vorher noch auf eigene Hand eine Grossthat auszuführen, liess seinen Flottenführer Publius Rutilius Nudus einen Ausfall machen, der nicht bloss mit einer blutigen Niederlage der Römer endigte, sondern auch den Pontikern es möglich machte den Hafen an- zugreifen, die Kette, die denselben sperrte, zu sprengen und sämmtliche daselbst befindliche römische Kriegsschiffe, gegen siebzig an der Zahl, zu verbrennen. Auf die Nachricht von die- sen Unfällen, die Lucullus am Fluss Sangarios erhielt, beschleu- nigte derselbe seinen Marsch, zur grossen Unzufriedenheit seiner Soldaten, welche nach ihrer Meinung Cotta nichts anging und die weit lieber ein unvertheidigtes Land geplündert als ihre Kamera- den siegen gelehrt hätten. Bei Lucullus Eintreffen hob der König die Belagerung von Kalchedon auf, aber er ging nicht nach Pon- FÜNFTES BUCH. KAPITEL II. asiatischer Städte die Thore und metzelten wie im J. 666 dieunter ihnen lebenden römischen Familien nieder; die Pisider, Isaurer, Kiliker ergriffen gegen Rom die Waffen. Die Gefahr war so dringend, daſs tüchtige Männer versuchten auf ihre eigene Hand wenigstens vorläufig ihr zu wehren — so verlieſs auf die Kunde von diesen Ereignissen der junge Gaius Caesar Rhodos, wo er seiner Studien wegen sich aufhielt, und warf sich mit einer rasch zusammengerafften Schaar den Insurgenten entgegen. Viel freilich konnten solche Freicorps nicht ausrichten. Wenn nicht der tapfere Vierfürst des um Pessinus ansässigen Kelten- stamms der Tolistobojer, Deiotarus die Partei der Römer ergriffen und glücklich gegen die pontischen Feldherren gefochten hätte, so hätte Lucullus damit beginnen müssen das Binnenland der römi- schen Provinz dem Feind wieder abzunehmen. Auch so aber ver- lor er mit der Beruhigung der Landschaft und mit der Zurück- drängung des Feindes eine kostbare Zeit, die durch die geringen Erfolge, welche seine Reiterei dabei erfocht, nichts weniger als ver- gütet ward. Ungünstiger noch als in Phrygien gestalteten sich die Dinge für die Römer an der Nordküste Kleinasiens. Hier hatte die groſse Armee und die Flotte der Pontiker sich Bithyniens voll- ständig bemeistert und die weit schwächeren Römer genöthigt mit ihrer Mannschaft und ihren Schiffen in den Mauern und dem Hafen von Kalchedon Schutz zu suchen, wo Mithradates sie blo- kirt hielt. Indeſs war diese Einschlieſsung insofern ein günsti- ges Ereigniſs für die Römer, als es ihnen weit gelegener war bei Kalchedon als in dem fernen und unwegsamen pontischen Land die Waffenentscheidung aufzusuchen. Wie natürlich beschloſs Lucullus statt nach dem Pontos sich nach Bithynien zu wenden und im Verein mit Cotta den König anzugreifen; allein Cotta, um vorher noch auf eigene Hand eine Groſsthat auszuführen, lieſs seinen Flottenführer Publius Rutilius Nudus einen Ausfall machen, der nicht bloſs mit einer blutigen Niederlage der Römer endigte, sondern auch den Pontikern es möglich machte den Hafen an- zugreifen, die Kette, die denselben sperrte, zu sprengen und sämmtliche daselbst befindliche römische Kriegsschiffe, gegen siebzig an der Zahl, zu verbrennen. Auf die Nachricht von die- sen Unfällen, die Lucullus am Fluſs Sangarios erhielt, beschleu- nigte derselbe seinen Marsch, zur groſsen Unzufriedenheit seiner Soldaten, welche nach ihrer Meinung Cotta nichts anging und die weit lieber ein unvertheidigtes Land geplündert als ihre Kamera- den siegen gelehrt hätten. Bei Lucullus Eintreffen hob der König die Belagerung von Kalchedon auf, aber er ging nicht nach Pon- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0060" n="50"/><fw place="top" type="header">FÜNFTES BUCH. KAPITEL II.</fw><lb/> asiatischer Städte die Thore und metzelten wie im J. 666 die<lb/> unter ihnen lebenden römischen Familien nieder; die Pisider,<lb/> Isaurer, Kiliker ergriffen gegen Rom die Waffen. Die Gefahr war<lb/> so dringend, daſs tüchtige Männer versuchten auf ihre eigene<lb/> Hand wenigstens vorläufig ihr zu wehren — so verlieſs auf die<lb/> Kunde von diesen Ereignissen der junge Gaius Caesar Rhodos,<lb/> wo er seiner Studien wegen sich aufhielt, und warf sich mit<lb/> einer rasch zusammengerafften Schaar den Insurgenten entgegen.<lb/> Viel freilich konnten solche Freicorps nicht ausrichten. Wenn<lb/> nicht der tapfere Vierfürst des um Pessinus ansässigen Kelten-<lb/> stamms der Tolistobojer, Deiotarus die Partei der Römer ergriffen<lb/> und glücklich gegen die pontischen Feldherren gefochten hätte, so<lb/> hätte Lucullus damit beginnen müssen das Binnenland der römi-<lb/> schen Provinz dem Feind wieder abzunehmen. Auch so aber ver-<lb/> lor er mit der Beruhigung der Landschaft und mit der Zurück-<lb/> drängung des Feindes eine kostbare Zeit, die durch die geringen<lb/> Erfolge, welche seine Reiterei dabei erfocht, nichts weniger als ver-<lb/> gütet ward. Ungünstiger noch als in Phrygien gestalteten sich die<lb/> Dinge für die Römer an der Nordküste Kleinasiens. Hier hatte die<lb/> groſse Armee und die Flotte der Pontiker sich Bithyniens voll-<lb/> ständig bemeistert und die weit schwächeren Römer genöthigt<lb/> mit ihrer Mannschaft und ihren Schiffen in den Mauern und dem<lb/> Hafen von Kalchedon Schutz zu suchen, wo Mithradates sie blo-<lb/> kirt hielt. Indeſs war diese Einschlieſsung insofern ein günsti-<lb/> ges Ereigniſs für die Römer, als es ihnen weit gelegener war bei<lb/> Kalchedon als in dem fernen und unwegsamen pontischen Land<lb/> die Waffenentscheidung aufzusuchen. Wie natürlich beschloſs<lb/> Lucullus statt nach dem Pontos sich nach Bithynien zu wenden<lb/> und im Verein mit Cotta den König anzugreifen; allein Cotta, um<lb/> vorher noch auf eigene Hand eine Groſsthat auszuführen, lieſs<lb/> seinen Flottenführer Publius Rutilius Nudus einen Ausfall machen,<lb/> der nicht bloſs mit einer blutigen Niederlage der Römer endigte,<lb/> sondern auch den Pontikern es möglich machte den Hafen an-<lb/> zugreifen, die Kette, die denselben sperrte, zu sprengen und<lb/> sämmtliche daselbst befindliche römische Kriegsschiffe, gegen<lb/> siebzig an der Zahl, zu verbrennen. Auf die Nachricht von die-<lb/> sen Unfällen, die Lucullus am Fluſs Sangarios erhielt, beschleu-<lb/> nigte derselbe seinen Marsch, zur groſsen Unzufriedenheit seiner<lb/> Soldaten, welche nach ihrer Meinung Cotta nichts anging und die<lb/> weit lieber ein unvertheidigtes Land geplündert als ihre Kamera-<lb/> den siegen gelehrt hätten. Bei Lucullus Eintreffen hob der König<lb/> die Belagerung von Kalchedon auf, aber er ging nicht nach Pon-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [50/0060]
FÜNFTES BUCH. KAPITEL II.
asiatischer Städte die Thore und metzelten wie im J. 666 die
unter ihnen lebenden römischen Familien nieder; die Pisider,
Isaurer, Kiliker ergriffen gegen Rom die Waffen. Die Gefahr war
so dringend, daſs tüchtige Männer versuchten auf ihre eigene
Hand wenigstens vorläufig ihr zu wehren — so verlieſs auf die
Kunde von diesen Ereignissen der junge Gaius Caesar Rhodos,
wo er seiner Studien wegen sich aufhielt, und warf sich mit
einer rasch zusammengerafften Schaar den Insurgenten entgegen.
Viel freilich konnten solche Freicorps nicht ausrichten. Wenn
nicht der tapfere Vierfürst des um Pessinus ansässigen Kelten-
stamms der Tolistobojer, Deiotarus die Partei der Römer ergriffen
und glücklich gegen die pontischen Feldherren gefochten hätte, so
hätte Lucullus damit beginnen müssen das Binnenland der römi-
schen Provinz dem Feind wieder abzunehmen. Auch so aber ver-
lor er mit der Beruhigung der Landschaft und mit der Zurück-
drängung des Feindes eine kostbare Zeit, die durch die geringen
Erfolge, welche seine Reiterei dabei erfocht, nichts weniger als ver-
gütet ward. Ungünstiger noch als in Phrygien gestalteten sich die
Dinge für die Römer an der Nordküste Kleinasiens. Hier hatte die
groſse Armee und die Flotte der Pontiker sich Bithyniens voll-
ständig bemeistert und die weit schwächeren Römer genöthigt
mit ihrer Mannschaft und ihren Schiffen in den Mauern und dem
Hafen von Kalchedon Schutz zu suchen, wo Mithradates sie blo-
kirt hielt. Indeſs war diese Einschlieſsung insofern ein günsti-
ges Ereigniſs für die Römer, als es ihnen weit gelegener war bei
Kalchedon als in dem fernen und unwegsamen pontischen Land
die Waffenentscheidung aufzusuchen. Wie natürlich beschloſs
Lucullus statt nach dem Pontos sich nach Bithynien zu wenden
und im Verein mit Cotta den König anzugreifen; allein Cotta, um
vorher noch auf eigene Hand eine Groſsthat auszuführen, lieſs
seinen Flottenführer Publius Rutilius Nudus einen Ausfall machen,
der nicht bloſs mit einer blutigen Niederlage der Römer endigte,
sondern auch den Pontikern es möglich machte den Hafen an-
zugreifen, die Kette, die denselben sperrte, zu sprengen und
sämmtliche daselbst befindliche römische Kriegsschiffe, gegen
siebzig an der Zahl, zu verbrennen. Auf die Nachricht von die-
sen Unfällen, die Lucullus am Fluſs Sangarios erhielt, beschleu-
nigte derselbe seinen Marsch, zur groſsen Unzufriedenheit seiner
Soldaten, welche nach ihrer Meinung Cotta nichts anging und die
weit lieber ein unvertheidigtes Land geplündert als ihre Kamera-
den siegen gelehrt hätten. Bei Lucullus Eintreffen hob der König
die Belagerung von Kalchedon auf, aber er ging nicht nach Pon-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |