Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0011" n="9"/><lb/> drang, so sagten sie mir: ihr Bruder, der Paͤchter des naͤchsten Dorfes, der gestern hier (wie er oͤfters zu thun pflegte) zum Besuche gekommen, und uͤber Nacht geblieben war, waͤre heute Morgens in ihre Wohnstube gekommen (er schlief des Nachts in einer Heuscheune, die sowohl von der Wohnstube als von meiner Studirstube, wo ich geschlafen hatte, entfernt war) und habe ihnen allen einen sonderbaren Traum erzaͤhlt, den er diese Nacht gehabt haͤtte, und der hauptsaͤchlich mich anginge. Es kam ihm naͤmlich vor, als saͤhen sie mich alle nach dem himmlischen Jerusalem zugehn. Ein alter ehrwuͤrdiger Greiß kam mir am Thor entgegen, fuͤhrte mich herein, und stieß sie, indem sie mir nachfolgen wollten, zuruͤck. Sie blieben vor dem Thor stehn, um meine Ruͤckkunft abzuwarten, endlich kam ich wieder heraus, meine Gestalt war sehr ehrwuͤrdig, mein Angesicht leuchtete wie das Angesicht Mosis, da er die zwei Tafeln empfing. Sie fuͤrchteten, sich mir zu naͤhern, und waren in der groͤsten Verlegenheit, wie sie mit mir in der Zukunft umgehen sollten. Dieses, sagten meine Schuͤler ferner, war die Ursache, warum wir Sie mit einer solchen Aufmerksamkeit ansahen, und uͤber Jhren Anblick unsre Verwunderung aͤusserten. Bald darauf kam auch der <hi rendition="#b">traͤumende Bruder,</hi> und bekraͤftigte dieses alles aufs Neue. Seit der Zeit bin ich auch in diesem Hause ganz anders als vorher behandelt<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [9/0011]
drang, so sagten sie mir: ihr Bruder, der Paͤchter des naͤchsten Dorfes, der gestern hier (wie er oͤfters zu thun pflegte) zum Besuche gekommen, und uͤber Nacht geblieben war, waͤre heute Morgens in ihre Wohnstube gekommen (er schlief des Nachts in einer Heuscheune, die sowohl von der Wohnstube als von meiner Studirstube, wo ich geschlafen hatte, entfernt war) und habe ihnen allen einen sonderbaren Traum erzaͤhlt, den er diese Nacht gehabt haͤtte, und der hauptsaͤchlich mich anginge. Es kam ihm naͤmlich vor, als saͤhen sie mich alle nach dem himmlischen Jerusalem zugehn. Ein alter ehrwuͤrdiger Greiß kam mir am Thor entgegen, fuͤhrte mich herein, und stieß sie, indem sie mir nachfolgen wollten, zuruͤck. Sie blieben vor dem Thor stehn, um meine Ruͤckkunft abzuwarten, endlich kam ich wieder heraus, meine Gestalt war sehr ehrwuͤrdig, mein Angesicht leuchtete wie das Angesicht Mosis, da er die zwei Tafeln empfing. Sie fuͤrchteten, sich mir zu naͤhern, und waren in der groͤsten Verlegenheit, wie sie mit mir in der Zukunft umgehen sollten. Dieses, sagten meine Schuͤler ferner, war die Ursache, warum wir Sie mit einer solchen Aufmerksamkeit ansahen, und uͤber Jhren Anblick unsre Verwunderung aͤusserten. Bald darauf kam auch der traͤumende Bruder, und bekraͤftigte dieses alles aufs Neue. Seit der Zeit bin ich auch in diesem Hause ganz anders als vorher behandelt
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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