Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL II. Meer hinab, von Hellenen, Syrern, Juden, Arabern Gesandte anum den Römern als den neuen Oberherren zu huldigen. Selbst der Fürst von Korduene, der östlich von Tigranokerta gelegenen Landschaft, unterwarf sich; wogegen freilich in Nisibis und da- mit in Mesopotamien der Bruder des Grosskönigs Guras sich be- hauptete. Durchaus trat Lucullus auf als Schirmherr der helle- nischen Fürsten und Bürgerschaften; in Kommagene setzte er einen Prinzen des seleukidischen Hauses Antiochos auf den Thron; Antiochos den Asiaten, der nach dem Abzug der Armenier nach Antiochia zurückgekehrt war, erkannte er an als König von Sy- rien; die gezwungenen Ansiedler von Tigranokarta entliess er wieder in ihre Heimathen. Die unermesslichen Vorräthe und Schätze des Grosskönigs -- an Getreide wurden 30 Millionen Medimnen, an Geld allein in Tigranokerta 8000 Talente (14 Mill. Thlr.) erbeutet -- machten es Lucullus möglich die Kosten des Krieges zu bestreiten, ohne die Staatskasse in Anspruch zu neh- men, und jedem seiner Soldaten ausser reichlichster Verpflegung noch eine Verehrung von 800 Denaren (229 Thlr.) zu machen. Der Grosskönig war tief gedemüthigt. Er war ein schwäch- FÜNFTES BUCH. KAPITEL II. Meer hinab, von Hellenen, Syrern, Juden, Arabern Gesandte anum den Römern als den neuen Oberherren zu huldigen. Selbst der Fürst von Korduene, der östlich von Tigranokerta gelegenen Landschaft, unterwarf sich; wogegen freilich in Nisibis und da- mit in Mesopotamien der Bruder des Groſskönigs Guras sich be- hauptete. Durchaus trat Lucullus auf als Schirmherr der helle- nischen Fürsten und Bürgerschaften; in Kommagene setzte er einen Prinzen des seleukidischen Hauses Antiochos auf den Thron; Antiochos den Asiaten, der nach dem Abzug der Armenier nach Antiochia zurückgekehrt war, erkannte er an als König von Sy- rien; die gezwungenen Ansiedler von Tigranokarta entlieſs er wieder in ihre Heimathen. Die unermeſslichen Vorräthe und Schätze des Groſskönigs — an Getreide wurden 30 Millionen Medimnen, an Geld allein in Tigranokerta 8000 Talente (14 Mill. Thlr.) erbeutet — machten es Lucullus möglich die Kosten des Krieges zu bestreiten, ohne die Staatskasse in Anspruch zu neh- men, und jedem seiner Soldaten auſser reichlichster Verpflegung noch eine Verehrung von 800 Denaren (229 Thlr.) zu machen. Der Groſskönig war tief gedemüthigt. Er war ein schwäch- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0072" n="62"/><fw place="top" type="header">FÜNFTES BUCH. 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FÜNFTES BUCH. KAPITEL II.
Meer hinab, von Hellenen, Syrern, Juden, Arabern Gesandte an
um den Römern als den neuen Oberherren zu huldigen. Selbst
der Fürst von Korduene, der östlich von Tigranokerta gelegenen
Landschaft, unterwarf sich; wogegen freilich in Nisibis und da-
mit in Mesopotamien der Bruder des Groſskönigs Guras sich be-
hauptete. Durchaus trat Lucullus auf als Schirmherr der helle-
nischen Fürsten und Bürgerschaften; in Kommagene setzte er
einen Prinzen des seleukidischen Hauses Antiochos auf den Thron;
Antiochos den Asiaten, der nach dem Abzug der Armenier nach
Antiochia zurückgekehrt war, erkannte er an als König von Sy-
rien; die gezwungenen Ansiedler von Tigranokarta entlieſs er
wieder in ihre Heimathen. Die unermeſslichen Vorräthe und
Schätze des Groſskönigs — an Getreide wurden 30 Millionen
Medimnen, an Geld allein in Tigranokerta 8000 Talente (14 Mill.
Thlr.) erbeutet — machten es Lucullus möglich die Kosten des
Krieges zu bestreiten, ohne die Staatskasse in Anspruch zu neh-
men, und jedem seiner Soldaten auſser reichlichster Verpflegung
noch eine Verehrung von 800 Denaren (229 Thlr.) zu machen.
Der Groſskönig war tief gedemüthigt. Er war ein schwäch-
licher Charakter, übermüthig im Glück, im Unglück verzagt;
wahrscheinlich würde zwischen ihm und Lucullus ein Abkom-
men zu Stande gekommen sein, das der Groſskönig mit ansehn-
lichen Opfern zu erkaufen, der römische Feldherr unter leidli-
chen Bedingungen zu gewähren beide alle Ursache hatten, wenn
der alte Mithradates nicht gewesen wäre. Dieser hatte nicht Theil
genommen an den Kämpfen um Tigranokerta. Durch die zwi-
schen dem Groſskönig und den Römern eingetretene Spannung
nach zwanzigmonatlicher Haft um die Mitte des J. 684 befreit,
war er mit 10000 armenischen Reitern in sein ehemaliges Reich
abgesandt worden, um hier die Communicationen des Feindes zu
bedrohen; allein noch ehe er hier etwas ausrichten konnte, ward
er zurückgerufen, als die gesammte Macht des Groſskönigs auf-
geboten ward um die Hauptstadt zu entsetzen. Bei seinem Ein-
treffen kamen ihm schon die vom Schlachtfeld flüchtenden Hau-
fen entgegen und vom Groſskönig bis zum gemeinen Soldaten
herab schien allen alles verloren. Wenn Tigranes jetzt Frieden
machte, so schwand für Mithradates nicht bloſs die letzte Möglich-
keit der Wiedereinsetzung in sein Reich, sondern seine Ausliefe-
rung war ohne Zweifel die erste Bedingung des Friedens; und
sicher würde Tigranes gegen ihn nicht anders gehandelt haben als
wie Bocchus einst gegen Jugurtha handelte. Seine ganze Persön-
lichkeit setzte der König ein, um diese Wendung zu verhindern
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