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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
Reich zu verlegen; der von Sertorius gesandte Führer, der Pro-
prätor Marcus Marius ging in Gemeinschaft mit dem pontischen
Offizier Eumachos nach Phrygien, um die römische Provinz und
das Taurusgebirg zu insurgiren; die Hauptarmee, über 100000
Mann, nebst 16000 Reitern und 100 Sichelwagen, geführt von
Taxiles und Hermokrates unter der persönlichen Oberleitung des
Königs, und die von Aristonikos befehligte Kriegsflotte von 400
Segeln bewegten sich die kleinasiatischen Nordküste entlang um
Paphlagonien und Bithynien zu besetzen. -- Römischer Seits ward
zur Führung des Krieges in erster Reihe der Consul des J. 680
Lucius Lucullus ausersehen, der als Statthalter von Asien und
Kilikien an die Spitze der in Kleinasien stehenden vier Legionen
und einer fünften von ihm aus Italien mitgebrachten gestellt und
angewiesen ward mit dieser auf 30000 Mann zu Fuss und 1600
Reiter sich belaufenden Armee durch Phrygien in das pontische
Reich einzudringen. Sein College Marcus Cotta ging mit der
Flotte und einem anderen römischen Corps nach der Propontis
um Asien und Bithynien zu decken. Endlich wurde eine allge-
meine Armirung der Küsten, namentlich der von der pontischen
Flotte zunächst bedrohten thrakischen, angeordnet und die Säu-
berung der sämmtlichen Meere und Küsten von den Piraten und
ihren pontischen Genossen ausserordentlicher Weise einem ein-
zigen Beamten übertragen, wofür die Wahl auf den Prätor Mar-
cus Antonius fiel, den Sohn des Mannes, der dreissig Jahre zuvor
zuerst die kilikischen Corsaren gezüchtigt hatte (II, 127). Ausser-
dem stellte der Senat dem Lucullus eine Summe von 72 Mill.
Sesterzen (5 Mill. Thlr.) zur Verfügung, um davon eine Flotte
zu erbauen; was Lucullus indess ablehnte. Aus allem sieht man,
dass die Römer in der Vernachlässigung des Seewesens den Kern
des Uebels erkannten und hierin wenigstens so weit Ernst mach-
ten, als Decrete reichten.

So begann im J. 680 der Krieg auf allen Punkten. Es war
ein Unglück für Mithradates, dass eben im Moment seiner Kriegs-
erklärung der Wendepunkt im sertorianischen Kriege eintrat,
wodurch von vorn herein eine seiner hauptsächlichsten Hoffnun-
gen ihm zu Grunde ging und es der römischen Regierung mög-
lich ward ihre ganze Macht auf den See- und den kleinasiatischen
Krieg zu verwenden. Schon war auf dem Continent durch die
unvermeidliche Zögerung der römischen Kriegsvorbereitungen
dem Feinde ein nicht unbeträchtlicher Vorsprung gegeben wor-
den. Dem sertorianischen Proprätor, der in der römischen Pro-
vinz vorangestellt ward, öffneten eine beträchtliche Anzahl klein-

Röm. Gesch. III. 4

DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
Reich zu verlegen; der von Sertorius gesandte Führer, der Pro-
prätor Marcus Marius ging in Gemeinschaft mit dem pontischen
Offizier Eumachos nach Phrygien, um die römische Provinz und
das Taurusgebirg zu insurgiren; die Hauptarmee, über 100000
Mann, nebst 16000 Reitern und 100 Sichelwagen, geführt von
Taxiles und Hermokrates unter der persönlichen Oberleitung des
Königs, und die von Aristonikos befehligte Kriegsflotte von 400
Segeln bewegten sich die kleinasiatischen Nordküste entlang um
Paphlagonien und Bithynien zu besetzen. — Römischer Seits ward
zur Führung des Krieges in erster Reihe der Consul des J. 680
Lucius Lucullus ausersehen, der als Statthalter von Asien und
Kilikien an die Spitze der in Kleinasien stehenden vier Legionen
und einer fünften von ihm aus Italien mitgebrachten gestellt und
angewiesen ward mit dieser auf 30000 Mann zu Fuſs und 1600
Reiter sich belaufenden Armee durch Phrygien in das pontische
Reich einzudringen. Sein College Marcus Cotta ging mit der
Flotte und einem anderen römischen Corps nach der Propontis
um Asien und Bithynien zu decken. Endlich wurde eine allge-
meine Armirung der Küsten, namentlich der von der pontischen
Flotte zunächst bedrohten thrakischen, angeordnet und die Säu-
berung der sämmtlichen Meere und Küsten von den Piraten und
ihren pontischen Genossen auſserordentlicher Weise einem ein-
zigen Beamten übertragen, wofür die Wahl auf den Prätor Mar-
cus Antonius fiel, den Sohn des Mannes, der dreiſsig Jahre zuvor
zuerst die kilikischen Corsaren gezüchtigt hatte (II, 127). Auſser-
dem stellte der Senat dem Lucullus eine Summe von 72 Mill.
Sesterzen (5 Mill. Thlr.) zur Verfügung, um davon eine Flotte
zu erbauen; was Lucullus indeſs ablehnte. Aus allem sieht man,
daſs die Römer in der Vernachlässigung des Seewesens den Kern
des Uebels erkannten und hierin wenigstens so weit Ernst mach-
ten, als Decrete reichten.

So begann im J. 680 der Krieg auf allen Punkten. Es war
ein Unglück für Mithradates, daſs eben im Moment seiner Kriegs-
erklärung der Wendepunkt im sertorianischen Kriege eintrat,
wodurch von vorn herein eine seiner hauptsächlichsten Hoffnun-
gen ihm zu Grunde ging und es der römischen Regierung mög-
lich ward ihre ganze Macht auf den See- und den kleinasiatischen
Krieg zu verwenden. Schon war auf dem Continent durch die
unvermeidliche Zögerung der römischen Kriegsvorbereitungen
dem Feinde ein nicht unbeträchtlicher Vorsprung gegeben wor-
den. Dem sertorianischen Proprätor, der in der römischen Pro-
vinz vorangestellt ward, öffneten eine beträchtliche Anzahl klein-

Röm. Gesch. III. 4
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[49/0059] DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. Reich zu verlegen; der von Sertorius gesandte Führer, der Pro- prätor Marcus Marius ging in Gemeinschaft mit dem pontischen Offizier Eumachos nach Phrygien, um die römische Provinz und das Taurusgebirg zu insurgiren; die Hauptarmee, über 100000 Mann, nebst 16000 Reitern und 100 Sichelwagen, geführt von Taxiles und Hermokrates unter der persönlichen Oberleitung des Königs, und die von Aristonikos befehligte Kriegsflotte von 400 Segeln bewegten sich die kleinasiatischen Nordküste entlang um Paphlagonien und Bithynien zu besetzen. — Römischer Seits ward zur Führung des Krieges in erster Reihe der Consul des J. 680 Lucius Lucullus ausersehen, der als Statthalter von Asien und Kilikien an die Spitze der in Kleinasien stehenden vier Legionen und einer fünften von ihm aus Italien mitgebrachten gestellt und angewiesen ward mit dieser auf 30000 Mann zu Fuſs und 1600 Reiter sich belaufenden Armee durch Phrygien in das pontische Reich einzudringen. Sein College Marcus Cotta ging mit der Flotte und einem anderen römischen Corps nach der Propontis um Asien und Bithynien zu decken. Endlich wurde eine allge- meine Armirung der Küsten, namentlich der von der pontischen Flotte zunächst bedrohten thrakischen, angeordnet und die Säu- berung der sämmtlichen Meere und Küsten von den Piraten und ihren pontischen Genossen auſserordentlicher Weise einem ein- zigen Beamten übertragen, wofür die Wahl auf den Prätor Mar- cus Antonius fiel, den Sohn des Mannes, der dreiſsig Jahre zuvor zuerst die kilikischen Corsaren gezüchtigt hatte (II, 127). Auſser- dem stellte der Senat dem Lucullus eine Summe von 72 Mill. Sesterzen (5 Mill. Thlr.) zur Verfügung, um davon eine Flotte zu erbauen; was Lucullus indeſs ablehnte. Aus allem sieht man, daſs die Römer in der Vernachlässigung des Seewesens den Kern des Uebels erkannten und hierin wenigstens so weit Ernst mach- ten, als Decrete reichten. So begann im J. 680 der Krieg auf allen Punkten. Es war ein Unglück für Mithradates, daſs eben im Moment seiner Kriegs- erklärung der Wendepunkt im sertorianischen Kriege eintrat, wodurch von vorn herein eine seiner hauptsächlichsten Hoffnun- gen ihm zu Grunde ging und es der römischen Regierung mög- lich ward ihre ganze Macht auf den See- und den kleinasiatischen Krieg zu verwenden. Schon war auf dem Continent durch die unvermeidliche Zögerung der römischen Kriegsvorbereitungen dem Feinde ein nicht unbeträchtlicher Vorsprung gegeben wor- den. Dem sertorianischen Proprätor, der in der römischen Pro- vinz vorangestellt ward, öffneten eine beträchtliche Anzahl klein- Röm. Gesch. III. 4

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/59>, abgerufen am 23.11.2024.