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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
den römischen Feldherrn, der sich entschlossen hatte die Schlacht
zu liefern ohne darum die Belagerung aufzuheben, mit nicht viel
mehr als 10000 Mann gegen die zwanzigfache Uebermacht aus-
rücken und keck den Fluss überschreiten sah, der beide Heere
trennte; als er auf der einen Seite diese kleine Schaar überblickte,
,zur Gesandtschaft zu viel, zum Heere zu wenig', auf der andern
seine ungeheuren Heerhaufen, in denen die Völker vom schwar-
zen und vom kaspischen See mit denen vom Mittelmeer und vom
persischen Golf sich begegneten, deren gefürchtete eisenbedeckte
Lanzenreiter allein zahlreicher waren als Lucullus ganzes Heer
und in denen es auch an römisch gerüstetem Fussvolk nicht
mangelte: da entschloss er sich ungesäumt die vom Feinde be-
gehrte Schlacht zu liefern. Während aber die Armenier noch sich
dazu ordneten, erkannte Lucullus scharfes Auge, dass sie es ver-
säumt hatten eine Höhe zu besetzen, die ihre ganze Reiterstellung
beherrschte; er eilte sie mit zwei Cohorten einzunehmen, während
seine schwache Reiterei durch einen Flankenangriff die Aufmerk-
samkeit der Feinde von dieser Bewegung ablenkte, und so wie
er oben angekommen war, führte er seinen kleinen Haufen der
feindlichen Reiterei in den Rücken. Sie ward völlig zersprengt
und warf sich auf die noch nicht völlig geordnete Infanterie, die
davonlief ohne auch nur zum Schlagen zu kommen. Das Bulletin
des Siegers, dass 100000 Armenier und 5 Römer gefallen seien
und der König Turban und Stirnbinde von sich geworfen habe,
um unerkannt mit wenigen Reitern zu entkommen, ist im Stile
seines Meisters Sulla abgefasst; allein nichts desto weniger bleibt
der am 6. October 685 vor Tigranokerta erfochtene Sieg einer
der glänzendsten Sterne in der ruhmvollen Kriegsgeschichte Roms;
und er war nicht minder erfolgreich als glänzend. Alle den Par-
thern oder den Syrern entrissenen Landschaften waren durch
diesen Sieg strategisch den Armeniern verloren und gingen gröss-
tentheils ohne Weiteres über in den Besitz des Siegers. Die neu
erbaute Hauptstadt des Grossreiches selber machte den Anfang.
Die in ihr so zahlreichen griechischen Zwangsansiedler empörten
sich gegen die Besatzung und öffneten dem römischen Heere die
Pforten der Stadt, die den Soldaten zur Plünderung preisgegeben
ward. Aus Kilikien und Syrien hatte der armenische Satrap Ma-
gadates bereits alle Truppen herausgezogen um die Entsatzarmee
vor Tigranokerta zu verstärken. Lucullus rückte in die nörd-
lichste Landschaft Syriens Kommagene ein und erstürmte die
Hauptstadt Samosata; in das eigentliche Syrien gelangte er nicht,
doch langten von den Dynasten und Gemeinden bis zum rothen

DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
den römischen Feldherrn, der sich entschlossen hatte die Schlacht
zu liefern ohne darum die Belagerung aufzuheben, mit nicht viel
mehr als 10000 Mann gegen die zwanzigfache Uebermacht aus-
rücken und keck den Fluſs überschreiten sah, der beide Heere
trennte; als er auf der einen Seite diese kleine Schaar überblickte,
‚zur Gesandtschaft zu viel, zum Heere zu wenig‘, auf der andern
seine ungeheuren Heerhaufen, in denen die Völker vom schwar-
zen und vom kaspischen See mit denen vom Mittelmeer und vom
persischen Golf sich begegneten, deren gefürchtete eisenbedeckte
Lanzenreiter allein zahlreicher waren als Lucullus ganzes Heer
und in denen es auch an römisch gerüstetem Fuſsvolk nicht
mangelte: da entschloſs er sich ungesäumt die vom Feinde be-
gehrte Schlacht zu liefern. Während aber die Armenier noch sich
dazu ordneten, erkannte Lucullus scharfes Auge, daſs sie es ver-
säumt hatten eine Höhe zu besetzen, die ihre ganze Reiterstellung
beherrschte; er eilte sie mit zwei Cohorten einzunehmen, während
seine schwache Reiterei durch einen Flankenangriff die Aufmerk-
samkeit der Feinde von dieser Bewegung ablenkte, und so wie
er oben angekommen war, führte er seinen kleinen Haufen der
feindlichen Reiterei in den Rücken. Sie ward völlig zersprengt
und warf sich auf die noch nicht völlig geordnete Infanterie, die
davonlief ohne auch nur zum Schlagen zu kommen. Das Bulletin
des Siegers, daſs 100000 Armenier und 5 Römer gefallen seien
und der König Turban und Stirnbinde von sich geworfen habe,
um unerkannt mit wenigen Reitern zu entkommen, ist im Stile
seines Meisters Sulla abgefaſst; allein nichts desto weniger bleibt
der am 6. October 685 vor Tigranokerta erfochtene Sieg einer
der glänzendsten Sterne in der ruhmvollen Kriegsgeschichte Roms;
und er war nicht minder erfolgreich als glänzend. Alle den Par-
thern oder den Syrern entrissenen Landschaften waren durch
diesen Sieg strategisch den Armeniern verloren und gingen gröſs-
tentheils ohne Weiteres über in den Besitz des Siegers. Die neu
erbaute Hauptstadt des Groſsreiches selber machte den Anfang.
Die in ihr so zahlreichen griechischen Zwangsansiedler empörten
sich gegen die Besatzung und öffneten dem römischen Heere die
Pforten der Stadt, die den Soldaten zur Plünderung preisgegeben
ward. Aus Kilikien und Syrien hatte der armenische Satrap Ma-
gadates bereits alle Truppen herausgezogen um die Entsatzarmee
vor Tigranokerta zu verstärken. Lucullus rückte in die nörd-
lichste Landschaft Syriens Kommagene ein und erstürmte die
Hauptstadt Samosata; in das eigentliche Syrien gelangte er nicht,
doch langten von den Dynasten und Gemeinden bis zum rothen

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[61/0071] DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. den römischen Feldherrn, der sich entschlossen hatte die Schlacht zu liefern ohne darum die Belagerung aufzuheben, mit nicht viel mehr als 10000 Mann gegen die zwanzigfache Uebermacht aus- rücken und keck den Fluſs überschreiten sah, der beide Heere trennte; als er auf der einen Seite diese kleine Schaar überblickte, ‚zur Gesandtschaft zu viel, zum Heere zu wenig‘, auf der andern seine ungeheuren Heerhaufen, in denen die Völker vom schwar- zen und vom kaspischen See mit denen vom Mittelmeer und vom persischen Golf sich begegneten, deren gefürchtete eisenbedeckte Lanzenreiter allein zahlreicher waren als Lucullus ganzes Heer und in denen es auch an römisch gerüstetem Fuſsvolk nicht mangelte: da entschloſs er sich ungesäumt die vom Feinde be- gehrte Schlacht zu liefern. Während aber die Armenier noch sich dazu ordneten, erkannte Lucullus scharfes Auge, daſs sie es ver- säumt hatten eine Höhe zu besetzen, die ihre ganze Reiterstellung beherrschte; er eilte sie mit zwei Cohorten einzunehmen, während seine schwache Reiterei durch einen Flankenangriff die Aufmerk- samkeit der Feinde von dieser Bewegung ablenkte, und so wie er oben angekommen war, führte er seinen kleinen Haufen der feindlichen Reiterei in den Rücken. Sie ward völlig zersprengt und warf sich auf die noch nicht völlig geordnete Infanterie, die davonlief ohne auch nur zum Schlagen zu kommen. Das Bulletin des Siegers, daſs 100000 Armenier und 5 Römer gefallen seien und der König Turban und Stirnbinde von sich geworfen habe, um unerkannt mit wenigen Reitern zu entkommen, ist im Stile seines Meisters Sulla abgefaſst; allein nichts desto weniger bleibt der am 6. October 685 vor Tigranokerta erfochtene Sieg einer der glänzendsten Sterne in der ruhmvollen Kriegsgeschichte Roms; und er war nicht minder erfolgreich als glänzend. Alle den Par- thern oder den Syrern entrissenen Landschaften waren durch diesen Sieg strategisch den Armeniern verloren und gingen gröſs- tentheils ohne Weiteres über in den Besitz des Siegers. Die neu erbaute Hauptstadt des Groſsreiches selber machte den Anfang. Die in ihr so zahlreichen griechischen Zwangsansiedler empörten sich gegen die Besatzung und öffneten dem römischen Heere die Pforten der Stadt, die den Soldaten zur Plünderung preisgegeben ward. Aus Kilikien und Syrien hatte der armenische Satrap Ma- gadates bereits alle Truppen herausgezogen um die Entsatzarmee vor Tigranokerta zu verstärken. Lucullus rückte in die nörd- lichste Landschaft Syriens Kommagene ein und erstürmte die Hauptstadt Samosata; in das eigentliche Syrien gelangte er nicht, doch langten von den Dynasten und Gemeinden bis zum rothen

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/71>, abgerufen am 24.11.2024.